Fight Club ohne Seele: Der Thriller Manodrome zeigt Frauenhasser als harmlose Trottel in Kuschelpullis

23.02.2023 - 09:00 Uhr
Manodrome
Wyatt Garfield
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In Manodrome spielt Jesse Eisenberg einen Uber-Fahrer, der durch einen Männerkult radikalisiert wird. Das könnte die perfekte Mischung aus Fight Club und Taxi Driver sein, ist aber eine riesige Enttäuschung.

Fight Club von 1999 ist nicht der erste, aber der wahrscheinlich bekannteste Film, der sich intensiv mit einer gesellschaftlichen Männlichkeitskrise auseinandersetzt. David Finchers Meisterwerk zeigt, wie Menschen an eigenen und fremden Erwartungen kaputtgehen und die vermeintliche Lösung in etwas finden, das am Ende niemandem hilft: Gewalt und Zerstörung.

Fast ein Vierteljahrhundert später feiert Manodrome bei der Berlinale Weltpremiere. Der Thriller von Regisseur und Autor John Trengove zeigt ebenfalls einen frustrierten Mann, der durch einen gottgleichen Mentor radikalisiert wird. Uber-Fahrer Ralphie schließt sich einer Frauen hassenden Männerorganisation an, um seine "auslöschende", natürlich zutiefst männliche Kraft freizusetzen.

Klingt nach Fight Club 2.0 und das zu einem Zeitpunkt, wo gewalttätige Männerrechtsgruppen weit über Internetforen hinaus diskutiert werden – oder? Leider nicht. Denn Manodrome scheint keine Ahnung zu haben, was an seiner Geschichte wirklich interessant ist.

Das Gegenteil von Fight Club: Der Thriller spielt die Gefahr von frauenfeindlichen Gruppierungen runter

Dad Dan und seine zölibatären Freunde

Bevor ich tiefer in diesen Film eintauche, müssen wir hier eine Sache klarstellen: Das wirklich interessante, der angebliche Kern dieser Geschichte, ist eine Männerrechtsgruppierung. Unter der Leitung von Dad Dan (Adrien Brody) leben Männer unterschiedlichen Alters gemeinsam in einem Landhaus, irgendwo im Bundesstaat New York. Sie leben zölibatär, verzichten also bewusst auf Sex, und vermeiden den Kontakt zu Frauen.

Stattdessen kochen sie gemeinsam, gehen Feuerholz sammeln, schlafen in Etagenbetten, feiern in Kuschelpullis Weihnachten und reden über ihre Gefühle. Manchmal weint jemand oder rastet kurz aus, dann umarmen ihn alle. Wenn neue Leute zur Gruppe dazustoßen, bekommen sie Tattoos, die ein bisschen wie das "Heiligtümer des Todes"-Symbol aus Harry Potter aussehen. Vor allem aber wirken sie im Vergleich zum zunehmend aggressiver werdenden Ralphie (Jesse Eisenberg) beeindruckend ungefährlich.

Das ist natürlich ein Problem. Denn hinter der kuscheligen Männerabend-Ästhetik steckt ein eindeutig frauenfeindliches Weltbild, das der Film allerdings nur ankratzt. Die Mitglieder des Manodrome sind keine Incels, denn sie haben absichtlich keinen Sex. Die reale Entsprechung zur fiktiven Gruppe ist eher die "Men Going Their Own Way" -Bewegung, die aus der angeblich weiblich dominierten Gesellschaft aussteigen will und sich selbst als überlegenen Teil der Spezies sieht. Frauen hingegen sind privilegiert, halten sich für etwas Besseres und unterdrücken Männer. "Fotzen", wie es der Film in einer Szene ausdrückt.

Gewalt ist in diesem Weltbild kein ärgerlicher Ausreißer von Leuten wie Ralphie, die über das Ziel hinausschießen. Es ist elementares Feature der sogenannten Manosphere, von Incels  bis Pick-up-Artists . Warum Manodrome sich nicht intensiver mit der Bewegung auseinandersetzt, nach der der Film benannt ist, bleibt absolut unklar. Was macht so eine Gemeinschaft den ganzen Tag? Gibt es geplante Aktionen und bewusste Anwerbungsversuche? Wie finanziert sich Dad Dan und was ist mit ähnlichen Gruppen im Rest der USA, auf die einmal kurz verwiesen wird? Wird hier, ähnlich wie in Fight Club, auf einen Putsch hingearbeitet? Wir erfahren es nicht.

