Die besten Filme - Panorama Berlinale 2015
- NecktieYouth?5Drama von Sibs Shongwe-La Mer mit Sibs Shongwe-La Mer und Bonko Khoza.
Wer in Sandton aufwächst, verbringt viel Zeit in Pools und auf drogenbeflügelten Partys, dieser Stadtteil von Johannesburg ist das reichste Fleckchen Afrikas. Necktie Youth porträtiert diese erste post-Apartheid jeunesse dorée in grellem Schwarz-Weiß, die soften Farben sind ihren Kindheitserinnerungen aus den frühen Jahre der Regenbogennation vorbehalten. Emily, 19, weiß, hat die Codes dieser Szene nicht begriffen und das Tempo schnell wechselnder Verbindlichkeiten nicht ausgehalten, meint der ultra-coole September, schwarz und privilegiert, als er versucht, einer TV-Reporterin zu erklären, warum sich Emily im elterlichen Garten aufgehängt und ihre Kamera so positioniert hat, dass der Selbstmord live gestreamt wurde.
Der Filmemacher und Multimediakünstler Sibs Shongwe-La Mer zeigt in seinem Film – mit sich selbst in einer Hauptrolle – eine ihm bestens vertraute südafrikanische Szene, für die Mandela nur mehr eine goldgerahmte Ikone ist. In der Gegenwart prallt sie auf eine Realität, in der die Konfrontation nicht mehr zwischen Weiß und Schwarz verläuft, sondern in einem rasanten Zickzack-Parcours, auf dem jugendliche Träume von Exzessen jeglicher Couleur geprägt werden. (Text: Berlinale) - Butterfly652Drama von Marco Berger mit Ailín Salas und Javier De Pietro.
Ein Schmetterling, Sinnbild für Wiedergeburt und Neubeginn, symbolisiert Rominas und Germáns Welt, die aus zwei parallelen Wirklichkeiten besteht. In der einen wachsen sie als Geschwister auf, die sich begehren und versuchen, ihre Liebe ohne sexuelle Erfüllung zu gestalten. In der anderen begegnen sie sich als junger Mann und junge Frau, die eine unbeholfene Freundschaft aufbauen, anstatt ihren Gefühlen füreinander zu folgen. Germán findet sich in einer unstimmigen Beziehung mit Mariela wieder. Marielas Bruder interessiert sich für Bruno. Bruno wiederum ist mit Romina zusammen, sucht aber Germáns Nähe. Im spielerischen Wechsel zwischen beiden Realitäten finden sich die Liebenden zu immer neuen Paaren zusammen, um ihren intuitiven Empfindungen nachzuspüren. Scheu. Und gleichzeitig bereit, alles zu verlieren.
Aus seiner faszinierenden Filmidee entwickelt der Teddy-Award-Gewinner von 2011, Marco Berger, ein eindrucksvolles Universum unendlich vielfältiger Liebes- und Freundschaftsentwürfe. Ein von ungewöhnlicher Dynamik beseelter Raum, in dem emotionale Verunsicherung, sexuelle Konfusion, Inzest, Selbsttäuschung, Intuition und spirituelle Verbundenheit ihren Platz haben. (Text: Berlinale) - TheFire5.343Drama von Juan Schnitman mit Pilar Gamboa und Juan Barberini.
Lucía und Marcelo sitzen zwischen Kisten und gepackten Koffern. Der Umzug in eine Eigentumswohnung steht kurz bevor. Als der Makler absagt und den Termin der Schlüsselübergabe auf den nächsten Tag verschiebt, haben die beiden 30-Jährigen unverhofft Zeit. Die unerwartete Unterbrechung, die sie zwingt, in ihrem Alltag innezuhalten, führt zum Nachdenken über sich selbst und zur Überprüfung ihrer Beziehung.
