Sci-Fi-Blockbuster bei Netflix: Warum sich The Midnight Sky trotz Schwächen lohnt

30.12.2020 - 13:40 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
The Midnight Sky - Der neueste Trailer:Netflix/Warner
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The Midnight Sky ist der große Netflix-Film für die Feiertage. Der Science-Fiction-Film macht Fehler. Seine Stärke ist die Furchtlosigkeit, mit der er sich in das denkbar düsterste Zukunftsdesaster stürzt.

Vielleicht wollte George Clooney mit The Midnight Sky einen optimistischen Film drehen. Am Ende von The Midnight Sky war ich aber so deprimiert wie selten nach Science-Fiction-Filmen.

Das Jahr 2020 hat verändert, wie ich Science-Fiction-Filme schaue. Eine Dystopie oder ein Katastrophenfilm ist immer auch ein Abwärtsvergleich, der beruhigend wirken kann. Quasi Reality-TV in der Zukunft. Was aber, wenn diese Filme plötzlich wie eine direkte Weitererzählung gegenwärtiger Szenarien wirken, es wirklich sind oder so interpretiert werden können?

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Worum geht es in The Midnight Sky? Wie Gravity, Interstellar und Der Marsianer in einem Film

George Clooney kann ohne wirtschaftlichen Druck in seinen Herzensprojekten über die großen Probleme nachsinnen. The Midnight Sky ist seine erste Filmregiearbeit seit drei Jahren. Sie behandelt das Ende der Welt und die rettenden Alternativen, die der Menschheit im gar nicht mehr so fernen Jahr 2049 noch bleiben. Es sind nicht viele.

Der Trailer zu The Midnight Sky

The Midnight Sky - Trailer (Deutsch) HD
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Wir folgen zwei parallelen Erzählungen:

Der Raumschiff-Crew auf der Æther mit unter anderem Sully (Felicity Jones) und einer Handvoll weiterer Astronautinnen.

  • Sie suchten nach bewohnbaren Erd-Alternativen.
  • Die Rückkehr auf den Heimatplaneten wird unterbrochen durch Rückschläge.
  • Sie sind isoliert, Kontakt zu Mission Control können sie nicht aufnehmen.
  • Dass ihr Zuhause und ihre Familien nicht mehr existieren, wissen sie nicht.

Dem Astronomen Augustine (George Clooney).

  • Augustine hält sich in der Arktis auf, weil an den Polen die nicht näher benannte verheerende Katastrophe als letztes ankommt.
  • Er liest ein zurückgelassenes, stummes Kind auf.
  • Gemeinsamen versuchen sie zu einer Station zu gelangen, von der aus sie die Æther erreichen können.

Der Film profitiert so gut wie nie von der Gleichzeitigkeit. Der Sprung von der Erde ins ferne All sorgt für Abwechslung, aber nicht für Spannung und nur wenige gemeinsame dramatische Höhepunkte. Um es im Raumfahrendensprech zu sagen: Die Parallelstränge docken nur selten aneinander an.

Aber ...

... warum sich The Midnight trotzdem lohnt

Augustine hat Krebs im Endstadium, das ist eine feine Analogie zum Zustand der Erde. Der Bewohner und die Bewohnte haben nicht mehr lange zu leben. Als der Film losgeht, verlassen Augustine gerade die letzten "Mitbewohner". Es wird nicht verraten, wohin die Menschen flüchten. Die Æther mit ihrer möglichen Rettung kommt für sie alle sowieso zu spät.

Was mich anfixt an The Midnight Sky ist die Furchtlosigkeit, mit der Clooney sich in das denkbar düsterste Zukunftsdesaster stürzt. Er führt dabei die einflussreichsten Weltraum-Filme zusammen zu einer düsteren, aber wichtigen Schlussfolgerung.