Egal ob Jesse Eisenberg oder Adrien Brody: Figuren und Story sind zu eindimensional, um spannend zu sein

Stattdessen bleibt der Film nah an Eisenbergs Figur Ralphie. Was schade ist, denn das ist weder erzählerisch noch visuell sonderlich spannend. Ralphie trainiert entweder angestrengt in einer düsteren Mucki-Bude oder sitzt schlechtgelaunt in seinem Auto, fährt Leute von A nach B und ignoriert Anrufe seiner hochschwangeren Freundin Sal (Odessa Young). Manchmal schießt er auch auf Menschen, oft überraschend.

Manodrome in gut: Seht hier den Trailer zu Fight Club

Fight Club - Trailer (Deutsch)
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Dann zuckt das Publikum zusammen, empfindet für einen kurzen Moment vielleicht sogar so etwas wie Anspannung. Doch Manodrome hat weder Zeit noch Interesse an den Figuren, die morden oder ermordet werden. Zumindest nicht richtig.

Jeder ist genau das, als was er auf den ersten Blick gezeigt wird. Dad Dan, der nur oberflächlich charismatische Typ mittleren Alters, der lieber eine zölibatäre Männersekte gründet, als seinen Ex-Frauen einmal im Haushalt zu helfen. Sal, die "nervige" Freundin, die nur da ist, damit wir als Zuschauende verstehen, wann Ralphie warmherzig und wann emotional distanziert sein soll. Und Ralphie eben, der im Kern sehr unsichere Typ, der seine Daddy Issues gegen alles richtet, was sein selbstauferlegtes Bild von "Männlichkeit" infrage stellt.

Die Story in einem Satz? Junger Mann wird immer gewalttätiger, bis ihn irgendwann die richtige Person umarmt. Das war's. Schade. Ich hätte diesen Film mit seinem gesellschaftlich relevanten Aufhänger so gern gut gefunden.

Manodrome ertränkt sein riesiges Potenzial in Blut, Gewalt und Klingeltönen

Ralphie (Jesse Eisenberg) guckt gern wütend in Spiegel

Es gibt zu Beginn von Manodrome eine Szene, in der Ralphie im Umkleideraum seines Mucki-Kellers vor dem Spiegel steht, die Muskeln anspannt und ein Selfie macht. Etwas Nasses glitzert auf seiner Wange. Es könnte Schweiß sein, oder eine Träne. Der vermeintliche Triumph über den eigenen Körper und der Schmerz der eigenen Existenz sind in diesem Moment nicht auseinanderzuhalten. Was macht das mit ihm? Wie fühlt sich das an?

Nach Wut und wenn ja, auf wen genau? Nach Hilflosigkeit und wenn ja, gegenüber was? Zeigt mir das, aber richtig. Mit Worten. Im Umgang mit anderen Figuren, die sich nicht nur nach Pappaufstellern mit Text anfühlen. Mit innerer Zerrissenheit, die mehr ist als ein Plot Device, um den nächsten Schockmoment vorzubereiten. Durch ein wirkliches Eintauchen in den "Manodrome".

Fight Clubs Gewalt war alles, aber nie leer. Manodrome reißt sich unter sichtbarer Anstrengung den Brustkorb auf, um das Herz hilfloser Männlichkeit zu enthüllen – aber da ist nichts. In dieser einen Einstellung vor dem Spiegel liegt alles, was es sich in Manodrome gelohnt hätte auszuloten. Stattdessen bekommen wir eine Mischung aus Fight Club und Taxi Driver ohne Hirn, Herz und Seele.

Manodrome läuft im Rahmen der Berlinale 2023 in ausgewählten Kinos. Einen deutschlandweiten Kinostart gibt es bisher nicht.

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