Marcelo kann nur schwer damit umgehen, dass das Geld für die Wohnung von Lucías Vater stammt. Aber mit seiner Tätigkeit als Lehrer hätte er es kaum geschafft, die benötigte Summe selbst zu aufzubringen. In seiner Schule sieht er sich von wütenden Eltern bedrängt, die meinen, er hätte ihren Sohn schlecht behandelt. Auch Lucía gerät in einen Streit mit dem Geschäftsführer des Restaurants, in dem sie arbeitet. Und wird von beunruhigenden Hustenanfällen geschüttelt …
Mit dem auf 24 Stunden begrenzten Ausschnitt aus dem Leben eines jungen Paares zeichnet Juan Schnitman das Bild einer hypernervösen, hochneurotischen Gesellschaft kurz vor der Explosion. Blicke, Gesten und kleinste Bewegungen signalisieren eine komplexe Unsicherheit, in der Liebe und Hass, Stille und Schrei zwei Seiten derselben Medaille sind. (Text: Berlinale) - Mein Bruder, derHeld65.561Drama von Josh Kim mit Ingkarat Damrongsakkul und Natarat Lakha.
Die ärmlichen Außenbezirke von Bangkok sind eine Welt, in der man sehr früh lernt, erwachsen zu sein. Nach dem Tod beider Eltern leben der elfjährige Oat, seine kleine Schwester und sein älterer Bruder Ek bei ihrer Tante. Ek arbeitet in einer Stricher- und Transenbar und hat schon seit der Schulzeit eine Liebesbeziehung mit Jai, dem Sohn reicher Eltern. Diese ungleiche Liebe wird auf eine entscheidende Probe gestellt, als der jährliche Tag der Einberufung naht, an dem per Lotterie entschieden wird, wer zum Militärdienst muss und wer zu Hause bleiben kann. Der kleine Oat stiehlt beim Mafiachef der Gegend Geld, um damit den geliebten Bruder, den Ernährer der Familie, vom Militär freizukaufen. Das hat dramatische und traumatisierende Folgen.
Aus der Sicht des kleinen Bruders erzählt, wirft der Film einen erfrischend ungeschönten und unvoreingenommenen Blick auf ein eigentlich liebevolles Milieu, in dem jedoch die gesellschaftlichen Verhältnisse von Käuflichkeit, Korruption und falschen Idealen bestimmt sind. (Text: Berlinale) - Whyme?7.3683Thriller von Tudor Giurgiu mit Emilian Oprea und Mihai Constantin.
Der junge, ehrgeizige Staatsanwalt Christian bekommt überraschend einen prekären Fall zugeteilt: ein älterer Kollege ist der Korruption beschuldigt. Was ein Karrieresprungbrett sein könnte, kehrt sich ins Gegenteil. Der Verdächtige beteuert seine Unschuld, die Vorgesetzten nötigen Christian, ihn auch ohne Beweise vor Gericht zu bringen. In dem Bestreben, die Wahrheit ans Licht zu bringen, kommt Christian einem ungeheuren Komplott auf die Spur. Der Fall wird ihm entzogen, er wird beurlaubt und kaltgestellt. Das System schlägt mit aller Härte zurück und zieht dem jungen Mann den Boden unter den Füßen weg.
Mit seinem Regiedebüt Love Sick war Tudor Giurgiu bereits 2006 im Panorama vertreten. Sein Protagonist steht auf der Seite derer, die es geschafft haben, er könnte teilhaben am Aufschwung im postkommunistischen Rumänien, den der Film suggeriert. Doch zu welchem Preis? Mit Radikalität und Bitternis erzählt Giurgiu von einem Land im Umbruch, von der Allmacht des Staates, die sich ergibt, wenn korrupte gesetzgebende und ausführende Gewalt einander decken. Der Einzelne muss wählen: zwischen einem Rückzug ins Private und Zivilcourage – auch auf die Gefahr, daran zugrunde gehen. (Text: Berlinale) - Bizarre6.84.8105Drama von Etienne Faure mit Pierre Prieur und Adrian James.