The Midnight Sky: Science-Fiction gejagt von Furcht

Die aktuellen Weltraum-Projekte von Elon Musk und der NASA sind noch getrieben von Entdeckerlust und Neugierde. Der Weltraum ist für uns das, was die Seefahrt im 15. Jahrhundert war: Ein fremdes Territorium, das es zu und entdecken und zu erobern gilt.

The Midnight Sky umtreibt eine große Angst vor der Zukunft. Der Film begreift das Weltall als allerletzte Hoffnung: Die Wahl zwischen dem brennenden Haus und dem dunklen kalten See. Der Weltraumreise haftet hier keine Entdeckerlust mehr an, sondern die reine Notwendigkeit zum Erhalt der Spezies. Soll heißen: In der Zukunft sind wir alle Flüchtende. Es sei denn, wir könnten die Zeit zurückdrehen wie in Tenet.

Podcast für Sci-Fi-Fans: The Expanse ist ein wahres Highlight

Das haben wir so in Interstellar schon gesehen. Nolans Sci-Fi-Monument ist ein Film über den emotionalen Treibstoff einer Space-Mission: Für wen tun wir das alles und wen lassen wir auf der Suche nach einer Ersatzerde zurück?

Gravity, Der Marsianer, High Life und Aufbruch zum Mond beschäftigten sich mit dem technischen Material, das wir entwickeln müssen, um den Weltraum zu bereisen und die körperlichen und emotionalen Anstrengungen zu verkraften: Schwerelosigkeit, Einsamkeit, Heimweh und das alles.

Ähnlich niederschmetternd wie Midnight Sky, wenn auch auf andere Weise, ist nur Ad Astra mit seinen Mondpiraten. Die Erde kolonialisiert den Weltraum und die Menschheit beweist, dass sie nichts dazu gelernt hat. Brad Pitt dringt zum Rande des Universums vor, nur um zu erkennen, dass er lieber daheim geblieben wäre.

The Midnight Sky: Science-Fiction nach dem Angstprinzip

Was ist die Erkenntnis-Summe aus Der Marsianer, Interstellar, Gravity und Ad Astra? Die Menschen werden ihren Heimatplaneten zerstören, sie werden die technischen Möglichkeiten entwickeln, ihn zu verlassen, sie werden einen neuen Planeten finden, um sich zu retten. Und dann mal gucken.

The Midnight Sky ist pädagogisches Kino nach dem Angstprinzip: Wenn wir an unserem zerstörerischen und rücksichtslosen Verhalten nichts ändern, bleibt uns nichts anderes als die Flucht ins Nichts. Die Katastrophe in The Midnight Sky ist menschgemacht, mehr müssen wir nicht wissen.

Was ist angenehmer: Die Zukunft in Blade Runner 2049 oder in The Midnight Sky?

In der Hinsicht ist The Midnight Sky radikaler als alle Science-Fiction- und Katastrophen-Filme der letzten Jahre. In den Weltzerstörungsfilmen The Day After Tomorrow, 2012 und dieses Jahr Greenland kam die Menschheit mit einem blauen Auge davon: Durchgeschüttelt, entwurzelt, dezimiert. Aber immer noch da.

Die staubige Öko- und Cyberdystopie Blade Runner 2049 spielt im selben Jahr wie The Midnight Sky. Aber auch hier sind wir noch Zuhause. Entfremdet, zusammengestaucht, eingeengt, ja, aber Mutter Erde hat uns noch nicht verstoßen.

Vielleicht liegt es an mir. Aber ich glaube, dass The Midnight Sky für schlechte Laune unter den ohnehin zerrupften Weihnachtsbäumen sorgen wird. Mehr noch, dieser eigentlich unscheinbare Sci-Fi-Film könnte zu einem Stimmungstest für seine Betrachtenden werden. Stellt euch einfach mal die folgende Frage während des Abspanns:

Welcher Film ist optimistischer: The Midnight Sky 2049 oder Blade Runner 2049?

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