Larry David hat mit Seinfeld wohl die erfolgreichste und einflussreichste Sitcom der letzten dreißig Jahre erschaffen, geschrieben und produziert. Außer vielleicht Friends, kann keine Serie Seinfeld das Wasser reichen. Viele Komiker haben Schwierigkeiten, einen solchen langwierigen Erfolg zu wiederholen. Für Larry David kam es fast wie von selbst. Nach einer kurzen Pause wollte der New Yorker zurück in Stand-up-Szene einsteigen. Als ein Fernsehsender ihm anbot, sein Comeback zu dokumentieren, hatte David ein Problem: Er fand sein Leben zu langweilig. Also dachte er sich eine komplizierte Geschichte aus und engagierte Schauspieler, um seine Ehefrau und seinen Manager zu spielen. Das Resultat war deutlich lustiger als sein Bühnenprogramm und wurde prompt zur Serie. Lass es, Larry! (oder Curb Your Enthousiasm, wie es im Original heißt) war geboren.
Das Konzept, das in Deutschland übrigens von Bastian Pastewka ausgeliehen wurde, ist einfach: Larry David spielt eine Version von sich selbst, umgeben von Schauspielern, die seine Familie und Freunde spielen. Drehbücher im traditionellen Sinn gibt es keine. Die Schauspieler erhalten lediglich eine grobe Umschreibung der Handlung von David. Manchmal wissen sie auch nur, was ihre Figur in dem Moment auch weiß. Die Dialoge werden dann komplett vor laufender Kamera improvisiert. Diese Herangehensweise kann oft zu sinnlosem Geschwafel und zu Obszönitätwettbewerben führen, doch bei Curb funktioniert es makellos. Der Grund hierfür ist das eingespielte Team vor der Kamera: Larry David, Cheryl Hines, Jeff Garlin und Susie Essman sind alle vier großartige Komiker, die wunderbar kollaborieren. Es scheint ein vertrautes Verständnis zwischen den Schauspielern zu geben. David lädt oft seine wirklichen Freunde (Richard Lewis, Ted Danson) als Gaststars ein, was dies weiter verstärkt.
Jede Episode verläuft nach dem gleichen Prinzip: Larry geht seinen alltäglichen Aktivitäten nach, bis die Situation kippt und alle wütend auf ihn sind. In der Regel endet eine Folge in lautem Geschrei und kreativen Beleidigungen. Meistens ist es seine eigene Schuld, denn Larry kann den Mund einfach nicht halten. Wenn er mit etwas nicht einverstanden ist, dann sagt er seine Meinung ohne Rücksicht auf andere. Oft benimmt er sich wie ein unhöfliches Arschloch, oft äußert er aber auch nur, was all denken und zu feige sind zu sagen.
Die Serie läuft auf HBO, was Larry David die Freiheit gibt, jedes noch so heikle Thema anzupacken. Der Wahnsinn der Political Correctness und die Interaktionen zwischen Menschen in unserer Gesellschaft sind seine Lieblingsthemen. Er hat ein besonderes Gespür für die Feinheiten der jüdischen Gemeinde und des Showbiz-Lifestyles von Los Angeles, was zu selbstironischen, satirischen Momenten führt. Kein anderer bringt es fertig, einen Streit um die Anzahl an Nüssen in einer Packung Studentenfutter mit David Schwimmer über mehrere Episoden hinauszuziehen. Diese banalen Angelegenheiten werden mit eigentlich ernsten Themen kombiniert. In einer Folge wird David von einer Ex als moralischer Beistand zu einer Inzest-Selbsthilfegruppe geschleppt. Die greifbare Verlegenheit, als er den entsetzlichen Erzählungen der Opfer zuhört, ist auf dem Papier nicht witzig, funktioniert aber irgendwie trotzdem. Inzest, Holocaust oder Pädophilie; kein Thema kann nicht auf irgendeine Art und Weise lustig sein. Ein besonderes Highlight ist ein Gastauftritt von Michael J. Fox, der sich selbst und seine Krankheit auf die Schippe nimmt.
Eine weitere Särke der Serie ist ihre Fähigkeit, sich selbst neu zu erfinden, ohne ihren ursprünglichen Reiz zu verlieren. In der sechsten Staffel schließt sich J.B. Smoove der Besetzung an und bietet einen anderen Rhythmus, mit dem David spielen kann. Die gesamte siebte Staffel dreht sich in einer Meta-Handlung darum, die Originalbesetzung von Seinfeld wiederzuvereinigen, was die Fan-Herzen höher springen ließ. Wiederholungen gibt es kaum.
So schaffte es die Serie, über bislang acht Staffeln und achtzig Episoden immer frisch und lustig zu bleiben. Subtile Beobachtungen über das menschliche Verhalten und Gesellschaftskritik werden effektiv mit bunten oder einfach nur lauten Beleidigungen kombiniert. Es gibt kaum einen schöneren Anblick als eine verbitterte Susie Essman, die lauthals einen verwirrten Larry David anschreit. Das Hoffen auf eine mögliche neunte Staffel dauert mittlerweile seit drei Jahren an, während Larry David über neue Ideen grübelt.
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