Maurice, ein junger, wortkarger Obdachloser, schlägt sich in Brooklyn mit Gelegenheitsarbeiten durch und übernachtet in geparkten Autos – bis er im “Bizarre” landet, einem für seine Burlesque-Shows berühmten Underground-Club. Die spielerischen Revuen sexueller Selbstbestimmung und kreativen Andersseins faszinieren Maurice, die beiden Besitzerinnen lieben ihn. Schnell gehört er zu ihrer Wahlfamilie, wo er dem in sich gekehrten Luka näherkommt. Lukas wachsender Zuneigung kehrt Maurice jedoch den Rücken. Er flieht vor seiner eigenen emotionalen Existenz, treibt ziellos durch die Stadt und sucht im Boxsport nach Stabilität. Dort trifft er auf Charlie. Maurice sieht seine verschlossenen Empfindungen unter Strom gesetzt und entfacht einen immer größeren, von Zärtlichkeit und Bedrohung erfüllten Gefühlswirbel.
Étienne Faure drehte vor Ort. In den fulminanten Daseinsentwürfen der im “Bizarre” in Brooklyn auftretenden Künstler lässt er das Versprechen einer unabhängigen Zukunft für seinen ziellos Flüchtenden aufstrahlen. Hochsensibel beobachtet er dessen seelische Verlorenheit und Verstörung und verdichtet sie in einer filmisch verzaubernden Trance. (Text: Berlinale) - Absence6.1664Drama von Chico Teixeira mit Matheus Fagundes und Irandhir Santos.
Seit sein Vater die Familie im Stich gelassen hat, reibt sich der 15-jährige Serginho zwischen den neuen Anforderungen seines Alltags auf. Er arbeitet bei seinem Onkel auf dem Markt, bietet seiner labilen Mutter Halt und kümmert sich um seinen kleinen Bruder. Aber wo ist sein Platz in einer Welt, die ihn zwingt, zu früh erwachsen zu sein? Voller Sehnsucht nach Zuneigung lässt er sich mit seinen Freunden Mudinho und Sivinha durch São Paulo treiben, besucht eine Tante, die am Stadtrand in einem Zirkus arbeitet, und verbringt soviel Zeit wie möglich bei Ney, einem Privatlehrer, dem er sich sehr verbunden fühlt. Serginho wird jedoch immer wieder enttäuscht. Er will mehr von seiner Mutter, von seinen Freunden, von seiner Zukunft, von Ney. Unbeeindruckt vom Machismo in seinem Umfeld gibt er nicht auf, nach einem Weg zwischen Verantwortung und Geborgenheit zu suchen.
Mit charismatischem Charme verleiht der erst 17-jährige Hauptdarsteller Matheus Fagundes der Figur des emotional und sexuell aufgewühlten Serginho eine berührend zuversichtliche Unbeschwertheit und lässt ihn das Gewicht gesellschaftlicher Erwartungen mit tiefem Vertrauen auf ein mögliches Glück tragen. (Text: Berlinale) - Love, Theft and OtherEntanglements?22Drama von Muayad Alayan mit Sami Metwasi und Maya Abu Alhayyat.
Tagedieb, heimlicher Liebhaber, Kleinkrimineller – Mousa hat viele Qualitäten. Der im Flüchtlingscamp lebende Palästinenser pfeift auf die von seinem Vater mühsam erworbene Erlaubnis, legal im israelischen Teil Jerusalems zu arbeiten und verdient sich sein Geld lieber mit dem Stehlen israelischer Autos, die er an palästinensische Hehler verkauft. Seine Zukunft sieht er fernab vom von Gewalt und Verboten geprägten Alltag in der geteilten Stadt, sein Herz gehört einer verheirateten Frau. Als Mousa nach dem Diebstahl eines Passats von palästinensischen Milizen brutal in die Mangel genommen wird, und sich danach das Auto genauer anguckt, macht er eine brisante Entdeckung. Durch sie wird der Mann, der sich eigentlich aus der Politik heraushalten will, plötzlich für alle Seiten interessant … Muayad Alayans erster Spielfilm erzählt die Geschichte eines Tunichtguts, den die Umstände zum Handeln zwingen, in leichten, anmutigen Schwarz-Weiß-Bildern, die nicht nur angesichts des ernsten Settings begeistern. Unterstützt wird die palästinensische Hommage an die Nouvelle Vague von einem starken, jazzorientierten Score. (Text: Berlinale)
- The Sea isBehind?11Drama von Hicham Lasri mit Malek Akhmiss und Hassan Ben Badida.
