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Eine rettende Konferenz

01.07.2015 - 13:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Wachsamer Blick und voller Ideen
Sophia Rosenberger
Wachsamer Blick und voller Ideen
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„Ooooh, wenn ich nicht so blond wäre, könnte ich mich schwarz ärgern!“ Na? Wer von euch kennt diesen Spruch noch? Ich fürchte ja, gerade unter den Leuten in meinem Alter dürften sich nicht mehr so viele Leute finden, die das tun. Wen verbindet ihr damit? Richtig. Keinen Menschen. Einen LÖWEN. Und einen Namen: Erich Kästner.

Dieser geniale Mann hatte die Gabe, die realsten Probleme und Gefühle so zu beschreiben und anzupacken, dass er sie allen nahebringen konnte, besonders den wichtigsten Menschen, die man sich so vorstellen kann – den Kindern. Denn Kinder begreifen viel direkter, viel ehrlicher und subtiler. Während Erwachsene sich oft selbst durch die krassesten Bilder nicht angesprochen fühlen, verstehen Kinder schon geringe Vorstufen. Ihnen fehlt die sachliche Distanz.

Ich möchte euch heute ein kleines filmisches Meiserwerk vorstellen, das genau mit dieser Einfachheit und Liebenswürdigkeit problematisiert, woran es in unserer Welt krankt. „Naturgewalt“. Was könnte mehr natürliche Gewalt sein, als eine Vereinigung aller Tiere der Welt gegen die Menschen?
Der Film, den ich euch zeigen möchte, ist „Die Konferenz der Tiere“ von Curt Linda aus dem Jahre 1969. Es ist eine der wohl schönsten und besten Buchverfilmungen, die ich kenne. Und sie unterscheidet sich grundsätzlich von gewöhnlichen Problemfilmen, obwohl sie definitiv eine ist, denn das Thema ist geringeres als die Frage, wie man endlich die Kriege auf der Welt beenden kann.
Sämtliche Tiere beraten sich darüber, wie man die sinnlosen Kämpfe beenden kann, und das auf ihrer eigenen Konferenz, während parallel in der Menschenwelt die soundsovielhundertste erfolglose Friedenskonferenz abgehalten wird. Und letztendlich wird mittels sanftem Zwang seitens der Tiere auch endlich in endgültiger Frieden ausgehandelt.

Inititator der Konferenz und Schirmherr des Ganzen: Der Löwe

Was macht „Die Konferenz der Tiere“ nun aber so besonders? Zu allererst ist es ein ‚Kinderfilm‘. Allerdings bei Weitem nicht nur. Schließlich sollten sich gefälligst auch und besonders Erwachsene mit dem Thema befassen, das hatte Kästner schon so konzipiert.
Die Handlung des Films ist nämlich nicht einfach nur eine nette fabelhafte Darstellung für Kinder, in dem Tiere zu Protagonisten gemacht werden und die Maßnahmen zum Kriegsstopp diskutieren.
Sie ist vielmehr das Gegenteil einer Vereinfachung. Sie ist ein Perspektivwechseln, der dazu animiert, einmal von außen über die Menschheit zu reflektieren und im Endeffekt eine moderne Form einer Fabel. Und Fabeln dienten schon immer zur Aufklärung, und zwar in erster Linie nicht für Kinder!

Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass viele Darstellungen kindlicher und phantasievoller gemacht werden, denn Kästner hatte nicht die Absicht, gewaltsam aufzurütteln, sondern simpel, einfach und spielerisch zu erklären. Wer ihn kennt, weiß, dass er das in erster Linie für die viel zu verkopften Erwachsenen tat.
Dementsprechend wirft dieser Film nicht mit harten Fakten und direkten Bildern um sich, sondern erzählt wie der Schriftsteller selbst alles mit einem Augenzwinkern und in liebevoll detailverliebtem Zeichentrick.
Diese Liebe, die in dem Film steckt, ist in jedem Bild, jedem kleinen Scherz (denn der Film ist immer wieder mehr als nur ein Schmunzeln wert) und jedem Musikthema zu spüren. Er sprüht Funken wie ein Feuerwerk.

Auch geht der Film Probleme aus ganz anderem Blickwinkel und unkonventionell an. Er steckt voll Satire und Sarkasmus und geizt nicht an Symbolen, die liebevoll ins Lächerliche gezogen werden.
Der oberste General auf der Friedenskonferenz (General Zornmüller) wird morgens von einer Taube mit Ölzweig geweckt, mit einem leiernden „Friede! Friede! Friede!“. Die ‚Friedenskonferenzen‘ der Menschen bestehen zum überwiegenden Teil aus stundenlangem Händeschütteln, Diskussionen über die Sitzordnung, Papierkram und Aneinandervorbeigerede, das zu Zwistigkeiten führt, die wiederum mit Miniaturseeschlachten direkt auf dem Konferenztisch ausgefochten werden.
Dieses Problems nehmen sich dann die Mäuse an, die sich sämtlichen Papierkram gehörig schmecken lassen.

