Jeden Samstag stellen wir euch an dieser Stelle einen ganz besonderen Kommentar vor. Was ihn so besonders macht? Das kann alles mögliche sein: Ein Satz, der euch zum Ohrwurm geworden ist; eine Liebeserklärung, die wie eine Symphonie klingt; eine gnadenlose Kritik, die in einem Crescendo gipfelt. Wann auch immer ein Kommentar da draußen, ganz gleich von wann und wo, eure Saiten zum Klingen bringt, sagt uns Bescheid!
Der Kommentar der Woche
An Hans Zimmer scheiden sich die Geister - aber ist das nicht bei allen Großen da draußen so? Ob ihr ihn für einen der größten Filmkomponisten aller Zeit haltet oder nicht - nach dem Kommentar von carpenoctem410 werdet ihr ein ganz klein wenig neidisch sein, nicht dabei gewesen zu sein...
Lieber Hans,
bei deinem großartigen Konzert am Dienstag hast du deine Tochter auf die Bühne geholt. Sie ist nur wenige Jahre älter als ich, und du nahmst sie in den Arm und sagtest deinem Publikum, dass du die Musik zu Der König der Löwen damals für sie geschrieben hast. Ich weiß, du bist noch nie getourt, daher hoffe ich, du hast es auf dieser Bühne nicht nur gespürt, sondern so intensiv erlebt wie nie - dass wir alle in diesem Moment deine Tochter waren. Wir, die Mädchen und Jungs von damals, die Mütter und Väter, die Filmliebhaber, die Musikfetischisten. In diesem Moment hast du Der König der Löwen nur für uns geschrieben. Als Lebo M. auf die Bühne kam und die wohl berühmtesten afrikanischen Worte der Welt in das Mikro schmetterte - ich hoffe, du hast gesehen, gespürt, genossen, wie wir geweint haben als wäre es wieder 1994, und wie unsere Glückshormone explodiert sind, als wollten sie als Feuerwerk die Musik begleiten.
Du weißt es natürlich nicht, aber meine erste CD (auf der nicht Rolf Zuckowski davon gesungen hat, wie man richtig über eine Straße geht) war
der Soundtrack zu Der König der Löwen. Mit meinen Freundinnen bin ich
im Kinderzimmer zur Musik als Löwe und Hyäne über den Teppich getollt,
und auch die Hausaufgaben in der Grundschule gingen mit dieser CD
leichter von der Hand. Ein paar Jahre später - Fluch der Karibik. Ich
war gerade zwölf und damit alt genug, um diesen Film zu sehen, und
vielleicht war das mein erstes prägendes Kino-Erlebnis für meine spätere
berufliche Laufbahn. Keine Frage, jede Nacht lief heimlich unter der
Bettdecke der Discman und beflügelte meine Fantasie mit den berühmten
Piraten-Melodien. Als die Premiere von Fluch der Karibik 2 auf eine
Orchesterreise in die USA fiel, bin ich mit meinen Orchester-Freunden
eben dort sofort in das nächste Einkaufszentrum gerannt, um mir den
Soundtrack zu kaufen. Nach Illuminati mussten meine Eltern auch nachts
in dröhnender Lautstärke deinen Chor und die Bässe ertragen, und nach Inception waren es die Nachbarn meiner ersten WG, die von unten mit
dem Besen an ihre Zimmerdecke klopften.
Du merkst, deine Musik hat mich begleitet. Vom kleinen, fünfjährigen
Stöpsel, bis zu diesem Dienstag, 20 Jahre später, an dem du mir einen
Traum erfüllt hast.
Dieses Konzert, und ich sage das mit der Erfahrung einer
Medienbegeisterten, die auf knapp 30 Konzerte im Jahr spaziert, war
eines der intensivsten, bedeutsamsten, und schlichtweg besten Konzerte
meines Lebens - die nächsten 65 Lebensjahre gleich mal mit inbegriffen.
Hätte der liebe Gott gesagt: “Lasst uns der Christina zur Freude ein für
sie perfektes Konzert erschaffen” - das wäre es gewesen. Diese Musik,
die mir so viel bedeutet, und die in dieser Form einzigartig ist, einmal
live auf diese Weise präsentiert zu bekommen … davon werde ich noch
lange zehren. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Du standest da,
innerlich wohl selber noch ein bisschen begeistertes Kind, und konntest
diese außergewöhnlichen Musiker und Sänger um dich herum deine Freunde
nennen. Zusammen mit wohl dem besten Soundtechniker der Welt (darf ich
ihm Blumen schicken?) habt ihr einen Sound in die Olympiahalle
gezaubert, den ich so noch nie erlebt habe und der mir wohl die
nachfolgenden Konzerte der nächsten Jahre alle versauen wird. Knapp
hundert Musiker auf der Bühne, und jedes Instrument war zu hören, jeder
Solist perfekt abgemischt, jeder Ton ultimativ endgültig beeindruckend.