Tarik kann nicht über den Verlust seiner Kinder weinen. Stattdessen verhüllt er den Schnauzer unter einem Schleier und schwingt beim Straßenumzug die Hüften zu Musik: Tarik ist ein H’Dya, ein traditionell in Frauenkleidung tanzender Künstler. Tariks Vater, der die Prozessionen durch die leeren Straßen Marokkos anführt, weint sich die Augen aus, als sein geliebtes Zugpferd Larbi nicht mehr will, und kämmt die Pferdmähne zärtlich mit seinem Gebiss. Der neue, brutale Partner von Tariks Ex-Frau nistet sich auf Tariks Toilette ein. Und Tariks Freund Murad wird wegen seiner Homosexualität bedroht und beleidigt. War wirklich, wie alle behaupten, etwas im Wasser? Oder spielt sich das alles nur in Tariks Kopf ab?
In surreal-schönen, schwarz-weißen Bildern erzählt Hicham Lasri in seinem dritten Spielfilm von Traditionen und Trance, von Intoleranz und Gewalt, von Freundschaft und Körperlichkeit. Und von Tierliebe, deren Angemessenheit fraglich ist. Unterstützt von rauem Marokko-Rock, komponiert Lasri David-Lynch-artige Rauschzustände für ein modernes maghrebinisches Kinoerlebnis. (Text: Berlinale) - Feelings Are Facts: The Life of YvonneRainer?1Dokumentarfilm von Jack Walsh.
1966 revolutionierte Yvonne Rainer mit ihrer Performance „Trio A“ den modernen Tanz, indem sie auf radikal unspektakuläre Weise das menschliche Bewegungsrepertoire analysierte. Beeinflusst von Merce Cunningham und John Cage entwickelte sie sozialpolitische Choreografien, in denen sie alltägliche Bewegungen auf der Bühne durcharbeitete, als bewussten Gegenpol zu den Erwartungen des Publikums. Weil sie auf keinen Fall gefällig wirken wollte, begann sie mit Film zu experimentieren, und zwar mit dem gleichen revolutionären Impetus wie in der Körperarbeit. Mit 56 Jahren hatte sie ihr Coming Out als Lesbe und 1997 gewann sie mit MURDER and murder den Teddy Award.
Regisseur Jack Walsh gelingt es, den künstlerischen Werdegang einer konsequenten und sympathischen Avantgardistin von den Fünfzigern bis heute mit vielen Filmausschnitten, Archivaufnahmen und Neuinterpretationen ihrer Choreografien zu illustrieren. Tanzexperten und Wegbegleiterinnen wie Carolee Schneeman und B. Ruby Rich ergänzen Rainers eigene Erinnerungen. Heute, mit 80 Jahren, arbeitet sie immer noch auf der Bühne, seit eine Anfrage von Michail Baryschnikow sie im Jahr 2000 zu einem späten Comeback als Choreografin bewegte. (Text: Berlinale) - Haftanlage46146.631Dokumentarfilm von Jan Soldat.
