Filmfest München - Deutscher Film, ich komme

10.07.2013 - 16:08 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Filmfest München
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Unsere Kollegin Judy war beim diesjährigen Filmfest München und setzte sich im Vorfeld ein hehres Ziel: so viele deutsche Filme wie möglich zu gucken. Aber ist es ihr gelungen?

Mein Ziel beim 31. Filmfest München: So viele deutsche Filme wie möglich gucken. Nur wer geht bei 26 Grad und strahlendem Sonnenschein ins Kino? Ja, Leute die dafür bezahlt werden, dass sie vom Filmfest berichten und deshalb für 40€ eine Akkreditierung bekommen. Ist ja gut, ich geh ja schon und setzte mich zur sommerlichen Mittagszeit nicht in den Biergarten sondern in einen dunklen Kinosaal. Genau wie die anderen Berichterstatter, die auch kurz vorher in der Sonne geschwitzt haben und deren Deo zum Filmbeginn versagt.

Damit ich aber wenigstens bei dem schönen Wetter durch den Englischen Garten spazieren kann, habe ich mir vorher das Kino an der Münchner Freiheit ausgesucht. Dort angekommen, merke ich, dass gerade kein deutscher Film läuft. Na gut, ich bin ja flexibel, dann nehme ich halt den indischen Beitrag Ship of Theseus, das Yoga-Land wollte ich ja eh schon mal bereisen.

Ich will nicht zu viele Worte darüber verlieren, da es ja um deutsche Filme gehen soll. Nur so viel: Auch wenn die erste Episode mit einer blinden Fotografin von der Idee gut war, der Film ist viel zu lang. Vor allem, wenn man wie ich nicht darauf vorbereitet ist und sich nach Minute 90 nach vorn beugt, um unter dem Kinosessel mit leuchtendem Handy im Mund den 270-seitigen Filmfest- Katalog durchzublättern und festzustellen, dass der Film eine Länge von 143 Minuten hat. Darf ich einen polnischen Abgang aus einem indischen Film machen? Ich tue es und verstoße damit vermutlich gegen das Völkerrecht. Sorry.

Nächster Versuch: Bevor ich den deutschen Film Finsterworld mit Corinna Harfouch und Sandra Hüller gucke, hole ich mir erstmal bei der Podiumsdiskussion von den Machern Christian Kracht und seiner Ehefrau Frauke Finsterwalder ein paar Hintergrundinfos ab. Bestsellerautor Kracht erzählt in seiner kauzigen, verqueren, Intellektuellen-Art von der Entstehung des Drehbuchs. Für ihn übrigens das erste. Als er von der Filmfigur eines Fußpflegers spricht, der aus der abgehobelten Hornhaut seiner Patienten Plätzchen bäckt, denke ich, den Film muss ich jetzt gleich unbedingt nicht gucken. So lande ich stattdessen in dem italienischen Film Nina. Geschichte: Eine Frau, die im leergefegten Rom zur Sommerzeit auf eine Reiche-Leute-Wohnung inklusive Hund aufpasst. Im Filmfest-Katalog als die italienische Variante von Die fabelhafte Welt der Amélie angepriesen. In meinen Augen eher Die fabelhafte Welt der Amnesie: Ich kann mich nicht an die Handlung erinnern, denn ich bin aus Langeweile ins Wachkoma gefallen.

Egal, weitermachen. Nächster Filmfesttag. Heute werde ich es endlich in einen deutschen Film schaffen! Oh, was läuft denn da? Das Glück der großen Dinge was für ein beknackter Titel, aber Julianne Moore ist auf dem Plakat. Coole Frau, den will ich sehen. Aber halt, du musst doch in einen deutsch… Und da ging auch schon die Saaltür hinter mir zu und das Licht aus. Ein schöner, sensibler Film, den Scott McGehee und David Siegel da abgeliefert haben. Mich als verkorkstes Scheidungskind hat die Story, die aus der Perspektive der 6-jährigen Maisie erzählt wird, sehr berührt. Für alle, die die Romanverfilmung auch unbedingt sehen möchten. Der Film startet am 11. Juli in den deutschen Kinos.

Nach dem Trennungsdrama mit unterdrücktem Pipi in Auge und Blase erstmal auf die Toilette und danach bitte in eine Komödie. The Deflowering of Eva van End vom niederländischen Regisseur Michiel ten Horn ist bestimmt genau das Richtige. Ten Horn kommt aus dem Animationsfilm, was dem Ideenreichtum und überzeichneten Witz seine Debütfilms anzumerken ist. Und der Film ist fast deutsch! Denn es geht um einen deutschen Austauschschüler namens Veit, der das schön gestörte Leben der holländischen Familie van End zum Explodieren bringt. Mein Urteil: Dat is een lekker film.

Mein letzter Filmfesttag. Allerletzte Chance für den Besuch eines deutschen Beitrags. Und obwohl mir die schicken Kellner in den Cafés rund um die Uni mit Butterbretzel und Aperol Spritz zuwinken, schaffe ich es ins Arri Kino zu der Premiere von Deutschboden. Der Regiesseur André Schäfer kam bei der Lesung von Moritz von Uslar darauf, dessen Buch „Deutschboden“ inklusive Lebensgeschichten der brandburgischen Bandjungs „5 teeth less“ zu verfilmen. Als Doku versteht sich. Das Buch ist eine teilnehmende Beobachtung, also musste der Film es auch sein, so Schäfer. Und um es mal mit den Worten des Buchautors zu sagen, die Doku ist „gut langweilig, aber ich habe jede Minute genossen.“ Mission erfüllt, ich habe deutschen Film gesehen! Und jetzt nichts wie raus aus Bussi-Bussi-München. Servus!


Judy Horney hat für moviepilot ihre Erfahrungen beim Filmfest München festgehalten.

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