Der Bass wummerte durch meinen Körper wie ein wildes Tier, die Streicher
flirrten über die Haut wie Libellenflügel, und ich konnte an nichts
anderes denken als daran, dass es keinen anderen, echteren Weg gibt,
diese Musik zu erleben. Als bei The Dark Knight die Klänge wie
Surround-Sound von links nach rechts kreisförmig durch die Halle
geschickt wurden, war man nicht nur Zuhörer, sondern man war Batman.
Heilige Scheiße. Ich war Batman!
Dann diese Setlist. Dieser Aufbau. Wirklich, du hättest mich nicht
glücklicher machen können. Nichts, was du gespielt hast, war
überflüssig, nichts war gedoppelt, und verdammt nochmal, alles wurde mit
so einer Leidenschaft vorgetragen, dass du auch “Fuchs du hast die Gans
gestohlen” hättest spielen können, und die Leute hätten geweint. Alles
war dabei was ich mir gewünscht habe, Pirates, Madagascar, Illuminati, Interstellar, Gladiator, und sogar den Electro aus The Amazing Spider-Man 2 hast du gespielt, mit dem ich nie gerechnet hätte. Und vieles war dabei, was ich zwar kannte, aber noch nie so ins Herz
geschlossen habe wie an diesem Abend. Vom Anfangsmedley bis hin zum
intensiven Erlebnis bei Interstellar und Inception war dieses
Konzert hervorragend konzipiert. Und du selbst so glücklich, trotz
deines Lampenfiebers, und ich war so glücklich, und 8000 Menschen waren
es ebenso. Das waren nicht nur drei Stunden lang Auszüge aus deinem
Lebenswerk, sondern drei Stunden Einblick in dein Genie und in das, was
möglich ist, wenn man neue Wege beschreitet. Haters gonna hate - wer DAS
als bisheriges Lebenswerk vorweisen kann, braucht sich keine Kritik
anzuhören über Eintönigkeit und Einfallslosigkeit. Diese Musik, die
spricht absolut für sich. Ich bin mehr als froh, dass du und dein Team
auf visuell-geistige Ablenkungen, wie zum Beispiel eingeblendete
Filmszenen, so gut wie vollständig verzichtet habt. Die fulminante
Lichtshow, die psychedelischen Formen auf der Leinwand, oder auch die
schlichte schwarze Wand und gleichmäßige Ausleuchtung, alles hat die
Musik ins rechte Licht gerückt und geholfen, sie noch intensiver zu
erleben. Ein Rausch für die Sinne, der mir auch jetzt beim Schreiben
noch eine Gänsehaut über den Körper jagt. Und ein Grinsen ins Gesicht
meißelt, das da die nächsten Wochen nicht wegzuschmirgeln sein wird.
Hans, ich weiß, ich kann gar nicht mehr aufhören zu schwärmen. Eigentlich wollte ich nur Danke sagen. Du bist ein Rockstar, ein Musik-Prophet, und diese Tour ist nicht nur für dich etwas ganz Besonderes. Lass dir sagen, zwischendurch, kurz vor der Pause, hatte ich eine kurze Panik-Attacke. Was, wenn das das Beste ist, das ich jemals in dieser Form sehen werde, und danach ist es vorbei und ich erlebe es nie wieder? Bitte bitte, sage mir … sage mir, dass du wiederkommst. Zurück in deine Heimat, mit deinen Freunden und Kollegen, und mir dieses Erlebnis irgendwann noch einmal schenkst? Ich will also Danke sagen … und dich gleichzeitig bitten, einfach niemals aufzuhören. Komponiere, schreibe, komm auf die Bühne, kreiere diese Kino- und Konzertabende, die man einfach nie mehr vergisst. Ich hab auch einen neuen Punkt auf der To-Do-Liste: An einer Filmszene arbeiten, über die dann ein Hans-Zimmer-Score gelegt wird. Braucht doch jeder Ziele, oder?
DANKE.