Die Fetischwelt kennt für jede besondere Vorliebe eine Nische, und Arwed hat sich auf eine sehr spezielle Kundschaft eingestellt: Er betreibt ein privates Gefängnis, in dem er ganz nach Wunsch die zahlenden Gäste hinter Gittern schikaniert. Als Gefängnisdirektor ist er der Zeremonienmeister, der mit seinem Partner Dennis den Häftlingen während einer Woche ihre wildesten Knastfantasien erfüllt. Die Gefangenen wiederum sehen die Tage und Nächte in Handschellen und Fußfesseln als Erholungsurlaub – hier können sie endlich mal richtig abschalten. Das Rollenspiel wirkt wie improvisiertes Theater, in dem der Regisseur Arwed und sein Assistent Dennis jeden Abend die Dramaturgie für den nächsten Tag in den kargen Zellen und auf den Fluren der Haftanstalt planen. Die Menschlichkeit bleibt aber auch beim Auspeitschen nicht auf der Strecke, denn die Quälenden sind sich ihrer Verantwortung gegenüber den Gefangenen auf geradezu fürsorgliche Weise bewusst, trotz der harten Gefängniswärterpose.
Aus dem Off stellt Jan Soldat seine Fragen in einem Interviewstil, der auch seine Kurzfilme prägt. (Text: Berlinale) - My Name is AnnemarieSchwarzenbach?6.5Biopic von Véronique Aubouy mit Julia Perazzini und Nina Langensand.
Annemarie Schwarzenbach war eine schillernde Figur der Bohème der Zwanzigerjahre. Die begabte Schriftstellerin war lesbisch, drogensüchtig, Globetrotterin, von betörender Androgynität und, zum Leidwesen ihrer dominanten Nazi-verehrenden Mutter, Antifaschistin. Die Berliner Fotografin Marianne Breslauer bezeichnete sie als das schönste Wesen, das ihr je begegnet sei. Schwarzenbach starb jung, mit 34. Bis Ende der Achtzigerjahre vergessen, werden ihre Bücher seither wieder gedruckt und ihre Biografie rekonstruiert.
Véronique Aubouy tut mehr, als Annemarie Schwarzenbach vor dem Vergessen zu retten. Sie holt sie in die Gegenwart. 16 junge Schauspieler und Schauspielerinnen agieren in wechselnden Rollen als Schwarzenbach und deren Freunde und Geliebte. Sie sind zunehmend fasziniert von der Sogwirkung dieser Figur. Das Oszillieren zwischen den Geschlechtern wird zu einem gemeinsamen Projekt. Was als Casting, in dem die jungen Schauspieler aufgefordert werden, ihre Biografien an die der Schriftstellerin anzudocken, beginnt, endet als Beziehungsreigen, in dem die Grenzen zwischen Realität und Inszenierung verschwimmen. (Text: Berlinale) - Jia Zhang-ke, a guy fromFenyang?41Dokumentarfilm von Walter Salles mit Zhangke Jia.
Die Regisseure Jia Zhang-ke und Walter Salles verbindet eine ähnliche Grundhaltung zum Kino. Beide stellten die Filme, mit denen sie zu Größen des internationalen Autorenkinos wurden, 1998 auf der Berlinale vor. Xiao Wu und Central do Brasil wurden an Originalschauplätzen gedreht, beide Filme handeln von sogenannten einfachen Menschen, die sich in Zeiten des Umbruchs, in der Brutalität des Alltags behaupten müssen.
Er wolle mit der Kamera die Würde dieser Menschen aufspüren, sagt Jia Zhang-ke zu Beginn von Walter Salles’ Dokumentarfilm. Gemeinsam mit seinem chinesischen Kollegen sucht Salles die Schauplätze von dessen Filmen auf und begibt sich an Orte, an denen Jia Zhang-ke groß wurde. Eine Zeitreise im doppelten Sinne beginnt. Wenn Jia Zhang-ke mit einem befreundeten Schauspieler die Straßen von Xiau Wu abschreitet, fragen die beiden sich, wo die vielen kleinen Karaoke-Läden geblieben sind, die sie als junge Männer aufgesucht haben. Dem Theater der Wanderschauspieler aus Platform fehlt mittlerweile das Dach. Jia Zhang-ke, um homem de Fenyang zeigt die Veränderungen eines Landes, aus denen das Werk eines der großen Filmemacher unserer Zeit entstand. (Text: Berlinale) - Misfits?5.82Dokumentarfilm von Jannik Splidsboel.
