(Fast) alle Lesben müssen sterben

17.05.2016 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Glück ist wenigen beschert.
The CW Television Network
Glück ist wenigen beschert.
68
8
Was macht man mit einer Lesbe im Film oder Fernsehen? Man lässt sie sterben. Am besten blutig. Das ist das "Kill your Lesbians"-Phänomen, eine schon seit Jahrzehnten intakte und immer wieder benutzte Trope. Viele MacherInnen und ZuschauerInnen sind sich ihrer gar nicht bewusst. Zeit, darauf aufmerksam zu machen, dass hier Diskriminierung unter dem Deckmäntelchen von Geschichtenerzählen betrieben wird. Erst recht, wenn wir am 17. Mai den Internationalen Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie begehen.

Zurzeit nennt man es das "Lexa-Phänomen" benannt nach Lexa (Alycia Debnam-Carey), einer lesbischen Figur in der Serie The 100. Lexa war eine furchtlose Kriegerin, die die Commanderin der 12 Grounder Clans und eine der wichtigen Figuren der Serie mit großem Einfluss und großer Beliebtheit bei den Fans der Serie. Und Lexa war lesbisch.

Ich schreibe "war", weil Lexa jetzt tot ist. Ein versehentlicher Bauchschuss.

Aber ganz so versehentlich ist es dann doch nicht, denn Lexa erleidet das gleiche, systematische Schicksal, das die meisten queeren Frauen im TV und im Film seit Jahrzehnten erleiden. Sie müssen leiden und sie sterben.

Eine tote Lesbe ist eine gute Lesbe

Man mag den Machern von The 100 glauben, dass sie nicht wussten, dass der Tod von Lexa nicht einfach nur ein üblicher Vorgang, sondern Teil einer uralten Film- und Fernsehtrope ist: Bury your Gays  und deren Unterkategorie Kill the Lesbians ist so alt, dass der Film noch schwarz-weiß war und gerade mal so Ton hatte, als die erste Lesbe starb. Im Fernsehen, lange Zeit ohne jegliche queere Figuren, begann der Trend zum queeren Sterben im Jahr 1976. In der Soap Opera Executive Suite rannte Julie ihrer Liebhaberin hinterher, die gerade realisiert hatte, dass sie lesbisch ist, und daraufhin sofort in den fahrenden Verkehr lief, und direkt von einem Laster erfasst und zermalmt wurde.

Nun ist es nicht so, als dürfen Queers nicht auch mal sterben. Statistisch gesehen passiert das allerdings überdurchschnittlich oft. Seit 1976 sind im US-amerikanischen Fernsehen 65 % aller queeren Charaktere gestorben. Im Jahr 2015 waren das allein 24 Frauen, 2016 hat bis Mai allein schon 12 Tote eingefordert. Bei Autostraddle  hat sich jemand die Mühe gemacht, alle 155+ (offen lebenden) lesbischen und bisexuellen Figuren aufzuzählen, die im Fernsehen getötet wurden. Hier mal ein kleiner Super-Cut, der sich nur mit den Toden der letzten paar Jahre beschäftigt:

Die Todesursachen sind übrigens auch sehr vielsagend. Überdurchschnittlich viele Lesben werden ermordet. Gern auf sehr brutale Art und Weise. Dabei geschehen ihre Morde wiederum öfter auch in einer Art Märtyrer-Haltung. Das heißt, die queere Figur stirbt, um eine andere, heterosexuelle Figur zu retten bzw. für sie zum Katalysator einer massiven Charakterentwicklung zu werden. So wie Marissa (Mischa Barton) in O.C., California bei einem Autounfall nur ein paar Stunden nach ihrer Schulabschlussfeier im Staffelfinale der 3. Staffel sterben muss, um Ryans (Benjamin McKenzie) gesamte weitere Entwicklung für die 4. Staffel anzukurbeln. Oder der Tod von Dr. Denise in The Walking Dead:

Auf den Folgeplätzen der beliebtesten Todesarten finden sich dann Suizide und tödliche Krankheiten wieder. Hier entweder welche, die plötzlich und radikal zum Tod führen oder welche, an denen die Figuren qualvoll eingehen. Gern gesehen ist hier Krebs.

Aber warum ist es eigentlich so speziell, wenn queere Figuren im Film/TV sterben? Ist nicht jede Figur inzwischen potentiell auf der Abschussliste ?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News