Happy Deathday - Und täglich grüßt das Murmeltier, nur ohne Horror

15.10.2017 - 13:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Happy DeathdayUniversal
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Happy Deathday, aka Slutshaming - The Movie, übertüncht mit seiner Zeitschleife-Story sein blutleeres Herz. Einen guten Zeitschleife-Film gab es in Sitges aber auch zu sehen.

Zwei Zeitschleifefilme habe ich beim Festival des phantastischen Films in Sitges gesehen. Einer davon war gut, der andere war Happy Deathday. Als Blumhouse-Afficionado bin ich stets gespannt, was die Filmemacher mit den vergleichsweise kleinen Budgets und ihrem Recht auf den Final Cut anstellen. Der Groundhog Day-Horror in Happy Deathday bleibt jedoch erstaunlich zahm für die Produktionsschmiede hinter Oculus, Insidious und Split. Der Zeitschleifen-Horror gehört trotz seiner originellen Ausgangsidee zu den konventionellsten Beträgen aus der Blumhouse-Schmiede und ja, das schließt die 457 Paranormal Activity-Filme mit ein. Tatsächlich wirkt Happy Deathday wie eine auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zugeschnittene Studioproduktion, mit ironischem Seitenhieben für die junge Zielgruppe und einen Aderlass der Schauwerte, um an der Kasse möglichst abzusahnen. Ist man polemisch gebürstet, geht Happy Deathday als Slut Shaming - The Movie durch, was sicher nicht Hauptdarstellerin Jessica Rothe anzulasten ist, die den Film und seinen Achterbahn-Loop der Gefühle im Alleingang trägt.

Rothes Heldin "Tree" (keine Angst, das ist nur ein Spitzname) wacht im Wohnheimzimmer eines Fremden auf, mächtiger Kater und Filmriss im Nacken. Sie stolpert auf dem Walk of Shame zu ihrem Verbindungshaus. Es ist ein stinknormaler Tag im Leben einer feierfreudigen Collegestudentin, die von einem Drehbuchautor für einen Slasherfilm auserkoren wurde. Folglich geht der Killer mit Milchzahn-Baby-Maske und Fleischermesser ans Werk. Tree beendet den Tag als Leiche. Und wacht wieder in dem Zimmer des Fremden auf. In der Folge versucht das Drehbuch von Scott Lobdell sein bestes, dem Vorbild Und täglich grüßt das Murmeltier nachzueifern. Nachdem Tree sich mit der Situation arrangiert hat, werden Tod für Tod die Verdächtigen abgehakt, ohne stichhaltiges Ergebnis, wer unter der Maske des Slasher-Babys steckt. Diese Verspieltheit nippelt leider vor dem Dritten Akt ab, der auf konventionelle Lösungen für seine promiskuitive Heldin aus ist.

Happy Deathday

Dieser Ordnungszwang wäre zu verkraften, würde sich Happy Deathday in Drehbuch und Schauwerten dem Slasher-Film tatsächlich hingeben. Grundsätzlich fehlt es an Horror, insbesondere in Sachen Brutalität. Das mag nun nach der Enttäuschung eines unbelehrbaren Gore-Hounds klingen, doch bei einem Film, der den Tod im Titel und seine Wiederholung im Konzept trägt, mag sich gewundert werden, warum er solch eine Nebenrolle spielt. Die sich wiederholenden Sterbeszenen werden schnell und sauber abgehandelt, was dem Pretty Little Liars-Look des Films entwachsen sein mag. Der Terror der Zerstörung junger (schöner) Körper haftet den besten Beiträgen des Genres an, wird die Sauberkeit und Distanz einer Schusswaffe doch gegen die Rage von Messern und ähnlichem getauscht, die aus nächster Nähe auf Gesichter, Kehlen und Brustkörbe niederfahren. Das Grauen dieses intimen Todes wird durch die Masken und Verkleidungen multipliziert, häufig ausdruckslos oder übersteuert, wie etwa beim Grinsebaby in Happy Deathday, stets aber unpersönlich. Das Drehbuch sucht mit der Unterführung, dem Verbindungshaus, der einsamen Landstraße oder dem Krankenbett klassische Todezonen des Genres auf. Die eigentlichen Kills, werden indes reizlos abgehandelt, um zum nächsten Morgen zu kommen.