Tulsa, Oklahoma, ist eine Stadt im Herzen des Bible Belt mit knapp 400.000 Einwohnern, mehr als 4000 Kirchen und nur einem einzigen schwul-lesbischen Jugendzentrum. Dort treffen sich Larissa, Ben, D und andere Jugendliche, die von ihren Eltern aufgrund ihrer Entscheidung, schwul, lesbisch oder transidentisch zu leben, entweder nicht akzeptiert werden oder aber, im Gegenteil, nach ihrem Outing einen starken Familienzusammenhalt und bedingungslose Liebe zu spüren bekommen.
Fast ausschließlich als Beobachter schildert Jannik Splidsboel das Leben der drei Teenager, ihre erste große Liebe oder die Sehnsucht danach, ihr Coming-Out und ihre Zukunftsträume. Unaufgeregt, fast beiläufig, zeigt er, wie D Schritt für Schritt seine prekäre Lebenssituation verbessert und Ben von seinem Bruder lernt, sich selbst zu verteidigen. Larissa und ihre Freundin liefern eine der glitzerndsten und farbenprächtigsten lesbischen Kussszenen der Filmgeschichte. Misfits zeigt drei “normale” Jugendliche, die versuchen, in einem fundamental-religiösem Umfeld queer zu leben, ihre Geschlechterrolle zu finden, zu lieben und geliebt zu werden. (Text: Berlinale) - Sumé - The Sound of aRevolution6.86.7174Dokumentarfilm von Inuk Silis Hoegh.
Die Dokumentation Sumé – The Sound of a Revolution zeigt, wie eine Rockband den Weg zu Grönlands größerer Unabhängigkeit von Dänemark ebnete.
- Die Widerständigen „also machen wir dasweiter...“?872Dokumentarfilm von Ula Stöckl und Katrin Seybold.
In der Dokumentation Die Widerständigen “also machen wir das weiter…” erforschen Katrin Seybold und Ula Stöckl mittels Zeitzeugenberichten das Schicksal aller Beteiligten der Nazi-Widerstandsgruppe Weiße Rose.
- DykeHard5.6122Musikfilm von Bitte Andersson mit Alle Eriksson und Peggy Sands.
Die Rockband Dyke Hard steht plötzlich ohne Frontfrau da. Als sie in Geldnöte geraten, machen sie sich auf den Weg zu einem Band Contest und treffen auf eine Thaiboxerin, auf Geister, Ninjas und Dykes on Bikes.
- Ode to MyFather6.2133Drama von JK Youn mit Jung-min Hwang und Dal-su Oh.
Duk-soo und seine Familie rennen um ihr Leben. Mit anderen Flüchtlingen versuchen sie zu Beginn des Korea-Kriegs ein Schiff im Hungman Port zu erreichen, das sie von Norden in den Süden des Landes bringen soll. Als der zwölfjährige Duk-soo bei der Flucht seine kleine Schwester aus den Augen verliert, bleibt der Vater zurück, um sie zu suchen. Von nun an lastet die Verantwortung für den Rest der Familie auf den schmächtigen Schultern von Duk-soo. Mit schwerer körperlicher Arbeit hält er die Familie, die sich in Busan niederlässt, über Wasser. Später geht er als Kohlearbeiter nach Deutschland und lernt dort seine erste Liebe kennen. Doch ein Wunsch verfolgt Duk-soo sein ganzes Leben: Er möchte seine Familie wieder zusammenbringen. Über 60 Jahre hinweg verfolgt JK Youn das Schicksal von Duk-soo, das ähnlich bewegt ist wie die jüngste Geschichte seiner Heimat. Nicht aufgearbeitete Themen wie die Diskriminierung nordkoreanischer Flüchtlinge oder der gnadenlose Fortschrittsglaube während der südkoreanischen Aufbaujahre werden spürbar. Doch vor allem ist dieses Epos der Versuch einer Annäherung des jungen Regisseurs an die Vätergeneration. (Text: Berlinale)
- Paradise inService6.6122Drama von Doze Niu mit Regina Wan und Ivy Yi-Han Chen.
