Westworld - Wir blicken auf die 1. Staffel, 2. Folge im Recap

11.10.2016 - 10:30 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Westworld: Die Spielzeuge werden verteilt.HBO/Sky
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Chestnut, die 2. Episode von Westworld, setzt die stringente und nachdenkliche Arbeit des Piloten fort. Im Vergnügungspark breitet sich mit dem wachsenden Bewusstsein der Roboter auch das Chaos aus.

Das erste Glied seiner perversen Schöpfungslogik schmiedet Westworld in seinem Intro, das einem teuren BMW-Werbespot gleicht. Darin werden mit unmenschlicher Präzision Körper versponnen, aus flüssigem Plastik, Silikon, Plasma, Gummi oder irgendeinem anderen himmlischen Stoff. Der ist - wahrscheinlich - weich, warm, nachgiebig und irgendwie lebendig und die, die in benutzen, sind Hexen. „The problem, Bernard, is that what you and I do is so complicated. We practice witchcraft. We speak the right words. Then we create life itself... out of chaos“, sagt Park-Schöpfer Ford (Anthony Hopkins), dem der verheerende Irrtum, der ihm hier unterläuft, sicher nicht entgangen ist. Denn mit der Erschaffung von Leben fängt das Chaos ja erst an. Wir erinnern uns an Fords Evolutionsvergleich aus dem Piloten. Mensch baut Maschine baut Maschine bedient Maschine dient dem Menschen. Das letzte Glied löst sich nun allmählich von seiner Schöpfungskette, droht gar, sich ins Gegenteil zu verkehren. So weiter gedacht, steht am Ende der sich auflösenden bestehenden Ordnung zwangsläufig die Revolution. Noch aber dient dieses komplexe Chaos dem endlosen Vergnügen, das simulierte Leben dem puren Erleben.

Die Westworld mangels passenderen Vokabulars allseits zugewiesene Bezeichnung Vergnügungspark indes wirkt bei dem, was darin so abgeht, wie ein großer Euphemismus. Für seine vorwiegend erwachsenen Gäste ist Westworld Lasertag-Halle, Bordell, Themenpark und Abenteuerurlaub in einem. „Now that's a fucking vacation!“, frohlockt ein sympathischer Gast und knallt im Saloon mal so eben unseren guten alten Teddy (James Marsden) ab. Nee, Familienspaß steht hier so ziemlich an letzter Stelle. Beim ersten Mal kommen Männer noch mit ihren Familien her, beim zweiten Mal ist das Vergnügen privater, und die Männer verschwörerischer, weiter von sich entfernt oder mehr sie selbst. Westworld ist ein bisschen wie das Internet: Es entlockt, nein weckt dunkle Bedürfnisse.

Jimmi wird willkommen geheißen

„Where we are going, shes a two“, kommentiert Kumpel No.1 den Abgang einer umwerfenden Stewardess, während die Kamera sich selbst davon überzeugt und den weiblichen Blick über die davonschreitende Silhouette fährt. So eine Skala reicht für gewöhnlich von 1 bis 10, sei hier bemerkt. „You're being an Asshole“, findet William (Jimmi Simpson), dem wir den Rest der Episode durch seine erste Westworld-Experience folgen. „No, I am being myself. Which was the whole point of this trip“, entgegnet sein Kumpel. Wir sind in der Bahn nach Westworld, diesmal jedoch nicht in einer ratternden, bummelnden, dampfbetriebenen, sondern in einem Hochgeschwindigkeitszug, der durch einen dunklen Tunnel in die Spielwelt einfährt.

In Westworld angekommen, wird Williams Moral sogleich auf die Probe gestellt: Das ist, was Westworld mit dir macht. „How far you want to go is entirely up to you“, wird William der Geist der Welt von einer Frau erklärt, die sich ihm bei der ersten Gelegenheit anbietet, mit allem, was sie hat, denn dafür sind sie ja hier, die Hosts.

Host: "You want to ask, so ask."
William: "Are you real?"
Host: "Well, if you can't tell, does it matter?"

Westworld, das fällt in der 2. Episode auf, elaboriert und verzerrt bisweilen das englische Wort „real“. Sehr oft wird es von den Figuren verwendet, um einen Zustand zu beschreiben, meist unterscheidet sich die Bedeutung geringfügig von der vorherigen. Real = wirklich, echt, eigentlich, wahr. Reality ≠ Wirklichkeit. Die Entwickler und Programmierer sind für die bestmögliche Ausfüllung des Verständnisses von Reality zuständig. Aber bedienen sie dabei das Vergnügen, die Unterhaltung? Oder verwenden sie sich für ein Ideal, das bestmögliche menschliche Selbstbildnis?

