Ein Fan-Brief an Steven Spielberg

22.02.2012 - 09:46 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Steven Spielberg am Set von E.T. - Der Außerirdische
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Steven Spielberg am Set von E.T. - Der Außerirdische
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Seine Filme begleiten mich seit Jahren und haben mir die Liebe zum Kino injiziert. Es wird Zeit für einen kleinen Brief an einen großen Filmemacher.

Lieber Steven Spielberg,

in den letzten Jahren musstest du sicher viel Kritik einstecken und zu einem gewissen Anteil hast du sie verdient. Die grausigen Bilder des Films, dessen Name nicht genannt werden darf, brennen mir immer noch schmerzhaft unter den Lidern. Dem reflexartigen Spielberg-Bashing, das mittlerweile en vogue geworden zu sein scheint, möchte ich mich nicht anschließen. Selbst wenn manche deiner Filme mich ratlos zurücklassen, können sie die Bedeutung nicht trüben, die dein Werk in meinem Leben als Filmfan einnimmt. Ohne dich wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Die Nostalgie allein treibt mich jedoch nicht dazu, diesen Brief hier zu verfassen.

Seit nach der Wende ein VHS-Player unser Familienleben bereicherte, sind deine Filme gewissermaßen Teil meiner Sozialisation. Keine Ahnung, ob E.T. – Der Außerirdische der erste war oder Hook. Im Rückblick verschwimmen die Erinnerungen sowieso zu einer angenehm warmen Spielberg-Suppe, welche die Samstage und Sonntage meiner Kindheit sanft umschwappt und in die ich bei erneuten Sichtungen immer wieder gern eintauche. Deine Filme haben mich staunen, weinen und lachen lassen. Unvergessen bleibt
Jäger des verlorenen Schatzes, den ich irgendwann mal allein daheim mit meinem Bruder gesehen habe. Anschließend wurde ich tagelang von den Bildern zerfließender Köpfe und dem schleichenden Grauen in der Musik des John Williams verfolgt. Einen solchen Eindruck haben deine Filme gemacht, dass du wohl der erste warst, den ich überhaupt als Regisseur, als Schöpfer von Filmen, Welten, Emotionen wahrgenommen habe.

Soweit, so nostalgisch. Viel prägender war allerdings die wiederholte Sichtung eines kleinen Films, den du 1993 in die Kinos gebracht hast. Jurassic Park lautete dessen Titel und 1997 habe ich ihn im Fernsehen nochmal unter die Augen bekommen. Damals kam die Flucht in eine Welt wiederauferstandener Dinosaurier gerade recht und so gab ich mich dem Eskapismus mit voller Inbrunst hin. Jurassic Park war wohl der erste Film, den ich aus tiefstem Herzen geliebt habe. Immer und immer wieder flimmerte er damals über unseren Bildschirm, immer und immer wieder durchfuhr mich das Staunen, als Alan Grant, Ellie Sattler und Ian Malcolm zum ersten Mal die beiden Brachiosauren beim Mittagsmahl beobachten. Wäre ich nicht mit einer vollkommenen Abwesenheit naturwissenschaftlichen Talents geschlagen, hätte ich sogar Paläontologie studiert. Denn Jurassic Park ist ein perfektes Beispiel für dein Vermögen, eine Welt zu erschaffen, die unserer bis ins kleinste Detail ähnelt, also bis hin zu den Scheidungskindern, den zerrütteten Familien, die andere Blockbuster-Regisseure aussparen, um uns nicht zu beunruhigen. Doch eben diese Filmwelt, die so alltäglich, so gewöhnlich wirkt, wird durch fantastische, manchmal mythische Elemente ein kleines Stückchen ver-rückt; durch einen an Moby Dick gemahnenden Weißen Hai, durch ein faltiges, kleines Alien, durch die unheimliche Begegnung der dritten Art. Aus dem Alltäglichen kann dann der sense of wonder entstehen, etwa wenn E.T. erstmals auf die Lichter einer Kleinstadt hinabblickt und wir sie mit seinen fremden Augen sehen.

Was mich in den Jahren nach der (Wieder-)Entdeckung immer mehr an deinen Filmen fasziniert, ist jedoch das Abgründige, das du manches Mal in den scheinbar versöhnlichen, ja kitschigen Minuten deiner Filme unterbringst. Dein fantastischer 9/11-Doppelschlag Krieg der Welten und München stellt seine beiden Enden in eine geradezu ernüchternde Beziehung, kapituliert der eine doch vor der unaufhaltsamen Zerstörungskraft der Rache, während der andere sich in ein Traum-haft versöhnliches Happy End flüchtet, das in seiner völlig willkürlich gesetzten Hoffnung Bände spricht über die (amerikanische) Welt nach dem 11. September.

Viele deiner Fans scheinen in den letzten Jahren enttäuscht zu sein, dass du nicht mehr der Filmemacher aus den 70ern und 80ern bist, das du nicht weiter am Fließband ihre Kindheitsträume reproduzierst. Ich bin froh darüber. Im neuen Jahrtausend zeigst du dich so kreativ und streitbar wie eh und je, arbeitest dich mit neuen und alten Mitteln an deinen favorisierten Themen ab, ohne auf der Stelle zu treten. Manchmal geht das in die Hose, manchmal nicht. Gerade die allgemeine Aufregung, wenn du scheiterst, ist ein Zeichen dafür, wie sehr du nicht nur mir noch am Herzen liegst. Deswegen werde ich mir auch deine John Ford -Hommage Gefährten im Kino ansehen, mich aufregen oder einmal mehr verlieben. Darauf ist Verlass und wenn ersteres der Fall ist, bleiben ja immer noch die vielen nicht so ganz alltäglichen Welten, welche du in den vergangenen dreißig Jahren auf die Leinwand gebannt hast. Für die werde ich dir immer dankbar sein.

Ein Fan.

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