Pao, ein junger Mann aus Südtaiwan, wird Ende der Sechzigerjahre zur Elite-Einheit Sea Dragon eingezogen. Die Männer sind auf der Insel Kinmen vor der chinesischen Küste stationiert, die immer wieder von Maos Truppen bombardiert wird. Bald sieht sich Pao mit einem Angriff konfrontiert, bei dem nicht nur Bomben, sondern auch kommunistische Flugblätter abgeworfen werden. Da Pao weder den körperlichen noch den psychischen Anforderungen des militärischen Drills gewachsen ist, wird er in die “Einheit 831” versetzt. Der Deckname steht für Bordelle, die halboffiziell eingerichtet wurden, um die taiwanesischen Soldaten an der Front bei Laune zu halten. Pao trifft auf weibliche Häftlinge, die als Prostituierte im Einsatz sind, um so ihre zivilen Gefängnisstrafen zu verkürzen. Nach dem Thriller Monga (2010) und dem satirischen Melodram Love (2012), zwei Erfolgen, die beide im Panorama zu sehen waren, greift Doze Niu Chen-Zer nun Tabuthemen der jüngeren taiwanesischen Geschichte auf. Er zeigt die repressive Männergesellschaft des Militärs und Frauen, die in stereotypen Geschlechterrollen und Gewalthierarchien gefangen gehalten werden. Zugleich erzählt der Film eine anrührende Geschichte vom Erwachsenwerden. (Text: Berlinale)
- Mord inPacot6.26.7135Drama von Raoul Peck mit Thibault Vinçon und Alex Descas.
Im Drama Mord in Pacot muss ein haitianisches Ehepaar ihr halb zerstörtes Eigenheim an Katastrophenhelfer verpachten, um die Reparaturen bezahlen zu können.
- Out ofNature7.4172Drama von Marte Vold und Ole Giæver mit Rebekka Nystabakk und Sivert Giæver Solem.
Das Ende einer Arbeitswoche in einer norwegischen Kleinstadt. Martin, Mitte 30, imaginiert den eintönigen Alltag von Fremden hinter benachbarten Bürofenstern und nimmt sich dann selbst ins Visier. In einem Gedankenstrom kommen ihm Zweifel am eigenen Dasein. In seinem Kopf beginnt eine Reise, die ihn in die Natur zieht. Allein. Er befragt seinen kleinen Sohn nach dessen Tag, schläft mit seiner Frau, packt den Rucksack und joggt von seiner Familie weg ins Gebirge. Eine überraschende Konfrontation mit einem Jäger im unpassendsten Moment, ein unfreiwilliges Bad in einem eisigen See oder die Verwandlung in einen Adler: Martin schöpft aus seiner imaginären Expedition immer neue Impulse, um sich schonungslos, aber humorvoll seinen Ängsten, Träumen, neurotischen Störungen und sexuellen Wünschen zu stellen. Wie geht das: am eigenen Leben teilhaben, als Sohn, Partner und Vater? Wie in seinem Debüt-Film Fjellet (Panorama 2011) lässt Ole Giæver die Bergwelt zum physischen und emotionalen Kraftfeld blanker Existenz und neuer Perspektiven werden. Dabei spielt er den Martin selbst – liebevoll und entwaffnend komisch. (Text: Berlinale)
- Daniel’sWorld?4Dokumentarfilm von Veronika Liskova.