Die Serie muss ihre Dynamik zügeln, ihre Gedankenspiele kontrollieren. Ihre erzählerische Mechanik gleicht immer mehr einem im Zeitlupe gefilmten Wasserfall. Westworld sucht sein grüblerisches Wohl weiter in einer sorgfältig konstruierten multiperspektivischen Erzählung. Mühelos gelingt stets der Schwenk zwischen den verschiedenen Strängen. Bernard (Jeffrey Wright) und Elsie ( Shannon Woodward ) zum Beispiel gehen den Vorfällen aus der letzten Episode auf den Grund. War der Abernathy-Vorfall eine Ausnahme? Wurde er tatsächlich von dem Foto ausgelöst? Und wenn nicht, ist das, was ihm fehlt, irgendwie ansteckend? Nein. Eher nicht. Ja.

Dolores (Evan Rachel Wood) etwa erinnert sich wieder an etwas. Das Massaker von Harlan Bell (Rodrigo Santoro) erscheint vor ihrem geistigen Auge. „These violent delights have violent ends", flüstert sie daraufhin Maeve (Thandie Newton) zu, wie ihr Vater es einst ihr zuflüsterte. Maeve (angesteckt?) indes erinnert sich, als sie sich vor einem Gast an einen ihrer üblichen moralischen Leitsprüche erinnern will, stattdessen an ein traumatisches Erlebnis, das eigentlich verborgen bleiben sollte. Sie ist bemüht, Fassung und Würde zu bewahren. Aber der Gast „will sie nicht ficken“, ergo stimmt irgendwas nicht. Maeve wird untersucht.

Bernard verschweigt seiner Chefin Theresa (Sidse Babett Knudsen) derweil die anhaltenden Unregelmäßigkeiten und sein geheimes Date mit Dolores sowieso. Er ist fasziniert von ihrer Komplexität, ihren Details, Theresa von selbigem genervt. Die Hosts würden immerzu reden, beschwert sie sich bei Bernard, mit dem sie sich auch privat trifft.

Die Roboter unterhalten sich tatsächlich ständig, tun dies jedoch von Mensch zu Mensch, nicht von Roboter zu Roboter. Sie hören nicht auf, Menschen zu sein, wenn die Gäste nicht in der Nähe sind. Und sie träumen, meist Alpträume. Maeve träumt von einem früheren Leben, das mit einem Alptraum endete. Aber sie hat einen Trick. Sie zählt von drei Rückwärts und wacht auf. Diesmal erwacht sie aus dem Schlafmodus auf einem Operationstisch mit offenem Bauch, ein wahrer Alptraum. Sekunden später bedroht sie die verdutzten Konstrukteure mit einem Skalpell und erkundet die heiligen Hallen der Westworld von innen, kommt der Sonne zu nahe. Die Hosts tun, während ihre Erschaffer denken, sie würden schlafen, mittlerweile viel mehr als nur träumen und sich unterhalten. Dolores zum Beispiel hat eine Waffe versteckt. Das erschaffene Leben lässt sich nicht kontrollieren.

That's what I love about this place... all the secrets, all the little things I never noticed even after all these years. You know why this beats the real world, Lawrence? Real world is just chaos. It's an accident. But in here, every detail adds up to something.

Das sagt der Man in Black (Ed Harris) zu einem neuen unfreiwilligen Gefährten. Wir haben das in der letzten Episode bereits festgestellt: Der Man in Black ist wohl die einzige Figur, die die Westworld versteht. Nur in wenig, wenn überhaupt, steht ihm Ford nach, der Westworld über ihre Gäste analysiert und vom Man in Black in seiner Annahme bestätigt wird, die da lautet:

The guests don't return for the obvious things we do, the garish things. They come back because of the subtleties, the details.

Chaos, das sind Details, sich verschiebende, verknüpfende, unberechenbare Details, Atome, Leben. Wie sich das bewusste Leben im Park ausbreitet, breitet sich auch das Chaos aus.

Dr. Robert Ford hindert den Park am triebhaften Ausufern ins reine teuflische Vergnügen, dem Spektakel, dem Showrunner Sizemore (Simon Quarterman) nachstrebt. Er will Tiefgründigkeit, er will diese Details. Das Publikum indes, das ist zwiegespalten. Von den zwei Gästen vom Anfang geht der eine den Verlockungen des Parks nach, massakriert und rammelt sich durch die Hurenhäuser. William jedoch bricht in Dolores' Story-Arc ein, liest die ihr entfallene schicksalhafte Dose auf und reicht sie ihr, wie es Teddy sonst getan hätte, der aber im Saloon gestorben ist. Und Dolores schaut ihn, William, genauso an, wie sie Teddy angesehen hatte, ihren Teddy, ihre verloren geglaubte Liebe. Für sie ist es real, wahr, echt und für William auch.

Alle Recaps zur 1. Staffel von Westworld:

1. Staffel, 1. Folge - The Original

Westworld wird derzeit bei HBO in den USA ausgestrahlt und ist in Deutschland bei Sky Go und Sky Ticket verfügbar. Wir begleiten die 10 Episoden mit wöchentlichen Recaps.

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