Christian Bale - vom Method Actor zum Schauspieler

12.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Christian Bale in American Hustle
Tobis
Christian Bale in American Hustle
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Mea culpa! Als siffiger Trickbetrüger überzeugt Christian Bale in American Hustle nicht nur mit einer vergnüglichen Perücken-Performance, sondern auch überraschend unverkrampftem Schauspiel. Und löst sich vorübergehend vom leidigen Method Acting.

Zugegeben: Als ich vor anderthalb Jahren eine kurze, aber entschieden böse Hassschrift über Christian Bale verfasste, da habe ich schon insgeheim geahnt, dass meine Ablehnung möglicherweise einmal im Wandel begriffen sein könnte. Und sei es nur vorübergehend. Wenige Monate zuvor überraschte der walisisch-stämmige Ex-Kinderschauspielstar und seinerzeit frische Oscarpreisträger zumindest mich in der Rolle eines Heiligen wider Willen in The Flowers of War. Nicht, dass dies ein sonderlich bemerkenswerter Film gewesen sei. Aber die Figur des amerikanischen Humanisten, der im Angesicht von Tod und Verderben chinesische Volksgeschichte schreibt, die spielte Christian Bale derart zurückgenommen und einfühlsam, eben so gar nicht Show-Off, so gar nicht in angestrengter Streberei, der Klassenbeste sein zu wollen, dass eine Neuüberprüfung sich schon anzukündigen drohte. Allein aus rhetorischen Gründen hingegen war da noch Vorsicht geboten, und der nächste Bass-Boost-Batman, der nächste Bale wie gewohnt also, stand ja bereits in den Startlöchern.

Mehr: Christian Bale, das Method-Acting-Missverständnis

Die Erschaffung einer eigenen Fassade?
Nun ist Christian Bale in American Hustle zu sehen. Und die Ahnung, ihm vielleicht doch ein wenig Unrecht getan zu haben, kommt schon mit dem ersten Bild. Die Plauze, die Halbglatze, das hilflose Starren in den Spiegel: ist das etwa Christian Bales Reflexion? Sich da im Angesicht der eigenen Anstrengung mühsam die Haarteile mit Klebstoff zu befestigen? So zurechtzulegen, dass es irgendwie passen, irgendwie ein befriedigendes, existenzwürdiges Bild ergeben möge? Wahnsinn. Christian Bale und das Perückengestrüpp, die Erschaffung einer eigenen Fassade, ein Bild, das weniger seine Figur als vielmehr ihn selbst zusammenfasst. Aber auch das – ein Trugschluss. American Hustle ist nicht der Meta-Film zum Bale-Hass, sondern, wenn überhaupt, ein Meta-Film über Verkleidungskino: Mit Masken und Haarteilen, Sonnenbrillen und Lockenwicklern beuten und booten sie sich nach Herzenslust aus, der Bale und seine Co-Stars. Es geht um Trickbetrügerei, Politkorruption und Mafiageschäfte, aber es geht auch um Hollywoodschauspiel, das im lustvollen Ausstattungskarneval alle Verbissenheit löst.

Der wahre Christian Bale
Natürlich ist das nur ein Gefühl, und vielleicht es ist es auch großer Quatsch, aber: Erst hinter schrulligen Seventies-Klamotten, hinter gelb getönten Sonnengläsern und schlechten Toupets glaube ich den wahren Christian Bale gesehen zu haben. Sein Spiel in American Hustle ist von einer eigenen Re- und Interaktion mit der Kostümierung bestimmt, ganz so, als würde es die Bemäntelung stets mitdenken und in Frage stellen. Folglich arbeitet Bale in diesem Film vor allem mit seinen Augen, die er mal genervt verdreht, mal fragend aufreißt, mal in einem Fuck-You-Blick über die Brille ragen lässt. Nie habe ich ihn derart witzig, derart unbefangen spielen gesehen, nie habe ich so viel mit ihm geschmunzelt. Aber nicht allein die historische Figur des gewieften Schlawiners bereitet hier große Freude, sondern schon auch wirklich die Art, wie Christian Bale sie anlegt: gerissen und tollpatschig, begnadet und bedeppert. Eine Figur, die in grotesker Eitelkeit um Antlitz bemüht ist, aber sich doch nur als Struwwelpeterganove durchs Bild schiebt. Der Moment, in dem Bradley Cooper ihm das Haar schließlich durcheinander bringt, ist alles.

Die Suggestion eines Seins
Tina Fey kommentierte die flamboyante Perückenästhetik von American Hustle auf der Golden-Globe-Verleihung mit einem augenzwinkernden Kommentar, aber ich meine das vollkommen ernst. Der Film feiert nicht nur den (falschen) Glamour seiner Ära, sondern auch den der Traumfabrik und ihrer Stars. Wenn ich über Christian Bale einst schrieb, er wechsele – in Method Acting versteift – zwischen „dick und dünn, als sei Schauspiel ein Sport, den man wie eine Rolle ausfüllen und zur Schau stellen müsse“, dann verfolgt ja der Kostümzirkus dieses Films gerade einen gegenteiligen Ansatz: Sich nämlich in Schale zu werfen, um eine Wahrheit zu finden, und nicht zur Schale selbst zu werden. Sich nicht körperlich bis zur Unkenntlichkeit zu entstellen, sondern über Schauspiel, also die Suggestion eines Seins, zur Figur zu werden. Christian Bale also muss sich nicht den Kopf rasieren oder falsche Haare einpflanzen lassen, das kann er guten Gewissens den entsprechenden Illusionsabteilungen überlassen. Er muss auch nicht tatsächlich zum Trickbetrüger mutieren, er muss nur glaubhaft einen solchen spielen. Und es scheint, als habe er das, trotz wieder einmal zahlreich angefutterter Pfunde, auch beherzigt.

Ein unauflösbarer Widerspruch
Auf der Pressekonferenz der Berlinale, in deren Gala-Programm American Hustle als Sondervorführung gezeigt wurde, gab Christian Bale zu Protokoll, dass allein der Regisseur es einem Schauspieler erlaube, gut zu sein. Ich habe keinen Zweifel an den Fähigkeiten von David O. Russell, sein Ensemble nicht nur zu Höchstleistungen zu motivieren, sondern es auch klug zu führen. Dass nun ausgerechnet er jedoch sowohl für die bislang problematischste als auch beste aller Bale-Rollen verantwortlich ist, muss ich als unauflösbaren Widerspruch sehen: Zwischen einem mit dem Oscar prämierten Transformationsmissverständnis wie in O. Russells The Fighter und der unverkrampften Darstellung seines American Hustle liegen jedenfalls Welten. Und ich hoffe, dass Christian Bale, nunmehr ebenfalls wieder für den Academy Award nominiert, Schauspiel von jetzt an auch einfach weiterhin Schauspiel sein lässt. Für alles andere gibt es schließlich die wahren Boxer, Mörder und Ganoven, die auch auf der Leinwand porträtiert werden können, ohne es ihnen mit falsch verstandener Rollenvorbereitung gleichzutun.


Als Mr. Vincent Vega meint es Rajko Burchardt seit Jahren gut mit den Menschen. Wenn er nicht gerade auf moviepilot fern sieht oder seine Filmecke pflegt, schreibt er Kinokritiken und zwitschert auch gelegentlich vor sich hin. Die Spielwiese des Bayerischen Rundfunks nannte ihn “einen der bekanntesten Entertainment-Blogger Deutschlands”. Das fand er interessant.

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