Daniel, ein 25-jähriger Literaturstudent, liegt in der Badewanne. Aus dem Off ertönt seine Stimme: „Ich war noch nie mit einem Jungen oder Mädchen zusammen, trotzdem kann ich mich über einen Mangel an Liebe in meinem Leben nicht beklagen.” Doch wie ist es für einen jungen Mann, wenn sich diese Liebe auf kleine Jungen richtet, sein Begehren nie ausgelebt, sich nur auf sexuelle Fantasien beschränken kann oder medikamentös unterdrückt werden muss? Der Film begleitet Daniel bei seinem Kampf um Selbstakzeptanz und der hoffnungslosen Suche nach einem Freund. Über schlichten, wohlkomponierten Bildern, die Daniel beim Frisör, beim Schlittschuhlaufen, beim Gassi gehen mit dem Hund der Mutter zeigen, liegt immer seine Off-Stimme, die selbstreflektierend zu klären versucht, wie er mit seinem Coming-out und seinen unerfüllbaren Sehnsüchten umgehen und ein erfülltes Leben führen kann. Da sie weder die Stimme ihres Protagonisten verfremden, noch sein Gesicht unkenntlich machen wollte, entschied sich Veronika Lišková nach Treffen mit mehr als 20 pädophilen Männern für Daniel, dem wohl bewusst ist, wie angreifbar er sich macht, der aber trotzdem ungewöhnlich offen mit seiner Prägung umgeht. (Text: Berlinale)
- The NewMan?3Dokumentarfilm von Aldo Garay.
Schon als zwölfjähriger Junge kämpfte Roberto als Anhänger der Sandinistischen Revolution in Nicaragua für Bildung und soziale Reformen. Seinen politischen Kampf setzte er an der Seite der kommunistischen Tupamaros in Uruguay fort. Dreißig Jahre später kämpft er dafür, als Stephanía, als Frau, leben zu können und ringt um die Anerkennung durch Gesellschaft und Familie. Der Dokumentarfilmer Aldo Garay begleitet Stephanía seit mehr als zwanzig Jahren und präsentiert mit El Hombre Nuevo das persönliche und liebevolle Porträt einer Frau, die auf ein bewegtes Leben zwischen Gewalt, Drogen, Prostitution und politischem Einsatz zurückblicken kann. Szenen aus ihrem Alltag werden mit Interviewaufnahmen unterschnitten, darunter auch Gespräche mit alten Bekannten, Weggefährten und Geschwistern sowie eine sehr leidenschaftliche Unterhaltung mit ihrer Mutter. So entsteht ein gleichermaßen vielschichtiges und intimes Bild der Gesellschaft zur Zeit der politischen Umbrüche in den Siebzigerjahren bis heute. (Text: Berlinale)
- Stories of OurLives6.391Drama von Jim Chuchu mit Kelly Gichohi und Tim Mutungi.
Mehrere Monate zogen Mitglieder des multidisziplinären Kunst Kollektives The NEST durch Kenia und sammelten Geschichten von jungen LGBTI Menschen, von ihren Erfahrungen und ihrem Alltag in dem noch sehr homophob geprägten Land. Aus unzähligen anonymen Interviews entwickelten sie fünf Drehbücher für Kurzfilme, die einen Überblick über die gegenwärtige Situation und die Probleme der sexuell marginalisierten Jugendlichen liefern. In kurzen, schnörkellosen Szenen, klaren, poetischen Schwarz-Weiß-Bildern und ruhigen Tönen inszenierte Jim Chuchu die Episoden, die so unterschiedliche Themen wie Selbstfindung und Selbstbestimmung, Zwangsheterosexualisierung und Akzeptanz behandeln, eines jedoch gemeinsam haben: Alle erzählen vom Verlangen nach Liebe und der Angst davor, diese öffentlich zu leben. Eine Angst, die immer wieder zu der Frage führt, ob es besser ist, sich zu verstecken, zu resignieren und das Land zu verlassen oder zu bleiben und offen für sexuelle Vielfalt zu kämpfen. Trotz des Verbots, ihren Film in Kenia öffentlich zu zeigen, haben sich die The NEST-Mitglieder für Letzteres entschieden und führen den Kampf um Anerkennung weiter. (Text: Berlinale)
- Chorus7.7242Drama von François Delisle mit Pierre Curzi und Fanny Mallette.
Im Schwarz-Weiß-Film Chorus versuchen zwei Menschen auf unterschiedliche Weise mit dem gleichen Schicksal umzugehen.