Eine Liebeserklärung an einen der schönsten Filme

06.12.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
"All right, close your eyes. What do you see?"moviepilot/Capelight
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Tarsem Singhs The Fall ist nicht nur einer der schönsten Filme, die je erschaffen wurden, sondern auch eine Liebesklärung ans Kino selbst, die laut unseres Kommentar der Woche Seelen retten kann.

Im Kommentar der Woche feiern wir jede Woche einen eurer zahlreichen wundervollen Kommentare. Sei es zu einer fantasievollen Serie, bei der ihr nicht wegsehen könnt, zu einem berührenden Film, der versucht, eure Seele zu retten, zu einer Person, die sich einen Schmetterling auf den Bauch malt, oder zu einem Game, wie beispielsweise Orangen auf Priester werfen - ihr könnt jedem Kommentar, selbst an den unerwartetsten Orten auf moviepilot und gamespilot, euer Herz schenken. Hauptsache ist, ihr sagt uns Bescheid und beweist eure Liebe, in dem ihr ihn uns als Kommentar der Woche vorschlagt. Da ich ab jetzt nicht mehr eure Community-Ansprechpartnerin bin, sendet eure Vorschläge bitte ab sofort an den lieben Kängufant (community@moviepilot.de) oder die sonnige sciencefiction (blogs@moviepilot.de).

Kommentar der Woche

Diesmal haben wir tief auf moviepilot gegraben, um ausnahmsweise einen persönlichen Liebling auszuwählen: Der Kommentar von phoenix409 zu The Fall ist so wundervoll wie dieser einmalige Film, den er als cineastische Wunderkiste voll und ganz in sich aufsaugt, und dessen Ende nicht nur ihn immer wieder mit einem Lächeln und dem Wissen zurücklässt, warum er sich überhaupt einmal ins "Kino" verliebt hat:

"All right, close your eyes. What do you see?"
"Nothing."
"Rub them... Can you see the stars?"
"Yes."

"The Fall" ist kein Film im herkömmlichen Sinne, weil er das tut, was Filme eigentlich viel zu selten tun: Er multipliziert sich mit sich selbst und erschafft sich dadurch völlig neu. Er verwandelt den Film an sich, erhebt das Medium zum Individuum und erweckt es zum Leben. "The Fall" ist eine cineastische Wunderkiste, der sein eigenes Medium feiert, indem er die Essenz dessen, was an Filmen von jeher einzigartig war, beim Schopfe packt: Das Erzählen einer Geschichte in bewegten Bildern. Es ist nichts weiter als das, eine einfache Liebeserklärung an die populärste Unterhaltungsform, die wir heute kennen. Und in genau der Zeit, der Ära der Stummfilme, als alles angefangen hat, spielt auch "The Fall".

"You should ask someone else. There's no happy ending with me."
"I still want to hear it."

Die Filme damals waren schwarzweiß, erfüllt von meist humorvoller Hektik und besetzt mit prägenden Stars. "The Fall" hingegen ist in gewaltigen Farben getränkt, emotional und doch gelassen erzählt und völlig frei von bekannten Stars. Ein formales Kontrastprogramm, könnte man jetzt denken, als Film wohl nicht viel mehr als ein Augenverwöhner ohne jeglichen Hintersinn. Aber genau in diesen Gedanken läge der fatalste Fehler, den man im Zusammenhang mit "The Fall" überhaupt nur machen kann. Die Bilder, so unfassbar wuchtige, perfekt durchkomponierte Gemälde sie auch alle sind, sind doch nur der Geschichte untergeordnet. Sie dienen ihr als Werkzeug, als Wegbereiter, in dem sie nicht nur zeigen, sondern sprechen. Die Geschichte atmet durch sie hindurch. Und die Geschichte selbst? Die erzählt nicht einfach nur eine Geschichte, sie verarbeitet das Geschichtenerzählen an sich.

"I don't like this story!"

Manche Leute sagen: Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst. "The Fall" sagt: Geschichten werden am besten so erzählt, wie die Menschen sie hören wollen, denn die beste Geschichte ist die, die die eigene Fantasie voll und ganz ausfüllen kann. Was letztendlich erzählt wird, ist beides auf einmal: Die Fantasie als Spiegel zur Realität und umgekehrt. Die unausweichliche Realität ist das, womit wir uns abfinden müssen, aber nie wollen. Das Leben ist hart, und manchmal entsteht das Gefühl, es sei nicht mehr lebenswert. Die Fantasie verneint die Realität und begrüßt das Leben in naiver Liebe mit all seiner Kraft, auch wenn das Unausweichliche unausweichlich bleibt. Es ist die Gegenüberstellung von einem gescheiterten Erwachsenen und einem kleinen Mädchen, die sich Regisseur Tarsem Singh hierfür ausgesucht hat. So wie Stuntman Roy der kleinen Alexandria die Realität durch grenzenlose Fantasie zu erklären versucht, so macht das "The Fall" auch mit uns.

"We're a strange pair, aren't we?"

"The Fall" ist magisch, weil er einen mit mächtigem Bild und Ton verwöhnt und doch hauptsächlich wegen seiner besonderen Erzählweise wirklich mitreißend und rührend ist. Und das funktioniert gerade deswegen so gut, weil Tarsem Singh richtig Glück bei seiner Besetzung hatte. Der relativ unbekannte Lee Pace (Roy) spielt super und die kleine Catinca Untaru, die Alexandria mimt, legt eine der unglaublichsten Leistungen hin, die ich von einem Kind im Film je gesehen habe. Nicht weil sie perfekt schauspielert, sondern weil sie einfach authentisch ist. Ihre Aussprache ist schlecht, sie ist unbeholfen, leichtsinnig und doch unheimlich warmherzig. Ganz anders als die makellosen, frühreifen Wunschkinder, die man sonst so gezeigt bekommt, wirkt sie einfach echt. Die Freundschaft zwischen den beiden ist wundervoll emotional, gleichermaßen humorvoll wie auch traurig und damit sehr gut mit "Cinema Paradiso" zu vergleichen. Während den Drehtagen mit Catinca Untaru hat sich Tarsem Singh die Improvisation zur Aufgabe gemacht und einige Storyelemente an ihr Verhalten angepasst, damit der Film funktioniert. Diesen Umständen ist es zu verdanken, dass nicht nur der Figur Alexandria eine Geschichte so erzählt wird, wie sie es hören will, sondern auch der tatsächliche Film an sie angepasst wurde.

"Why are you making everyone die?"
"Because... everything dies."

Singh ist wirklich ein meisterhafter Film gelungen, ein ästhetisch formvollendetes Märchen einerseits und eine warmherzige Parabel über Freundschaft, Liebe und Fantasie. Der Film steckt voller Details, vereint unzählige Stilrichtungen und unterhält so wunderbar, dass es eine Freude ist. Auf keinen Fall also ein Film für zwischendurch, man muss ihn voll und ganz in sich aufsaugen. Das Ende lässt mich immer wieder mit einem Lächeln und dem Wissen zurück, warum ich mich eigentlich in Filme verliebt habe. Es ist nichts weiter als das, eine einfache Liebeserklärung an einen der schönsten Filme, die ich bis heute kenne. Wenn ich daran denke, wie Alexandria Roy eine Oblate reicht und er sie daraufhin fragt, ob sie damit seine Seele retten will, dann verlasse ich mich darauf dass "The Fall" beim nächsten Angucken meine Seele retten wird, wenn es mal wieder nötig ist.

Den Original-Kommentar findet ihr übrigens hier.

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