Wir schauen True Detective - Staffel 1, Folge 3

28.01.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
True Detective
HBO
True Detective
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Meine Bitte von letzter Woche, True Detective möge doch einen Gang hochschalten, wurde diese Woche erhört. Rust und Marty kommen dem mutmaßlichen Mörder ein ganzes Stück näher und sinnieren über Glauben und Identität.

The Locked Room, so der Name der dritten Folge von True Detective, ist laut Rust Cohle (Matthew McConaughey) der menschliche Verstand. Ein verschlossener Raum, der sich seine Wirklichkeit selbst erschafft. Und damit sind wir nur am Anfang der philosophischen, fast schon meta-realistischen Ausschweifungen von Rust Cohle. Die dritte Folge ist eine großartige Auslotung der charakterlichen Unterschiede zwischen Martin Hart (Woody Harrelson) und Rust Cohle, und ein willkommener Fortschritt im Fall Dora Lange.

Von Glaube und Verleugnung
Die Symbole, die Rust und Marty letzte Woche an den Wänden einer heruntergekommenen Kirche gefunden haben, führen die Detektive zu einer Wanderkirche. Die überschwängliche Predigt des Pfarrers und die begeisterten Gemeindemitglieder bedienen sofort das gängige Klischee von gottesfürchtigen Südstaaten-Amerikanern. Auch Rust meint, die Scheinheiligkeit von Religion und Kirche sofort durchschaut zu haben. Marty und Rust geraten in eine Diskussion darüber, was passieren würde, gebe es keine Religion. Jedweder moralischer Instanz befreit, würde die Hölle auf Erden losbrechen, ist sich Marty sicher. Ausdruckslos wie immer schiebt Rust hinterher: “If the only thing keeping a person decent is the expectation of divine reward then, brother, that person is a piece of shit and I’d like to get as many of them out in the open as possible.” Diese Aussage könnte auch als Metapher für Martys aktuelle Lebenssituation herhalten.

So sehr wie die Religion die Menschen vor ihrer eigenen Verkommenheit schützt, so sehr hängt Martys geistige Gesundheit vom Intaktbleiben seiner Familie ab. So sehen wir die schiere Angst in den Augen von Martin Hart, als er Rust in seinem Haus vorfindet. Er hatte sich angeboten, den Rasen zu mähen, was Marty dazu veranlasste, ihm klar zu machen, dass nur er seinen eigenen Rasen mähen darf. Dass es hier nicht ums Rasenmähen geht, sondern Marty es nicht gern sieht, dass Rust mit seiner Frau redet, steht ihm ins Gesicht geschrieben. Die Scheinheiligkeit seiner Angst wird später deutlich, als Maggie und Marty Rust zu einer Tanzveranstaltung mitnehmen, die sich als Blind Date für Rust herausstellt. Als Marty seine Affäre Lisa mit einem anderen Mann entdeckt, kocht in ihm die Eifersucht hoch. Später hämmert er wutentbrannt an ihrer Tür und geht auf Lisas Date los. Er muss sich selbst stoppen. “I’m not a psycho”, sagt er. Eingerahmt wird diese Szene von Aussagen, die er 2012 traf. Abermals betont er die Wichtigkeit, eine Familie zu haben. Familie würde einem Mann Grenzen aufzeigen. Wir haben es mit einem Mann zu tun, dem es schwer fällt, seinem eigenen Moralkodex zu folgen. Marty ist im Endeffekt genauso (selbst-)zerstörerisch wie Rust in seiner Unangepasstheit und sozialen Inkompetenz. Denn wo Rust wenigstens ehrlich mit seinen Leichen im Keller umgeht, ist Marty noch nicht bereit, sich einzugestehen, dass auch er gebrochen ist. In seinem Inneren ist es nicht annähernd so aufgeräumt, wie er es unermüdlich predigt.

Derweil muss Marty mit familiären Problemen ganz anderer Art umgehen. Eine seiner kleinen Töchter hat sexuelle Handlungen zwischen verschiedenen Menschen gezeichnet. Die Frage nach dem Warum wird von Marty schnell als Suchen nach Aufmerksamkeit abgetan. Viel lieber würde er das Basketballspiel gucken, als sich mit den Zeichnungen seiner Tochter auseinanderzusetzen. Maggie macht sich mehr Sorgen und spricht die derzeitige Verschlossenheit ihrer Tochter an. Sie würde darunter leiden, dass ihr Vater nie zu Hause ist. Die Arbeit als Ursache aller Probleme vorzuschieben, reicht nun nicht mehr. Beide wissen, dass das auch nicht die ganze Wahrheit ist. Marty kommt zusehends ins Rudern. Lange kann er sein Lügenkonstrukt nicht mehr tragen, aber zugeben kann er seine Eskapade auch nicht. “I think I’m all fucked up”, gesteht er mit zitternder Stimme. Diesmal glaube ich ihm, dass er es ernst meint.

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