George - wenn der Götz dem Heinrich huldigt

24.07.2013 - 20:00 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Alles für die Kunst! Eine Mischung aus Spielszenen und Dokumentarmaterial stellt das private und berufliche Leben von Heinrich George während des Dritten Reiches nach. Ein pathetischer Film über den Umgang mit dem künstlerischen Erbe der Nazizeit.

Irgendwann musste es geschehen. Irgendwann würde es nicht länger an schlechten Drehbüchern scheitern. Und irgendwann musste er die Chance einfach doch wahrnehmen, bevor es zu spät ist. Dass Götz George eines Tages seinen Vater, den Film- und Theaterschauspieler Heinrich George (1893-1946), vor der Kamera interpretieren würde, galt als sicher. Dass er dabei mehr als nur ein Wörtchen mitzureden hätte, ebenfalls. 15 Drehbuchentwürfe soll er abgelehnt haben, ehe das auf Arte und in der ARD ausgestrahlte Biopic George allmählich Gestalt annahm. Ein Herzensprojekt, nicht nur ein persönliches, ein gleich doppelt biographisches, sondern auch der Wunsch nach Korrektur, nach Genugtuung: Den Vater endlich, wenigstens ein Stückchen, freisprechen zu können vom großen Makel, ja, das wäre schön. Sie ist in Interviews immer wieder zu spüren, diese Unzufriedenheit Georges über die stets nur eingeschränkte Wertschätzung für den Vater. Weil der eben nicht nur Volksschauspieler, sondern auch Propaganda-Instrument war: In nationalsozialistischer Staatskunst wie Das Mädchen Johanna, Jud Süß oder Kolberg, zum Beispiel.

Zwischen Rehabilitierung und Affirmation
Die Absicht dieses Films schien schon klar, bevor er überhaupt gedreht war. Götz und sein Bruder Jan George haben dafür erstmals ihr Privatarchiv zugänglich gemacht, laut Pressetext liegt der Produktion gar eine Recherche internationalen Ausmaßes zugrunde. In einer Mischung aus Spielszenen sowie Interviews mit Zeitzeugen und Weggefährten unternimmt das so genannte Doku-Drama den Versuch, die Figur Heinrich George vor allem als bedeutenden Künstler zu rekonstruieren. Der Fokus liegt auf den Jahren nach der Machtgreifung Hitlers, auf Georges Arbeit im Dritten Reich und ganz besonders auch auf seiner sowjetischen Gefangenschaft nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine Hommage zwischen Rehabilitierung und Affirmation, unter Verwendung von Originalmaterial, Video- und Audiodokumenten, Fotografien und Filmausschnitten. Von Nico Hofmann in bewährter teamworx-Manier zusammenproduziert. Für Fans von: Nicht alle waren Mörder und Unsere Mütter, unsere Väter.

Schauspieler, kein Politiker
Narrativ gerahmt sind die ästhetischen Wechsel des Films von Heinrich Georges Verhören durch den NKWD (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) im Lager Hohenschönhausen, in dem er während der Sowjetischen Besatzungsmacht wegen Denunziation inhaftiert war. Von hieraus spinnt der Film in nachempfundenen Befragungen ein Netz aus Rückblicken und Einsichten, liefert also andauernde Schlüsselmomente in der Selbstwahrnehmung und Verteidigung Georges. Wie ein Häufchen Elend, so spielt es der Sohn, in einem stark verkörnten, kulissenartigen Ambiente. „Ich bin Schauspieler, kein Politiker“, so die Verteidigungsreflexe eines sichtlich überforderten, körperlich mitgenommenen Mannes. „Ich habe niemanden verraten, so einfach ist das nicht“, entgegnet er den Vorwürfen, die Ideologie der Nazis geteilt und tatkräftig unterstützt zu haben. Darum, und eigentlich um wenig anderes, geht in diesem Film: Um die Unschuldsfrage. Nicht wie oder ob es sie überhaupt zu diskutieren gilt, sondern die Bestrebung, das Schaffenswerk Georges gegen dessen vermeintliche Instrumentalisierung zu sichern.

Kunst als Kompromiss
Die Inszenierungsstrategie von Regisseur und Drehbuchautor Joachim Lang verlegt deshalb alle Unbequemlichkeit in einen Abwälzungsprozess aufs Künstlerische. „Einen Bösen gut zu spielen, das ist eine Herausforderung für den Schauspieler“, sagt Heinrich George im Verhör. Und bezieht das auf seine Rolle im heutigen Vorbehaltsfilm Hitlerjunge Quex: Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend, einem der schlimmsten Agitationserzeugnisse der Nazis. Schnitt auf ein Gespräch mit Sohn Jan: „Vielleicht wollte er uns schützen, vielleicht wollte er seinen Job retten“. Was als Erklärungsversuch, als vielleicht auch hilflose Anklage lesbar sein mag, ist mindestens auch Rechtfertigung. Denn ein Nazi sei er garantiert nicht gewesen. Im Interview mit der ARD bedauert Götz George das Schicksal des Vaters demonstrativ: „Seine Kunst wurde ausgestellt, und er musste sich ausstellen lassen“. Folglich ist der von seiner Mitarbeit entscheidend geprägte Film immer erst einmal darum bemüht, Heinrich George als eine Art Opfer höherer Umstände zu porträtieren. Dessen Kunst, und sei sie heute noch so unangenehm, als Kompromiss zu begreifen.

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