Ferraras Pasolini - wirr und zusammenhanglos

05.09.2014 - 09:40 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Willem Dafoe als Pasolini
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Gestern feierte Abel Ferraras Biopic Pasolini in Venedig Premiere, doch die meisten Kritiker waren nicht sehr angetan vom Film: Er sei zu zusammenhanglos und wirr, und dadurch nur für Pasolini-Experten zu verstehen.

Beim Filmfestival von Venedig feierte gestern das Biopic Pasolini von Abel Ferrara Premiere, in dem Willem Dafoe den italienischen Regisseur Pier Paolo Pasolini verkörpert. Der Mehrheit der Kritiker zufolge ist der Film allerdings nur für Pasolini-Experten zu verstehen, zudem habe Ferrara zahlreiche unpassende Entscheidungen getroffen.

Worum geht es in Pasolini?
In Pasolini widmet sich Abel Ferrara den letzten Tagen im Leben des italienischen Regisseurs, dessen Ermordung 1975 noch immer nicht aufgeklärt wurde. Bruchstückhaft werden sowohl Pasolinis abschließende Arbeiten an seinem letzten Film gezeigt, Die 120 Tage von Sodom, als auch Vorbereitungen auf sein nächstes Projekt, Porno-Teo-Kolossal, vermischt mit privaten Szenen, so mit seiner Mutter und seinem ehemaligen Liebhaber.

Und das sagen die Kritiker:
Für Peter Debruge von Variety  ist Pasolini eine wirre Collage, dessen "Stunt-Casting" von Williem Dafoe in der Hauptrolle bald seinen Glanz verliert: "Pasolini ist Ersatz-Pasolini [...]", Dafoe sei zwar ein beeindruckender Doppelgänger, durch den aber "der radikal-marxistische Künstler als kapitalistischer Posterboy neu erfunden wird, konzeptuell so unpassend wie ein Mitglied einer Studentenverbindung mit einem Che-Guevara-T-Shirt." Um die Bedeutung der Vorgänge im Film zu verstehen, müsse sich der Zuschauer zudem bereits gut in Pasolinis Leben auskennen, Pasolini müsse ausgegraben werden aus "dem verdrehten Gifthauch, den Ferrara nach seinem Bilde erschaffen hat."

Auch David Rooney vom Hollywood Reporter warnt, der Film sei ausschließlich für Pasolini-Gelehrte geeignet, "ein Film, der in der Theorie viel interessanter ist" als das fertige Produkt, das "an Zusammenhanglosigkeit grenzt". Die Szenen, in denen Pasolini ermordet wird, habe Ferrara dagegen in geradliniger dramatischer Art inszeniert, und sie seien die wirkungsvollsten des ganzen Films. Der ständige Wechsel von Dafoe vom Italienischen zum Englischen, zusammen mit den schlecht Englisch sprechenden italienischen Schauspielern, sorge zudem für unglückliche Künstlichkeit.

Auch Cristina Nord von der taz  hält Willem Dafoe in der Hauptrolle für "keine allzu glückliche Wahl ist, insofern es eine verdrehte Sprachsituation mit sich bringt. Während der Protagonist akzentfreies Englisch spricht, reden alle anderen Figuren so, dass die italienische Muttersprache in ihren englischen Sätzen spürbar bleibt." Dass Ferrara zudem Ideen aus Pasolinis letztem, unvollendetem Projekt Porno-Teo-Kolossal inszeniert, sei zwar einerseits mutig, andererseits "auch ein wenig anmaßend, weil sich Ferrara damit, wenn nicht zu Pasolinis Stellvertreter auf Erden, so doch zu dessen legitimem Erben macht". Zudem seinen diese Szenen wie der ganze Film "eine Orgie, mit Feuerwerk allzu akzentfrei interpunktiert".

Für Isabella Reicher vom Standard  liegt das Obskure von Pasolini auch darin, dass "auch die Referenzen auf Pasolinis Werk [...] nicht immer gleich als solche kenntlich [sind]." Auch das Einarbeiten von Originalszenen aus Pasolinis letzten Werk, Die 120 Tage von Sodom, erreiche nicht die von Ferrara gewünschte Wirkung: "Gegenüber den Erinnerungen an seine Filme, die diese Exzerpte wachrufen, wirken Ferraras Nachstellungen dann fast kitschig."

Für Robbie Collin vom Telegraph  ist es hingegen einer von vielen schönen Schocks, dass die Zuschauer statt eines Portraits ein kubistisches Stillleben präsentiert bekämen: "Ferrara hat hier etwas recht Spezielles geschaffen: Eine subtile, verführerische Hymne in Lampen-Beleuchtung an die Talente eines Künstlers von einem anderen, der dabei ist, seine eigenen wiederzuentdecken."

Auch für Tommaso Tocci von The Film Stage  wäre eine geradlinige Herangehensweise an Pasolini sinnlos gewesen: "Deswegen passt Ferrara hier so gut: Wenn er am besten ist, kann er nahe heranzoomen, einige Schrauben lösen und das ganze Ding gut durchrütteln, ohne den ganzen Film zu zerstören." Auch Dafoes Pasolini sei "eine Näherung, gemacht aus tausend Spiegelungen".

Einen Kinostarttermin hat Pasolini noch nicht. Was erwartet ihr von dem Biopic Pasolini?

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