Starke Zähne gegen geduldiges Papier

Doch die Tiere haben noch mehr Lösungsansätze und Botschaften für uns, die so logisch und simpel und für uns sogar teilweise beschämend wahr sind, dass man immer wieder verblüfft ist. Ein paar möchte ich für euch herauspicken.
Da wäre zum ersten der Soldateneinzug für die Armee gegen die Tiere, eine kurze Szene, die aber ganz schön viel sagt.
Kaum sind die Tiere als gemeinsamer Feind erkannt, sind sich alle einig, dass man sich nicht zur Einigkeit zwingen lässt. Es ist plötzlich egal, aus welchem Land man kommt.
In diesem Film metaphorisch durch eine bizarre Maschine und Fabrik dargestellt wird gezeigt, wie den aus aller Welt eingezogenen Menschen jegliche Identität geraubt wird (z.B. werden Inuitpfeife und Trompete des Afroamerikaners zu Kriegsgerät verhackstückt), ehe sie alle in dieselbe Uniform gezwängt und gehirngewaschen werden. Ein grotesker Widerspruch zum Krieg der Menschen gegeneinander, und ein Zeichen dafür, dass der Krieg letztendlich zur Geldmaschinerie und zum Selbstzweck geworden ist. Die ursprünglichen Vorwände der Länderverteidigung und Ähnliches werden ziemlich schnell diffus.

Soldaten von der Stange

Dann wäre da der zweite Übergriff der Tiere – diesmal auf die Uniformen. Die Idee ist so simpel wie genial: Wenn die Soldaten keine Uniformen mehr haben, wer soll dann gegen wen kämpfen? Wer begreift denn noch wirklich den Sinn hinter seinem Kampf? „Für König und Vaterland“ funktioniert nur, solange man das Emblem ebendieses Königs auf der Brust trägt. Und Feindbilder gehen auch nur gut, wenn sie eine klare Form oder Farbe haben. Wenn einem plötzlich die Uniform genommen wird, stehen alle gleich nackt und verwundbar da.
Also leisten die Motten ganze Arbeit. Doch die Staatsoberhäupter bleiben stur. Dann malen wir uns die Flaggen und Orden eben auf die Haut!

Und so werden die Tiere zur letzten Maßnahme getrieben, denn die grundlegendste Wahrheit ist doch, dass es genau eine Partei gibt, für die man die Kriege beenden MUSS. Die Kinder. Sie sind der Grund, warum die Tiere eingreifen, statt sich die Erwachsenen gegenseitig niedermetzeln zu lassen.
Wir könnten uns jederzeit gegenseitig auslöschen und wahrscheinlich ginge es dem Planeten dann besser. Doch das darf nicht passieren, denn in jedem einzelnen Kind existiert eine unschuldige Seele, die nicht die Fehler der Erwachsenen ausbaden und schultern müssen darf. Die Kinder haben die Chance, neu anzufangen und die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.

Sich einig und unsere Zukunft

Und genau darum schrieb Erich Kästner „Die Konferenz der Tiere“.
Genau darum wurde sie verfilmt (vor einigen Jahren sogar noch einmal neu, animiert).
Genau darum wurde in diesen Film so viel Liebe und Arbeit gesteckt.
Und genau darum hoffe ich, dass ihr ihn euch bei Gelegenheit einmal ansehen könnt. E
r lohnt sich. Und selbst gestresste Erwachsene können sicher die knapp 90 Minuten für ein wenig Freude und „Seele baumeln lassen“ erübrigen.

Für alle, die noch mehr Lust auf die große Community-Blogaktion haben, folgt hier die Liste mit allen anderen teilnehmenden Texten. Wer mitmachen will: Das Thema für den 1. August lautet: "Watching you" ;)

chita91: https://www.moviepilot.de/news/der-mensch-und-die-natur-in-prinzessin-mononoke-152656

Grimalkin: https://www.moviepilot.de/news/die-macht-der-elemente-und-ein-brief-der-nie-ankam-152655

StrykeOut: https://www.moviepilot.de/news/klauen-zahne-und-flossen-eine-reise-durch-den-tierhorror-152470

Mr.English: https://www.moviepilot.de/news/die-geschichte-der-erschwerten-themenfindung-durch-die-nicht-vorhandene-kugelsicherheit-152577

Martin Canine: https://www.moviepilot.de/news/i-am-me-deal-with-it-152659

Friedsas: https://www.moviepilot.de/news/der-plan-zum-uberleben-der-zombieapokalypse-152662


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