Der Plot regiert, nur fehlt es ihm an der Finesse des großen Vorbilds. Die Einzelteile der Déjà-vus werden in Happy Deathday wie auf dem Präsentierteller serviert. Trees frühmorgendlicher Walk of Shame mit den übermüdeten Jocks und dem Sprinklerpärchen an der Seitenlinie wurde beispielsweise dermaßen durchschaubar für die spätere Schleife konstruiert, dass der eigentliche Twist in Happy Deathday die Ungeheuerlichkeit eines zeitschleifefreien Alltags sein müsste. Die Rädchen des Getriebes liegen bloß. Zu entdecken gibt es eigentlich nur Jessica Rothe. Deren Figur Tree macht eine Art monogamen Exorzismus durch, der sie jeden Morgen ins selbe Bett eines Kommilitonen zwingt, mit dem sie noch nicht geschlafen hat. Das anarchische Potenzial der um alle Konsequenzen befreiten Zeitschleife wird in Happy Deathday in sein Gegenteil verkehrt. Man weiß nicht, was Tree dank dieser schicksalhaften Fügung dringender bewältigen muss: den nicht verkrafteten Tod ihrer Mutter oder den Hedonismus des College-Lebens.

A Day

Zum Vergleich sei der koreanische Beitrag A Day herangezogen, der ebenfalls beim Filmfestival in Sitges lief. In dem Zeitschleifefilm wird alle halbe Stunde eine neue Variable zur Twist-Gleichung hinzufügt, was viel spannender ist, als es vermutlich klingt (es klingt ziemlich nervig). Die Schleife ist denkbar grausam: Ein Arzt (Kim Myung-min) kehrt von einer Reise zu den Vereinten Nationen zurück und will sich nach einer Ewigkeit mit seiner kleinen Tochter treffen. Die stirbt bei einem Autounfall. Jedes Mal wird sie von einem Taxi über den Asphalt geschleudert. Der Gott in Weiß kommt zu spät und wacht mit diesem Wissen im Flugzeug auf, bevor alles wieder von vorne losgeht. Handwerklich schnörkellos inszeniert, entwickelt sich das Drehbuch zum Star von A Day, das mit eleganter Verlässlichkeit die Erwartungen auf den Kopf stellt, sobald man glaubt, sie kalibriert zu haben.

Anders als in Happy Deathday bleibt an diesem Tag kaum Zeit fürs selbstgefällige Zwinkern bei der Variation von Details, die einem erst beim zweiten oder dritten Durchlauf auffallen. Es geht um zu viel in A Day, auch weil der Egozentrismus solcher Stories durch die klare Zielsetzung ausgeglichen wird: Der Vater muss den Tod der Tochter verhindern. In Happy Deathday verliert Trees Tod schnell an Schockwirkung, wohingegen das traumatische Zeitschleifenfinale in A Day keine Abnutzungsspuren zeigt. Je weniger man allerdings über die Wendungen des Films weiß, desto besser. Für Fans harter koreanischer Thriller könnte A Day arg in die Gefühlsduselei abdriften, mir schien das hingegen die ehrliche Entwicklung des Zeitschleife-Konzepts, dessen Weg zur Läuterung häufig im Mittelteil durch Zynismus ausgeglichen wird. Für Zynismus hat A Day so gar keine Zeit.

Der Horror in Happy Deathday verblasst auch im Vergleich zur Komödie Und täglich grüßt das Murmeltier, was paradox klingen mag. In seiner Darstellung der zermürbenden Zeitschleife, die den Helden sogar zum Suizid treibt, entfaltet der Harold Ramis-Film ein existenzielles Grauen, mit dem sich Happy Deathday gar nicht erst abzumühen gedenkt.

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