Der Künstler Wes Anderson & sein treues Ensemble

01.05.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Wes Anderson am Set von Grand Budapest Hotel
20th Century Fox
Wes Anderson am Set von Grand Budapest Hotel
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Die Gästeliste für die Geburtstagsparty von Wes Anderson dürfte feststehen. Die üblichen Verdächtigen: Murray, Wilson, Swinton, Schwartzman. Musste Wes Anderson Einladungen verschicken? Seine Lieblinge würden auch so kommen.

Denn wenn Wes Anderson ruft, sind seine Kompagnons schon lange da. Die Schauspieler scheinen seine Filme so sehr zu lieben, wie die Zuschauer zuletzt Grand Budapest Hotel. Und ein Gast kommt nur dann gerne wieder, wenn der Besuch ihm gefallen hat – das gilt für Filme und Geburtstagspartys gleichermaßen. Kaum je fällt das Verlassen des Kinosaals schwerer als nach einem Wes Anderson-Film. Wir können uns eine Wes Anderson Geburtstagsparty ja mal vorstellen. Es müsste irgendwie alles wie aus der Zeit gefallen wirken, aussehen wie in den Dreißigern, Sechzigern, Siebzigern – alt eben, wie es Wes Anderson liebt – einfach angestaubt und nostalgisch, wie ein Puppenhaus, das seit Jahrzehnten auf dem Dachboden herumsteht. Die Royal Tenenbaums, der aussieht, wie in den Siebzigern gedreht, spielt größtenteils im Jahr 2001.

Wes Anderson lebt die Nostalgie, will von Facebook und MP3 nichts wissen, seine Welt ist analog. “Ich bin einer der am wenigsten digitalen Menschen.”, glaubt er, der genauso wenig von einer längst vergangenen Zeit lassen kann, wie von bestimmten Schauspielern, der versucht, das Besondere zu konservieren, es heraufzubeschwören, in einem bunten, aber seltsam strukturierten Montage- und Bilderstrudel. Das ist eine Säule in den Wes Anderson-Filmen: Die ästhetische Ebene, die die kultivierte Verschrobenheit und die Individualität feiert, die die Besonderheit zur einzig wahren und lebenswerten Existenzform erhebt. Und dabei natürlich hoffnungslos naiv ist, so unschuldig wie eine Kinderfantasie oder ein Tagtraum, intellektuell und stilistisch aber unheimlich reif und dabei nicht selten überwältigend, da Anderson auch die formale Ebene beherrscht. Seine fließenden Montagen wirken überrollend, durch die Präzision und den Einfallsreichtum der Sets kontrolliert und stimmig. Gerade die letzten beiden Werke Moonrise Kingdom und Grand Budapest Hotel fließen nur so dahin in atemberaubend schnellen Schnitten und besäuselnden Kamerafahrten. Welche Rolle ist darin den Schauspielern gegeben?

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Denn die andere Säule sind eben diese Schauspieler und die nur ein wenig poröse Beständigkeit eines bestimmten treuen Kerncastes. Woher rührt diese Treue, diese Ergebenheit von Jason Schwartzman, Owen Wilson oder Tilda Swinton? Liegt da etwas Unausgesprochenes in der Luft, sowas wie ein willkürliches Empfinden von Gemütlichkeit, eine gar spirituelle Bindung?

Bill Murray, der seit Rushmore in sechs weiteren Filmen von Wes Anderson mitspielte, kann uns wahrscheinlich die repräsentativsten Eindrücke von den märchenhaften Sets darbieten. Bill Murray sagt, wenn er unter dem Regisseur Anderson arbeitet, fühlt er sich wie eine Blume in einem Stillleben. Der Schauspieler in einem Anderson-Film ist Teil eines Gemäldes, Montagen sind Pinselstriche, Einstellungen Farbtupfer. Normalerweise ist das Verhältnis von Drehbuchautoren und Schauspielern in ihrer Wirkung auf das Endprodukt Film nahezu gleichwertig, zumindest bei guten, interpretierenden Schauspielern, auch wenn das die Autoren nicht immer wahrhaben wollen. Bei Anderson scheint das irgendwie anders zu sein, dieses Machtverhältnis auf den Film und seine Erscheinung. Das mag auch daran liegen, dass Anderson praktisch jeden kreativen Posten mit sich selbst besetzt und damit ein erdrückendes künstlerisches Übergewicht geradezu erzwingt. Wes Anderson ist nämlich auch sowas wie ein kreativer Diktator, einer, der Schauspielern sagt, wie sie ihre Dialogzeilen zu intonieren haben, meint Bill Murray.

Aber der weiß auch, dass Wes Anderson schnell ist, dass er eine klare Vision vom Ergebnis seiner Arbeit hat und nur einer mit seinen enormen kreativen Kapazitäten imstande ist, dieses in seinem Kopf herrschende Ideen-Gewitter gebührlich umzusetzen. Einem solchen Künstler vertrauen die anderen Künstler, die Schauspieler, auch wenn sie sich damit in ihrem eigenen Aktionsradius beschneiden lassen müssen.

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