Der Schwarm ist kein aufregender Sci-Fi-Blockbuster, sondern das langweiligste Fern-Uni-Seminar aller Zeiten

12.03.2023 - 10:30 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
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Der Schwarm erzählt von einer Bedrohung für die ganze Menschheit, fühlt sich aber wie ein Fern-Uni-Seminar an. Das zeigt der traurige Umgang mit Klaas Heufer-Umlaufs Figur besonders gut.

Klaas hatte nie eine Chance. Zumindest, wenn es um den Beweis seiner schauspielerischen Fähigkeiten in Der Schwarm geht. In der aufwendigen ZDF-Serie nach dem Bestseller von Frank Schätzing gehört der Gelegenheitsschauspieler zu einem ansehnlichen internationalen Ensemble, seine Figur aber wirkt so leblos wie ein Eisberg in der fernen Arktis. Dabei steht in der Story die Zukunft der Menschheit und des blauen Planeten auf dem Spiel!

Wie kommt es also, dass eine Serie mit einer großen Gefahr, einem Budget von 40 Millionen Euro und einem brandaktuellen Thema dermaßen – wie drücke ich es am nettesten aus – komatös erzählt wird? Der Auftritt von Klaas Heufer-Umlauf bietet einen Schlüssel für das Grundproblem von Der Schwarm.

Klaas spielt den "geborenen Menschenfänger"

In Serie wie Buch wenden sich Meeresfrüchte und anderes Getier gegen die Menschen, Tsunamis schwappen über Metropolen hinweg und alles in allem sieht die Situation eher suboptimal aus. Da tritt Tiefsee-Tauchbootführer Luther Roscovitz (Heufer-Umlauf) auf den Plan, der bei der Erforschung des Ursprungs dieser Gefahr helfen soll. In der offiziellen Beschreibung des ZDF wird er als "charmant und stets zu Späßen aufgelegt" beschrieben, als "geborener Menschenfänger".

Ein Menschenfänger, wie er im Buche steht

Nach Ansicht der acht Episoden der Serie wirkt diese Beschreibung allerdings wie der pure Hohn. Luther hat seinen ersten Auftritt in der zweiten Episode. Da starrt er in einer rund zweiminütigen Szene gespannt auf eine Ansammlung von Bildschirmen. Später in der Folge sehen wir Luther nochmal, diesmal, wie er in einer rund zweiminütigen Szene auf eine Ansammlung von Bildschirme starrt. Wer aufmerksam mitliest, erkennt ein Muster.

Erst in Episode 7 darf er in der Schiffsmesse so etwas wie Charakter zeigen, wenn er sich bei Charlie (Leonie Benesch) über ihre Kaffeebrüh-Skills beschwert. Für das zu diesem Zeitpunkt geübte Publikum von Der Schwarm sollte das ein Warnzeichen sein. Zeigen Nebenfiguren in der Serie Anzeichen eines Innenlebens, ist das in der Regel ihr Todesurteil.

Die Figuren in Der Schwarm leiden an einer Krankheit

Luther leidet unter der Schwarm-Krankheit und das, obwohl er nicht mal vom Hummer gekostet hat. Dieses Gebrechen lässt sich anhand eines einfachen, aber fatalen Symptoms diagnostizieren: eine unerhört hohe Bildschirmzeit. Luther starrt auf Computer-Bildschirme, Charlie starrt auf Computer-Bildschirme, Sigur (Alexander Karim) tut es ebenfalls und selbst Leon (Joshuar Odjick), der von allen noch am meisten frische Luft schnappen darf, ist davor nicht gefeit.

In den ersten sechs von acht Episoden gibt es jeweils mindestens vier längere Szenen, in denen Bildschirme angestarrt werden, oft sind es mehr. In Episode 4 zählte ich sieben Stück. Manchmal diskutieren die Figuren in diesen Momenten wissenschaftliche Theorien (wer erinnert sich nicht gern an die Animationen von Eiswürmern?), vielfach handelt es sich um Video-Calls. Was grundsätzlich nachvollziehbar ist bei einer Serie, die mit internationalem Cast während einer Pandemie produziert wurde. Irgendwie muss das Figuren-Ensemble miteinander sprechen.

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Wegen der Bildschirm-Sucht wirkt Der Schwarm wie ein ermüdendes Fern-Uni-Seminar

Willkommen im Seminar

In Der Schwarm mutiert diese Tendenz jedoch zur ermüdenden Screen-Sucht. In Folge 5 gibt es einen längeren Call, in dem Charlie ihre Erkenntnisse aus dem Video ihrer verstorbenen Freundin Jess (Andrea Guo) weitergibt. Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt sehen wir das Video zum vierten Mal. Erst nimmt Jess es auf, dann sieht Charlie es (minutenlang) an, eine Folge später analysiert Charlie es nochmal und dann zeigt sie es ihrer Professorin (Barbara Sukowa). Für die Entwicklung der Handlung ist dieses Video offensichtlich bedeutsam. Diese Art der Erzählung ist jedoch nicht nur beeindruckend ineffizient. Es hat darüber hinaus eine fatale Konsequenz: Sie verwandelt Der Schwarm in einer Abfolge monotoner Bilderwelten. Es können noch so viele Leuchttürme umknicken, von Der Schwarm bleibt vor allem eines in Erinnerung: die Atmosphäre des teuersten und langweiligsten Fern-Uni-Seminars aller Zeiten.

Selbst Spannungs-Momente kulminieren in der Sichtung von Videomaterial. Das Finale der dritten Episode etwa soll zum ersten Mal die Yrr zeigen, die große Bedrohung der Serie. Allerdings besteht sie aus einer dreiminütigen Parallelmontage, in der zwei Gruppen von Wissenschaftler:innen intensiv Videos trüber Unterwasser-Welten anstarren. Das Episoden-Finale wird in die Länge gezogen, als würde gleich ein japanisches Brunnen-Mädchen aus dem Bildschirm steigen. Was wir aber sehen, besitzt allenfalls das Bedrohungslevel einer ungepflegten Guppy-Zuchtstation.

Deswegen wirkt Der Schwarm trotz des 40-Millionen-Budgets so kleinformatig und schlicht unfilmisch. Es wird unglaublich viel gesprochen in der Serie, aber wenig gezeigt, erlebt, involviert oder anderweitig audiovisuell greifbar gemacht.

Ein Beispiel, dass es anders geht, ist der Hummer-Handlungsstrang in Südfrankreich. Darin verfolgen wir den Ausbruch einer Krankheit vom Meeresboden bis ins Hospital, wo Dr. Cécile Roche (Cécile de France) ihren eigenen kleinen Contagion-Spin-off erlebt. Die Gefahr der Yrr wird hier so beklemmend gestaltet wie in kaum einem anderen Handlungsstrang der Serie. In dieser zweiten Episode führt Roche übrigens keinen Video-Call. Was man von Klaas und Co. nicht behaupten kann.

Podcast: Ist Der Schwarm ein Millionengrab oder besser als sein Ruf?

Die ZDF-Produktion Der Schwarm hat rund 40 Millionen Euro verschlungen. Begleitet wurde die Veröffentlichung aber von viel Kritik. Sogar Bestseller-Autor Frank Schätzing holte gegen die Serie aus.

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Im Podcast sprechen wir deshalb über die Qualitäten der Serie. Werden hier Millionen Euro verpulvert oder kann Der Schwarm mit der großen Konkurrenz aus Hollywood mithalten? Außerdem spekulieren wir im Spoiler-Teil, ob das Finale eine 2. Staffel vorbereitet.

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