Black Mirror - Staffel 3, Episode 2 im Recap

22.10.2016 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Black Mirror - Staffel 3, Episode 2 (Playtest) mit Wyatt Russell und Ken Yamamura in PlaytestNetflix
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Paytest, die 2. Episode der 3. Staffel von Black Mirror, blickt in die Zukunft der Videospielindustrie. Wyatt Russell strandet als junger Mann sowohl im echten als auch im virtuellen Leben auf einer einsamen Insel der Verdammnis.

Wir leben in einer Zeit, in der virtuelle Realität längst kein Traum der Zukunft mehr ist. Spätestens seit der Ankunft von PlaySation VR dürfte diese Videospiel-Evolutionsstufe salonfähig geworden sein. Kein Wunder, dass sich auch Charlie Brooker, der selbst über einen Hintergrund als Journalist im entsprechenden Metier verfügt, im Rahmen der 3. Staffel von Black Mirror in die Zukunft der Videospielindustrie wagt. Zwar bekommen wir keine VR-Brille in Playtest zu sehen, dafür gibt es "layers on top of reality" zu entdecken. Nicht lange dauert es, bis die entscheidende Frage nach diesen verschiedenen Schichten der Realität im Raum steht, und welche davon die grundlegende, die echte ist. Bevor es jedoch so weit ist, erlebt der von Wyatt Russell verkörperte Cooper eine (virtuelle) Odyssee sondergleichen. Ob er am Ende noch bei klarem Verstand ist?

Alles beginnt im Morgengrauen. Cooper packt seine Sachen zusammen und stiehlt sich die Treppe des Familienhauses hinunter, als würde Harry Potter die Flucht aus dem Ligusterweg planen. Dann fällt die Haustür ins Schloss und der junge Mann ist frei. Ausgestattet mit Rucksack, Kreditkarte und Smartphone macht er sich auf den Weg, um die Welt zu entdecken. Nur die Kamera verweilt für einen Augenblick auf dem Familienfoto, auf dem ausschließlich strahlende Gesichter zu erkennen sind. Ausgehend von den ersten Minuten der Episode stammt diese Aufnahme jedoch aus einer Zeit, die längst in Vergessenheit geraten ist. Cooper hinterlässt nicht einmal eine Notiz an die Verbliebenen. Er muss das Elternhaus wirklich dringend hinter sich zurücklassen wollen. Worin der Schmerz verborgen liegt? Das erfahren wir noch nicht. Dafür folgt in knalligen Farben eine Montage des Globetrotters.

Hannah John-Kamen in Playtest

Indien, Japan, Australien und all die europäischen Großstädte nicht zu vergessen: Cooper dürfte in den darauffolgenden Wochen genug Erfahrungen gesammelt haben, um ganze Bücher damit zu füllen. Wie im Rausch zieht die echte (?) Welt an ihm vorbei. So findet er sich schließlich auch in London wieder, wo er wenige Tage vor dem Ende seines Trips Sonja (Hannah John-Kamen) kennen lernt und endlich seinen wunden Punkt offenbart: Sein Vater, zu dem Cooper eine sehr enge Verbindung hatte, starb vor Kurzem. Der Kontakt mit seiner Mutter fiel ihm schon immer schwer. Seit dem tragischen Ereignis ist es aber noch schlimmer geworden. Cooper ist nicht einmal in der Lage, ihre Anrufe entgegenzunehmen. Sonja ermutigt ihn dennoch, sich seinen inneren Dämonen zu stellen und die Rückreise anzutreten. Blöd nur, dass genau in diesem Augenblick Coopers Kreditkarte versagt und er in der Stadt an der Themse gestrandet ist.

Playtest braucht überraschend lange, um die Prämisse der Geschichte auszuformulieren. Black Mirror-Schöpfer Charlie Brooker liegt allerdings sehr viel daran, der zerütteten Beziehung zwischen Cooper und seiner Mutter ausreichend Gewicht und Bedeutung zu verleihen. Erst danach kündigt sich der Hauptteil der Episode an: Um genügend Geld für den Rückflug nach Amerika zu organisieren, meldet sich Cooper - dank eines Hinweises seitens Sonja - als Versuchskaninchen bei der Firma des legendäre Videospielentwicklers Shou Saito (Ken Yamamura). Er soll einen sogenannten Playtest zu einem neuen, innovativen Videospiel absolvieren. Mit überschwänglicher Freundlichkeit wird er von Saitos Assistentin Katie (Wunmi Mosaku) in einem alten Anwesen auf dem Land empfangen. Endlich sind wir in der Kulissen angekommen, in der sich auch Regisseur Dan Trachtenberg am wohlsten fühlt. Fortan beginnt das große Unbehagen.

