Diskriminierung - Hollywoods alte Rollenmuster

24.08.2011 - 08:50 Uhr
Noah Ringer als Aang
Paramount Pictures
Noah Ringer als Aang
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Hollywoods Methoden der Rollenvergabe bieten nicht selten Anlass zu Diskussionen über Diskriminierung. Noch setzen die Studios bei diesem Thema auf Ignoranz. Aber ob das noch lange gut gehen wird?

Kann sich irgendjemand von euch Morgan Freeman in der Rolle von Bill Clinton vorstellen? Irgendjemand? Oder Will Smith als Boris Becker? Oder Whoopi Goldberg als Angela Merkel? Eben. Durch die Öffnung neuer Absatzmärkte Hollywoods, vor allem in asiatischen Ländern wie China und Indien, zeigt sich plötzlich ein existenzielles Problem: die Besetzung der Rollen. Diese Frage dreht sich nicht einfach nur um favorisierte Haar- und Augenfarben.

Unterwegs in Sachen Anti-Rassismus
Die Aktivisten der Website racebending.com haben es sich zur Aufgabe gemacht, Diskriminierung in der Rollenvergabe durch die Studios aufzudecken. Zu bearbeitende Fälle gibt es eigentlich wie Sand am Meer, doch die gesamte Problematik ist bis dato noch nicht besonders weit in das kollektive Bewusstsein vorgedrungen.

Die Organisation formierte sich das erste Mal, als der Film Die Legende von Aang produziert wurde. Die zugrundeliegende Zeichentrickserie Avatar – Der Herr der Elemente ist an den Kulturkreis des historischen Ostasiens angelehnt und so sind natürlich auch die Charaktere eindeutig asiatisch geprägt. Aang, der Titelheld des Films wurde aber von den Machern mit dem fünfzehnjährigen Noah Ringer besetzt – eine Entscheidung, die für viel Aufsehen sorgte. Für die Rolle wurde der US-Amerikaner einfach auf asiatisch getrimmt.

Die unzeitgemäße Traumfabrik
Das Engagieren weißer Schauspieler für Rollen, deren Ursprung in anderen Ethnien liegen, ist kein neues Phänomen. Bereits 1919 besetzte D.W. Griffith die Rolle des Chinesen Cheng in seinem Stummfilmdrama Broken Blossoms Or The Yellow Man And The Girl mit dem US-Amerikaner Richard Barthelmess. Damals galt dieses Verfahren als Normalität. Die asiatisch besetzen Weißen bekamen oft mehr schlecht als recht geschminkte Schlitzaugen, das musste reichen. So schlugen sich schon in frühen Zeiten Vorurteile und Klischees im System Hollywood Bahn.

Was schon im damaligen Kontext gewöhnungsbedürftig, ja gar absurd erscheint, ist auch heute, knapp ein Jahrhundert später, noch gang und gäbe. Es ist an der Zeit für Hollywood, solche Gewohnheiten zu ändern. Durch die Entwicklungen im Zuge der Globalisierung sieht es so aus, als ob sich all der Eurozentrismus sonst schon bald rächen könnte. Momentan scheinen die Zeichen aber nicht auf Wandel zu stehen.

Ignorante Studios und egozentrische Regisseure
Im mit Spannung erwarteten ersten Teil des neuen Franchise Die Tribute von Panem – The Hunger Games spielt die blonde Jennifer Lawrence die Rolle einer eigentlich als dunkler Typ beschriebenen Romanfigur. Lionsgate hatte schon in der Rollenbeschreibung darauf hingewiesen, nur kaukasisch aussehende Schauspieler casten zu wollen, und fuhr diese Linie ungeachtet aller Proteste mit dem zynischen Verweis, Lawrence würde sich schon die Haare dunkel färben. In diesem Fall mag die ausgesprochene Ignoranz des Studios noch funktioniert haben, doch mit zunehmender Konzentration auf die Absatzmärkte jenseits des Westens, wird auch das Bedürfnis nach Identifikation des neuen Publikums mit den Figuren auf der Leinwand wachsen.

Und noch ein weiterer, sich gerade in Planung befindlicher Film gerät immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik. Argo erzählt die Story des Latinos Tony Mendez, einem CIA-Agenten, der 1979 einen wahnwitzigen Plan entwickelte, um sechs gefangene Botschafter in Iran zu retten. Unter der Regie von Ben Affleck (Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel) hätte diese Hauptrolle für einen Latino-Schauspieler eine großartige Chance für seine Karriere und die gesamte Community werden können. Stattdessen besetzte Affleck sich selbst.

Realismus unerwünscht
Der Fall Argo steht exemplarisch für das hollywoodsche Phänomen, das mehr und mehr die amerikanische Realität verschleiert. Laut einer Studie der UCLA aus dem Jahre 2006 gehen ausschließlich 1,2% aller Hauptrollen an Latinos während ganze 82% mit weißen Schauspielern besetzt werden. Von 100 Einwohnern in Los Angeles sind aber nur 29 europäischer Abstammung. Ganze 50 sind Latinos, zudem haben dort jeweils 10 Personen afrikanische, beziehungsweise asiatische Wurzeln. Genau diese Bevölkerungsgruppen sind in Hollywoodfilmen demzufolge seit Jahren drastisch unterrepräsentiert.

Ein Funken Humor
Ein Film, der die gängige Praxis der Studios gehörig aufs Korn nimmt, ist Tropic Thunder. In der Actionkomödie von Tropic Thunder spielt Robert Downey Jr. einen vom Method Acting begeisterten Schauspieler, der sich die Haut schwarz färben lässt, um einen Afroamerikaner in einem Vietnamepos darzustellen. Klingt verwirrend, ist es auch. Gleichzeitig ist es ein großer Spaß. Dennoch war allen Beteiligten die eigentliche Ernsthaftigkeit der Lage völlig klar. Regisseur Ben Stiller sagt über seinen Film: „Der Film ist eine Satire auf Schauspieler, die sich zu wichtig nehmen und Rollen spielen, die sie nicht spielen sollten. Die Gags gehen quasi auf unsere Kosten.“ Leider ist er mit dieser Einstellung in Hollywood noch immer in der Minderheit.

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