Im Interview spricht Regisseur Ole Bornedal über seinen Film
Bedingungslos.
Die Idee zu diesem Film kam mir auf einer Bergstraße im Norden Norwegens. Hinter mir – an einem weit entfernten Ort im Süden Dänemarks – war meine Familie. An einem ganz anderen Ort, meine Frau und meine drei wunderbaren Kinder. Ich war beschämt darüber, dass ich hier im Auto sitzen konnte und mich ganz ohne sie so glücklich fühlte. Denn sie sollten natürlich immer dabei sein, hier an meiner Seite, immer…
Zudem war ich unterwegs, um eine Frau zu treffen, in die ich mich verliebt hatte. Sie würde da sein und auf mich warten, wenn wir das Schiff erreichten. Und später in der Nacht würden wir zusammen aus dem Kabinenfenster schauen und sehen, wie sich das Nordlicht in unseren Gesichtern spiegelte. Ich verließ meine Familie – aber nicht meine Kinder. Heute leben wir getrennte Existenzen wie so viele schiffbrüchige Paare – das ist keine ideale Situation, aber besser als eine Ehe ohne Liebe.
Bedingungslos entstand aus dieser Erfahrung heraus. Das Leben steckt voller Enttäuschungen, Schmerzen, gemeiner Niederlagen, tapferer Hoffnungen und verzweifelter Lügen. Um diese Dinge kommt man nicht herum. Und da ist Jonas, der Familienvater, der all die guten Sachen in seinem Leben hinter sich lässt, um etwas Besseres zu finden. Der Träumer – immer verbirgt er sich irgendwo in deiner Seele und bringt dich flüsternd in Versuchung, neue Landschaften, andere Männer und Frauen und erfrischend unterschiedliche Identitäten zu erkunden.
Wir haben doch alle einmal gedacht: Wie wäre es, wenn ich jemand anderer wäre? Wenn ich all meine alten Bindungen hinter mir lassen und ganz neu anfangen könnte? Auf der Autobahn einfach weiter nach Süden fahren statt die übliche Ausfahrt zu nehmen und zur Arbeit zu gehen. Einfach von allem wegrennen und das Risiko in Kauf nehmen, 20 Jahre später in einer Fernsehsendung aufzutauchen, die nach spurlos verschwunden Personen sucht. Mein Jonas in Bedingungslos ist der Träumer in uns allen. …
Doch Jonas geht zu weit: Er lässt nicht nur das Leben hinter sich, das er kennt, er lügt sich in das Leben eines anderen hinein, er stiehlt die Identität eines anderen Mannes – und dessen Frau. Das ist eine Ungeheuerlichkeit, die von einem leidenschaftlichen und unerfüllbaren Traum genährt wird, der Konsequenzen hat – blutige, gnadenlose Konsequenzen, denn der Mann, dessen Name er stiehlt, erweist sich als liebeskrankes Monster, als ein verliebter Freak, ein sensibler Psychopath.
Ich habe versucht, ein freizügiges modernes Drama zu schaffen, das – ja – aus dem Ruder läuft, doch das wir alle tief in unserer Seele kennen. Es ist eine gruselige Liebesgeschichte, ja genau das ist es: eine gruselige Liebesgeschichte.
Quelle: Interview mit Ole Bornedal, Material von MFA+