Fear the Walking Dead - Das Crossover ist eine große Enttäuschung

17.04.2018 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Ein prüfender Blick verrät: Die Serie steht wieder auf wackeligen Beinen.
AMC
Ein prüfender Blick verrät: Die Serie steht wieder auf wackeligen Beinen.
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Ein katastrophaler Start in jeder Hinsicht bedeutet noch lange nicht das Ende der Welt, aber die neue kreative Führung macht bereits beim Start der neuen Staffel von Fear The Walking Dead klar, dass die alte Version dieser Serie in ihren Augen wohl zu gut war.

48 Minuten. So lange braucht die Staffelpremiere von Fear the Walking Dead, bevor wir ein bekanntes Gesicht sehen. Es ist Alicia, die, zusammen mit ihrem Bruder Nick und einer neuen Gruppe, Morgan (Lennie James) in einen Hinterhalt lockt. Dieser ist wiederum - für Zuschauer, die die Produktion der Serie nicht genau verfolgen - überraschenderweise der Protagonist dieser ersten Episode. Wir folgen ihm auf seiner Reise von Virginia quer durch die Südstaaten der USA bis nach Texas, wo sich die Clarks und mehrere, neue Figuren zusammenfinden. Zuvor verabschieden ihn die drei Figuren, die ihn seit seiner Rückkehr in die Serie am meisten begleitet haben. Nach Jesus und Carol macht Rick den Abschluss. Er kritisiert die erneute Flucht in die Isolation, schließlich ist Wegrennen keine Lösung, wie Rick eben in dem All Out War mit Negan bewiesen hat. Doch genau das tut Morgan.

Was bei anderen Serien ein verwirrend interessanter Start sein kann (zum Beispiel der radikale Wechsel zu Beginn der 2. Staffel von The Leftovers), scheitert bei Fear the Walking Dead komplett. Dieser Schachzug macht für Zuschauer, die die Mutterserie nicht verfolgen, schlicht keinen Sinn. Sie wissen weder, wer Morgan ist, wovon er wegrennt oder wohin er will. Der neu ernannte Walking-Dead-Überlord Scott Gimple (nun verantwortlich für beide Serien) nimmt als ehemaliger Showrunner wie selbstverständlich an, dass Fans des Spin-offs auch die Mutterserie The Walking Dead verfolgen.

Mehr: Unser Recap zum Finale der 8. Staffel von The Walking Dead

Während bisher beide Serien fantastisch voneinander abgekapselt in ganz eigenen Weisen operiert und funktioniert haben, werden sie nun irreversibel miteinander verknüpft, zum deutlichen Nachteil des Spin-offs. The Walking Dead gibt sich nicht mehr damit zufrieden, die eigenen in die Länge gezogenen Staffeln mit Nebenfiguren zu bevölkern. Nein, stattdessen quellen sie nun auch in andere Serien über. Statt die Verbindung in eine Webisode zu packen, wie bereits häufig geschehen, stehlen die neuen Showrunner Andrew Chambliss und Ian Goldberg ihrer Serie einen ordentlichen Auftakt.

Dillahunt darf gleich sein Deadwood-Outfit anbehalten.

Gimple und sein Autorenteam hatten Morgans Rückkehr von langer Hand mit mehreren kleinen Teaser-Szenen angekündigt. Dass Lennie James den Weg in die Serie zurückfand, war eine erfreuliche Wendung. Immerhin konnte er vor vielen Jahren gemeinsam mit Andrew Lincoln und Frank Darabont ein Gespür für die Atmosphäre dieses Serienuniversums definieren. Doch die Figur Morgan war bis auf seine überraschende Rückkehr nicht weiter interessant, weder im Comic, noch in der Serie. Der im Fandom generierte Hype manifestierte sich nie in der Dramaturgie der Figur. Mit einer Flashback-Folge versuchten die Autoren, Morgan mehr Charakter zu verleihen und mit seiner Einführung in das Gefüge in Alexandria auch gleichzeitig einen philosophischen Konflikt mit Rick zu generieren. Vermeintlich komplex angelegt, blieb Morgan jedoch in einem stetigen Wechsel aus Selbstmitleid und bipolarem Pazifismus stecken und wird nun aus der Mutterserie geschrieben, weil er dort keinen Platz mehr findet. Wahrscheinlich ist dies auch ein Grund, weshalb Morgan im Comic ebenfalls ausschied. Nur eben deutlich früher und sinnvoller.

