Hellsing - Jesus Christ is in Heaven Now

11.10.2011 - 08:50 Uhr
Ein bisschen Western, ein bisschen Barock, ein bisschen Vampir...Alucard
GONZO
Ein bisschen Western, ein bisschen Barock, ein bisschen Vampir...Alucard
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Hellsing nutzt die visuellen Möglichkeiten der Anime-Serie und schenkt der Vampir-Welt mit Alucard einen unwiderstehlichen Krieger. Er ist der hedonistische Blutsauger im Auftrag ihrer Majestät. Ich schenke diesem Rockstar von einem Vampir mein Herz für Serien und verneige mich damit ebenso vor Kota Hirano, dem Zeichner des ursprünglichen Mangas.

Stop whining! All I did was cut off your stupid legs! Summon your demons! Transform yourself! Pick up your gun and attack me! Do something! The Night is still so young, and all the fun is yet to start.

Ich schaue mir zwar selten Animationsfilme oder -serien, doch meistens bin ich hinterher begeistert. Die Verwendung animierter Bilder lässt eine exakte Umsetzung menschlicher Vorstellung zu. Alles ist so, wie es sein soll. Der Vorteil eines Vampir-Animes liegt somit auf der Hand: Hellsing setzt das Spirituelle, das Brutale, das Überdrehte der Vampir-Thematik exakt um, ohne den Grenzen irgendeines Schauspielers ausgesetzt zu sein.

Alucard ist ein eloquenter Vampirjäger, und er ist ein waschechter Vampir. Die Zeiten haben sich geändert seit Bram Stoker’s Dracula. Alucard dient der britischen HELLSING-Organisation, einem geheimen, königlich-protestantischen Ritterorden, der sich dem Kampf gegen Untote aller Art verschrieben hat. Lady Integra Wingates Hellsing steht dem paramilitärischen, hochorganisierten und traditionsreichen Orden vor und kontrolliert in dieser Funktion auch ihren blutsaugenden Diener. Während sie sich mit der Leitung einer großen Organisation und der Planung nachhaltiger Untoten-Bekämpfung herumschlagen muss, kann sich Alucard immer wieder in entgrenzenden Kämpfen auslassen.

Be water, my friend – die Kampfweise des Alucard
Bruce Lee meinte immer, man solle wie Wasser sein: formlos, fließend. In Hellsing werden diese taoistischen Weisheiten mit einer ganzen Ladung Vampir-Terror gemischt. Alucards Stärke liegt in seiner Formlosigkeit. Er führt seinen Gegnern immer wieder ihre eigenen Grenzen vor. In einem Duell lässt Alucard seinem Gegner genügend Möglichkeiten, ihn völlig zu zerschießen. Er lässt sich gelassen in seine Einzelteile zerballern, um dann in einer eindrucksvollen Demonstration seine wirkliche Stärke zu zeigen. Immer wenn Alucard bis zum grotesk verunstalteten Etwas deformiert wurde, fängt er an, seine wirklichen Tricks auszupacken: Ihm wachsen plötzlich Höllenhunde aus den Armstümpfen, tausend leuchtende Augen bedecken seinen Körper, er wird zu einer schwarzen Silhouette, die langsam den Bildschirm auffrisst. Der rauschhafte Kampf und Alucards anscheinend elementare Macht über die Materie werden durch meist einfache Form- und Farbspiele effektiv auf den Punkt gebracht. Manchmal erinnert diese Mechanik an Fight Club. Die Bereitschaft so richtig zu bluten, so richtig dreckig und kaputt zu sein, ist im Grunde viel mächtiger als die Bereitschaft, richtig fies zuzuhauen.

Alucard, gefesselte Macht
Alucard ist an ein Siegelsystem gebunden. Nur für die Dauer eines Kampfes kann er sein grenzenloses Potential entfalten, er hat für sich bemerkt und beschlossen, dass sich innerhalb der christlichen Grenzen und der menschlichen Ordnung sehr befreit kämpfen lässt. In Hellsing wird Alucard nicht als einsam sinnsuchender Vampir gezeichnet. Mir gefällt das. Alucard geht mehr oder weniger in seiner Konstellation und seiner Beziehung zu Integra auf. Mich hat dieser Einfall von Anfang an fasziniert. Alucard ist ein blutrünstiger Vampir. Aber er ist grundloyal und seine grenzenlose Macht ist an das menschliche Antlitz der Integra Hellsing gebunden. Chaotische Allmacht und menschliche Ordnung werden in ein Verhältnis zueinander gebracht und finden Gefallen aneinander. Sie respektieren sich gegenseitig zutiefst und schätzen die jeweiligen Stärken des Anderen. Das streng christlich-protestantische Auftreten der blonden Lady Integra und das dekadent-sadistische Gebaren des allmächtigen, dunklen Alucard ergänzen sich unglaublich gut.

Die Musik
Hellsing ist keine perfekte Anime-Serie. Doch der Soundtrack bringt sie nahe heran. Die Bilder funktionieren ohne die Musik nicht. Ich habe eine DVD-Box, die auch den Soundtrack enthält. Und ich habe bemerkt, dass es sich umgekehrt genauso verhält. Ich musste mich beim ersten Mal ein bisschen über die holprige Szenen-Dramaturgie von Hellsing wundern. Über die wenigen, stockenden Sequenzen rettet aber treibende Soundtrack hinweg. Allein der Vorspann macht schon große Lust auf die Welt des britischen Edel-Vampirs Alucard. Die Musikeinlagen geben den oft christlich-mythologischen oder aber schlichtweg brutalen Bildern das richtige Maß an Coolnes. Ich weiß, dass viele Fans der Serie die direct-to-video Variante Hellsing Ultimate bevorzugen. Ich habe sie noch nicht gesehen, freue mich aber darauf.

Das Setting – London
Einen Großteil der Stimmung transportiert auch das kulturelle Umfeld. England schließt sich wie ein fester, warmer Mantel um die Vampir-/Vampirjagd-Thematik. Das HELLSING-Universum wird zu einer ganzheitlichen Erscheinung, weil überall Tee getrunken wird, und überall die schwarz-humorige Grundstimmung des Briten lauert. Auch eingefleischten Anime-O-Ton-Freaks kann ich an dieser Stelle zur englischen Synchronisation raten. Jeder sollte in den Genuss kommen, Alucard wenigstens einmal nice oder splendid sagen zu hören. Außerdem bringt der eine oder andere Punk-Vampir uns noch ein paar neue britische Schimpfwörter bei, in feinstem Cockney-Akzent, um im Anschluss vom No-Life-King Alucard in die ewigen Jagdgründe geschickt zu werden.

Ein Hoch auf Alucard, ein Hoch auf Lady Integra, ein Hoch auf Anime und ein Hoch darauf, dass es noch wirkliche Vampire gibt! Zur Zeit vielleicht nicht im Kino, aber doch Zuhause auf dem Fernseher.

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