Man sieht sie zuweilen immer noch, aber inzwischen seltener: die Aufkleber auf den Rucksäcken düster gestylter Heranwachsender, in rot, weiß und schwarz gehalten, den Farben der Antifaschistischen Aktion, die gleichzeitig die Farben des Dritten Reiches waren. FCK NZS steht da drauf oder GEGEN NAZIS oder einfach ein durchgestrichenes Hakenkreuz. Die Mini-Serie Familie Braun, die das ZDF letzte Woche in sein Hauptprogramm aufnahm, weist in etwa den politisch-satirischen Gehalt dieser Sticker auf, die nie wirklich subversiv waren.

Georg Seeßlens Essay Und jetzt bitte lachen! behandelte vor ein paar Jahren ein Kino-Phänomen, das Seeßlen die „Multikulti-Hochzeitskomödie“ nannte. Monsieur Claude und seine Töchter gehört dazu, im Grunde aber auch Ziemlich beste Freunde. „Filme dieses Genres“, schrieb er „verhandeln kulturelle Unterschiede, indem sie bei familiären Vorbereitungen einer großen Hochzeit ein paar rassistische, religiöse und politische Vorurteile aufeinanderprallen lassen, die dann in wahrhaften Traumfeiern aufgelöst werden. Man kann ein bisschen lachen, man ist ein bisschen gerührt, und dann fühlt man sich eben besser.“

Ihr seid Nazis, ne?

Familie Braun funktioniert nach demselben Mechanismus. Zwei junge Nazis, Thomas und Kai, nehmen ein kleines Mädchen in ihre WG auf. Das Mädchen, sechs Jahre alt, dunkelhäutig, niedlich, ist die Tochter von Thomas (Edin Hasanovic). Wie konnte das denn passieren? „Alter, du hast ne Negerin geknallt?!“, fragt WG-Buddy Kai (Vincent Krüger) entsetzt. „Sie war damals heller.“, rechtfertigt sich Thomas und bald läuft die kleine Lara (Nomie Laine Tucker) durch die Wohnung im Willi wills wissen-Neugierde-Modus, zeigt auf Hakenkreuz-Flaggen und fragt, warum der Mann mit der pechschwarzen Mini-Rotzbremse auf dem überlebensgroßen Porträt denn so traurig guckt. „Der hat eben viel nachgedacht, über Deutschland.“

Gerade jetzt in der Flüchtlingskrise, die in diesen Tagen eher zur Europakrise auswuchert, und die in Deutschland schlafende Ressentiments wiedererweckt, musste etwas her, worüber man lachen kann, wo die Fronten noch klar sind, wo die Nazis noch Nazis sind und keine „besorgten Bürger“ oder Pegisten. Wo die auf ihre Kosten kommen, die ja eigentlich keine Rassisten sind oder die, die einfach nicht wissen wohin mit ihren schizoiden Teilmeinungen. Die Gesinnungsunschärfen, die Unentschlossenheit, das Für und Wieder, die Gewissensbisse, die kann man alle beim Schauen von Familie Braun vergessen. Familie Braun schafft Entlastung. Genau dafür ist Humor ja da.

Familie Braun rennt offene Türen ein

Hier kann der erbschuldgeplagte Deutsche wieder auf jemanden zeigen, anstatt die Flexibilität seiner eigenen Toleranzgrenzen zu hinterfragen, wenn schon wieder ein Flüchtlingstross die örtliche Sporthalle bezieht. In Familie Braun stehen Kai und Thomas noch hitlergrüßend im Bus, haben Hakenkreuze an der Wand hängen und verehren Adolf Hitler wie einen Popstar. Provokant ist das nicht, nicht subversiv und auch nicht gefährlich, wie diese Autorin schreibt.

Jeder weiß inzwischen, dass Nazis scheiße sind bzw. waren. Gegen Nazis zu sein ist kein politisches Statement mehr, es ist eine historische Tatsache. Nazis blöd zu finden, ist wie die Enthauptung von Katzenbabys vor laufenden Kameras blöd zu finden. Familie Braun rennt deshalb offene Türen ein, rennt über eine weite grüne Wiese applaudierender Zustimmung. Selbst Björn Höcke sitzt bei Familie Braun wahrscheinlich vor seinem Miele-Computer und denkt: Wow, sind die dumm, diese Nazis. Niemand mag mehr Nazis und niemand mag mehr Nazi sein.

Familie Braun – Der Pegist lacht woanders

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