Zeitsprung als Problem

Fans der großartigen Wendung in der 3. Staffel unter Ex-Showrunner Dave Erickson müssen aber mit der neuen Version leben. Das ist schwer, insbesondere auf Grund des immensen Zeitsprungs. Mir stieß bereits der Zeitsprung in der 1. Staffel übel auf, doch die Angleichung an die Zeitlinie der Mutterserie sprengt den Rahmen völlig. Fear The Walking Dead funktionierte vor allem durch das geerdete Storytelling hinsichtlich der Motivation der Figuren und ihren Handlungen in frühen Zeit nach der Apokalypse, in der die Regeln für die Nachwelt erst einmal durch die Verarbeitung des Alten neu definiert werden müssen. Dieser Ansatz verschwindet mit dem Zeitsprung. Weiterhin bringt Morgan auch jede Menge unliebsame Features des Originals wie Flashbacks, zerklüftete Nebenhandlungen und einen Überfluss an Nebenfiguren mit sich. Besonders die Rahmenhandlung mit dem Opfer, das keine Hilfe will und später als Walker herumwandelt, lässt einen verdutzt zurück – tausend Mal gesehen, was soll uns das noch über Morgan oder die Welt aussagen, das wir noch nicht wissen?

Fear the Walking Dead

Garret Dillahunt und Maggie Grace sind gute Schauspieler, die den reduzierten Cast durchaus tatkräftig unterstützen. Ihre Figuren bleiben in dem Auftakt jedoch blass. Althea wird mit ihrer filmischen Dokumentation der Apokalypse als Expositionslieferantin dienen, sodass die Figuren dem Zuschauer erzählen können, was sie in der Zwischenzeit getan haben (anstatt wir es sehen). John Dorie wirkt aktuell noch wie ein treuer Hund und könnte ein Fanfavorit werden, aber seine Gutmütigkeit generiert bereits jetzt konstruierte Konflikte für die „Action of the Week“.

Die Ambition Ericksons ist dahingehend verschwunden. Erneut wird irgendwo am Arsch der Welt gekämpft. Während The Walking Dead seit etlichen Staffeln wie der Hinterhof eines Trailerparks oder wahlweise wie ein Waldstück in Georgia aussieht, konnte Fear The Walking Dead mit packenden Kulissen punkten. Downtown Los Angeles, Malibu, das offene Meer, Mexiko in all seiner Varianz, ein explodierender Staudamm; die Liste ist lang. Hätte es die Showrunner oder die Produktion überfordert, Morgans Reise ein wenig interessanter zu gestalten? Ein wenig Aufwand, eine Dreherlaubnis an einem besonderen Ort und eine minimale Crew könnten beeindruckende Bilder eines erweiterten Amerikas schaffen, das wir selten im Serienuniversum sehen.

Die Bösewichte der Woche haben Morgan im Griff. Interessante Widersacher wie Qaletaqa Walker fehlen.

Aber wäre es nur das. Der neue Kameramann Adam Suschitzky und Regisseur John Pohlson transferieren auch den Look des Originals in das Spin-off. Fear The Walking Dead verblüffte mit Farbe, mit Landschaften, mit Kostümen und Kulissen. Nach der Übernahme wird uns nun die gleiche blasse, grau-braune Welt aus The Walking Dead präsentiert. Besonders in der Kampfszene mit den Walkern sucht der Zuschauer verzweifelt im Hintergrund nach Farben und wird höchstens im Himmel oder einer vielleicht grünlichen Hecke fündig. Der ganze Look der Serie wirkt falsch. Während die Mutterserie mit ihrem 16mm Film-Charme immerhin ein kleines Retro-Horror-Feature für sich verbuchen kann, erstrahlt Morgans Schrottplatzbehausung zu Beginn in wunderschöner, digitaler Klarheit. Da erkennt der Zuschauer zum ersten Mal, wie wenig sich die Produktion überhaupt noch bemüht.

Es ist jedoch noch nicht an der Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken. Noch haben wir von den Clarks und ihren Freunden nichts Genaueres erfahren. Die alten Konflikte, vor allem zwischen Nick und seiner Mutter, dürften die Autoren nicht vergessen haben. Doch die Richtung, die die Serie einschlägt, ist die falsche. Es findet eine Angleichung an die Mutterserie statt, sodass sich das Spin-off zumindest in diesem Auftakt weder visuell noch auf einem anderen Level vom Original unterscheidet. Die 1. Episode der 4. Staffel markiert eine Kehrtwende, auch ohne Morgan. Es wird wieder klar, was wir seit Darabonts Abgang wissen: Es spielt eine Rolle, wer hinter der Kamera sitzt.

Habt ihr euch den Staffelauftakt von Fear the Walking Dead angeschaut?

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