Umfangreiche Erklärungen über den Zustand der Fischerei im Nordatlantik oder die Gefahren für Flora und Fauna sucht der geneigte Cineast in Leviathan vergebens. Die Dokumentation wagt sich zwar mit einem Fischkutter vor die Küste Neu-Englands, doch wirft sie den Zuschauer regelrecht hinein in Wasser, Netz und Gedärm der eingefangenen Meeresbewohner. In Leviathan begleitet der Zuschauer kommentarlos das Treiben der Fischer und die Schwärme der Möwen, schwingt sich mit der Kamera in die Lüfte und stürzt ins eiskalte Meerwasser, bis Orientierung und Distanz vom Geschehen hinweggetrieben werden.
Gedreht wurde die Dokumentation, die ohne Talking Heads, Spielszenen oder verdaulich portionierte Informationsschnipsel auskommt, im Rahmen des experimentellen Sensory Ethnography Labs der Harvard Universität. Dort entstand beispielsweise auch die großartige Doku Manakamana, in der der Zuschauer quasi in einer Seilbahn zu einem indischen Wallfahrtsort sitzt und dessen Besucher beobachten kann. In Leviathan geht es nun weniger um die authentische Darstellung des Fischfangs, vielmehr entwickelt der Bilderschwall, sofern man sich auf ihn einlässt, einen mythischen Sog. Immerhin ziehen die Fischer aus New Bedford, Massachusetts los, jenem Ort, der als Ausgangspunkt für Herman Melvilles Geschichte von Moby-Dick diente. Das Ringen von Mensch und Natur lässt sich heute Abend bei arte begutachten.
Heute im TV: Leviathan (2012)
Wann: 23:20 Uhr
Wo: arte