Biopics - Ein Leben wie im Film

04.11.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Mr. Turner - Meister des Lichts
Prokino Filmverleih
Mr. Turner - Meister des Lichts
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Übermorgen kommt mit Mr. Turner ein Biopic über den britischen Maler J.M.W. Turner in die Kinos und fügt sich damit in die lange Liste der Filmbiographien ein. Dieses Genre eröffnet Filmemachern viele Inszenierungsmöglichkeiten. Aber was macht es für uns so interessant und wo liegen seine Schwächen?

Die Geschichte des Biopics ist fast so alt, wie das Kino selbst. Schon immer nutzten Regisseure die Möglichkeit, das Leben einer bedeutenden Person zu verfilmen. Meistens handelt es sich hierbei um bereits verstorbene Persönlichkeiten, deren Tod mehrere Jahrhunderte oder auch nur wenige Jahre zurückliegt. Mike Leighs Drama Mr. Turner - Meister des Lichts gehört zur ersten Kategorie. In dem Film beleuchtet der Regisseur die letzten 25 Lebensjahre des britischen Malers J.M.W. Turner, der von Timothy Spall verkörpert wird. Das Werk wurde von Kritikern weitestgehend positiv aufgenommen und sogar Oscar-Chancen werden ihm eingeräumt.

Allein die kommende Oscar-Saison zeigt wieder, welch immense Beliebtheit das Biopic-Genre unter Regisseuren zu haben scheint. Mit The Imitation Game, Unbroken, Die Entdeckung der Unendlichkeit, Foxcatcher oder Selma sollen nur ein paar der Filme genannt sein, die sich realen Persönlichkeiten widmen, jedoch könnte die Liste noch viel weiter geführt werden. Aber nicht nur bei der Oscar-Jury sind Biopics gern gesehen, denn auch wir Zuschauer lassen uns gerne von ihnen faszinieren. Aber was hat dieses Genre eigentlich zu bieten? Und worin liegen seine Schwächen?

Neugierde und Faszination
Auf gewisse Art und Weise lassen sich Biopics mit Boulevard-Magazinen im Fernsehen vergleichen. Selbstverständlich verfolgen letztere einen anderen Anspruch, als die Filme im Kino und dennoch ist deren Existenz vor allem einer Sache zu verdanken: Dem Interesse der Menschen am Leben anderer. So ähnlich verhält es sich auch mit Filmbiographien. Es liegt wohl in unserer Natur, dass wir Neugierde verspüren, was tragische Schicksale oder bedeutsame Momente in der Lebensgeschichte von bekannten Personen betrifft und wir uns ihr so näher fühlen. Verstärkt wird diese Faszination natürlich noch, wenn es sich bei der dargestellten Person um eine sowieso schon verehrte Persönlichkeit handelt. Besonders im Bereich des Musik- oder Sportfilms gibt es viele Werke, die sich den Ikonen ihrer Branche widmen und dadurch ein großes Publikum ansprechen.

Als Beispiele für ein Sport-Biopic wären hier Ali von Michael Mann und Brian Helgelands 42 - Die wahre Geschichte einer Sportlegende zu nennen. Beide zeigen das Porträt eines weltberühmten und herausragenden Sportlers und erreichen damit nicht nur Bewunderer dieser Legenden. Auch Zuschauern, die weniger über diese Persönlichkeit wissen, wird ein unterhaltsames Bild vermittelt, das auch die Schattenseiten ihrer Lebensgeschichten beleuchtet und damit das Publikum daran teilhaben lässt. Wenn wir etwa in Wie ein wilder Stier der Hauptfigur Jake LaMotta durch den Film folgen und miterleben, wie er vom kämpferischen, dynamischen Boxer zu einem aufgequollenen, wenig talentierten Comedian mutiert, dann ist das gleichermaßen schockierend wie mitreißend.

Ein Genre wie kein anderes
Auch die Tatsache, dass sich Regisseure von Biopics keinen festgelegten Konventionen beugen müssen, macht dieses Genre so abwechslungsreich und spannend. Auch wenn sie sich inhaltlich meistens auf nur einen begrenzten Zeitraum konzentrieren, wie beispielsweise in Walk the Line, gibt es inszenatorische Freiheiten, wie es kaum ein anderes Genre bieten kann. Eine der wohl experimentellsten Vorgehensweisen legte Todd Haynes mit seinem Bob Dylan-Biopic I'm Not There an den Tag. Dieses hebt sich dadurch hervor, dass sechs verschiedene Schauspieler gecastet wurden, die in unterschiedlichen Handlungssträngen den Folk-Sänger verkörpern. Dass Cate Blanchett als Frau einen Mann darstellt, setzte der ungewöhnlichen Inszenierung die Krone auf, machte den Film aber mehr als bemerkenswert.

Zwischen Authentizität und Unterhaltung
Mit dem vordergründigen Ziel der Unterhaltung tritt aber gleich das wohl größte Problem von Biopics zu Tage. Setzt sich ein Regisseur das Ziel, die dargestellte Person so authentisch wie möglich darzustellen, ist das zwar sehr ambitioniert, kann aber zu Langatmigkeit und Monotonie führen. Richard Attenboroughs Gandhi, ohne dem Werk seine Qualität aberkennen zu wollen, ist einer der Filme, die sich dieses Problems nicht gänzlich entziehen können. Bei einer Länge von über drei Stunden ist es schwer, faktisch korrekt zu sein und trotzdem durchweg Spannung zu erzeugen.

Aber auch umgekehrt weist das Genre seine Mängel auf. Nicht selten werden historische Fakten bei Biopics modifiziert, um so den Unterhaltungswert nach oben zu schrauben und möglichst viele Zuschauer für sich zu gewinnen. Das wohl beste Beispiel hierfür ist Braveheart von Mel Gibson. Die Darstellung des Helden William Wallace im Film beruht nur lose auf dessen Leben und erlaubt sich zahlreiche Freiheiten, um diesen dem Publikum zugänglicher zu machen. Eine Tatsache, die das Werk mehr zur Fiktion macht als zu einem tatsächlichen Biopic. Das verhinderte dennoch nicht den finanziellen Erfolg des Films, der außerdem fünf Oscars einheimsen konnte.

Es zeigt sich also, dass beide Arten der Inszenierung, ob nun eher um Authentizität oder Unterhaltung bemüht, ihre Schwierigkeiten mit sich bringen. Hier liegt es schlicht und einfach an der subjektiven Wahrnehmung des Zuschauers, zu welcher Seite er mehr tendiert und den Film anschließend als gelungen bezeichnet oder nicht.

Der Oscar-Effekt
Nicht unerwähnt sollte jedoch bleiben, welche Möglichkeiten Biopics für Schauspieler eröffnen. Die Chance, jemanden darzustellen, den es wirklich gab oder noch gibt, stellt zwar eine sehr große Bürde dar, ist jedoch oft auch der Sprung zum weltweit anerkannten Darsteller. Nicht von ungefähr gingen acht der letzten zwölf Hauptdarsteller-Oscars an Schauspieler, die reale Personen verkörperten. Auch für uns Zuschauer ist es in den meisten Fällen ein großes Vergnügen, wenn wir Zeuge einer grandiosen Darbietung werden. Jamie Foxx ergriff in Ray diese Chance und überzeugte in allen Belangen, was ihn in die Top-Liga der Charakterdarsteller aufsteigen ließ. Allein für solche Verwandlungen dürfen Biopics uns immer wieder gerne im Kino beehren.

Was mögt ihr an Biopics? Und was nervt euch an ihnen?

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