Nervös scherzt Cooper über Dumbledore-Präsenz und besteht darauf, vom sprechenden Hut ins Haus Gryffindor gesteckt werden. Tatsächlich findet er sich aber kurz darauf in einem sterilen Raum wieder, der alles andere, bloß nicht den freundlichen Eindruck des erhofften Gemeinschaftsraums erweckt. Nach einer ganzen Reihe von Sicherheitsmaßnahmen gilt es nun, einen Vertrag zu unterzeichnen, und ehe es sich Cooper versieht, bekommt er ein technisches Gerät im Nacken implantiert. Sobald das damit verbundene Videospiel geladen hat, offenbaren sich Cooper Dinge, die nur für ihn sichtbar sind. Von außen betrachtet erweckt er den Eindruck eines VR-Spielers, der etwas unbeholfen im Raum herumfuchtelt. Die meiste Zeit über wählt Dan Trachtenberg allerdings die Perspektive seines Protagonisten, um uns Zuschauer ebenfalls an dem Wunder des Fortschritts teilhaben zu lassen, eine durchaus faszinierende Fingerübung.

Die mühevolle Vorarbeit in der Episode zahlt sich endlich aus. "Play Test is kind of a techno horror romp; it's kind of our Evil Dead II", hat Charlie Brooker im Vorfeld der Black Mirror-Folge verlauten lassen. Dementsprechend entführt die Folge nun ins nächste Level, ein finsteres Gruselhaus, und beschert Cooper einen absoluten Albtraum. Der implantierte Chip verfügt über einen direkten Zugriff auf seine Gedankenströme. Er lernt und adaptiert: Fortan wird Cooper nicht mehr mit verspielten Simulationen konfrontiert, sondern mit der Projektion seines eigenen Unterbewusstseins. Dabei spielt Angst natürlich eine entscheidende Rolle, sodass Dan Trachtenberg sein Geschick für klaustrophobische Inszenierung genauso hingebungsvoll ausspielen kann, wie er es vor ein paar Monaten in 10 Cloverfield Lane getan hat. Zuerst interessieren ihn die beständigen Gegebenheiten des (filmischen) Raums. Dann fängt er an, diesen nach und nach auseinanderzunehmen und Cooper an seine Grenzen zu treiben.

Wyatt Russell und Wunmi Mosaku in Playtest

Auf eine kleine Spinne folgen unheimliche Veränderungen in einem Gemälde und plötzlich steht ein Mann mit Hut und schwarzem Mantel im Raum, der Cooper regungslos anstarrt und dem einem Bully aus der Schulzeit gleicht. Von Minute zu Minute steigern sich die rätselhaften bis angsteinflößenden Vorkommnisse, bevor gleich mehrere Twists aus dem Hinterhalt überraschen. Was, wenn Cooper Opfer einer größeren Verschwörung der Videospielindustrie geworden ist? Was, wenn Cooper im Begriff ist, seinen Verstand zu verlieren? Und was, wenn er nicht mehr zwischen Realität und Vorstellung unterscheiden kann? Ab einem gewissen Punkt können weder Cooper noch wir Zuschauer uns sicher sein, in welcher Wirklichkeitsebene sich das Narrativ bewegt, ganz zu schweigen davon, dass Cooper mit seiner größten Furcht, die Begegnung mit seiner Mutter, durch verzweifelte Anrufe konfrontiert wird.

"Oh, Mama liked the roses", singt Elvis Presley am Ende der Episode, die sich in ihren finalen Minuten gleich drei Mal überschlägt und mit einer unangenehmen Note mit bitterem Nachgeschmack endet. Obgleich die Geschichte in der Beziehung von Cooper und seiner Mutter sowie dem damit verbundenen Schmerz emotional verankert ist, funktioniert die Ausführung nur bedingt. Playtest ist durchaus spannend und weckt Neugier. Auf metaphorischer Ebene steht das 2. Kapitel der 3. Staffel allerdings zwischen zu vielen Stühlen. Ein bissiger Kommentar auf Videospiele und Industrie? Ein Spukhaus-Horror im Black Mirror-Universum? Oder doch ein komplexes Drama über die unergründlich abgründige Psychologie eines jungen Mannes, der sich in einer Spirale des Leidens wiederfindet, wo er genauso viel Leid erfährt, wie er (indirekt) anderen Menschen in seinem Umfeld zufügt? "Make a note of that", gibt Katie nach dem gescheiterten Experiment zu Protokoll. Sehr viel mehr macht Playtest bei all diesen Thematiken leider auch nicht.

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