Nach Chernobyl: Sky-Serie Catherine the Great hat null Bock auf Geschichte

25.10.2019 - 15:15 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Catherine the Great mit Helen Mirren
HBO Entertainment
Catherine the Great mit Helen Mirren
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Ab heute zeigt Sky in der Miniserie Catherine the Great das Leben von Katharina II. Dabei fokussiert sich der Vierteiler leider aber fast nur an dem Liebesleben der mächtigen russischen Zarin.

Nach dem überraschenden Serien-Hit Chernobyl über die Nuklearkatastrophe von 1986 gehen HBO und Sky mit der neuen Miniserie Catherine the Great noch weiter zurück in die Vergangenheit. Sie widmen sich der Zeit ab 1762, als Katharina die Große, gespielt von Helen Mirren, ihre turbulente Regentschaft in Russland beginnt.

Catherine the Great wird Katharina II. nicht gerecht

Katharina die Große heißt eigentlich Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst und wurde 1729 in der deutschen Stadt Stettin geboren, bevor sie mit 14 Jahren nach Russland ging und dort nach dem "mysteriösen Tod" ihres Gatten Petter III. an die Macht kam.

Die Tatsache, dass sie als Frau so viel Macht besaß, fortschrittlich an Menschenrechten interessiert war und trotz Intrigen und Kriegen das russische Reich vergrößerte, macht sie zu einer interessanten Figur.

Catherine the Great: Jason Clarke (Potemkin) und Helen Mirren (Katharina II.)

Sie beeinflusste zum Beispiel nicht nur die russische Geschichte maßgeblich, sondern prägte vor allem auch das Leben vieler Deutscher, die nach ihrem "Einladungsmanifest" von 1763 in das russische Reich kamen. Deren Nachfahren kennen wir heute als Russlanddeutsche oder Aussiedler.

Das alles wird in Catherine the Great leider nur tangiert oder nicht thematisiert. Ihre Rede über Sklaverei zu Beginn der ersten Folge wirkt vielversprechend und der Zuschauer könnte meinen, die Zarin mit der Serie besser kennenlernen zu können, doch mit dem Zusammentreffen mit Gregory Potemkin (Jason Clarke) ändert sich der Fokus.

Catherine the Great: Der Titel der Serie ist irreführend

Spätestens ab der zweiten Episode stehen bei Catherine the Great die Liebschaften von Katharina II. im Mittelpunkt - allem voran ihre Liebe zu Potemkin. Der russischen Kaiserin wird zwar hintergesagt, sie habe ihre sexuelle Lust offen ausgelebt, doch bei einer vierteiligen Miniserie über eine so mächtige und interessante Frau, wirkt der Fokus auf das Liebesleben belanglos.

Helen Mirren und Jason Clarke in Catherine the Great

Dem Offizier und Liebhaber Potemkin wird im Vierteiler fast genauso viel Zeit eingeräumt wie der Kaiserin, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass die Macher vor allem ihr Liebesleben beleuchten. Das ist an sich kein Problem und sicherlich ein interessanter Aspekt aus dem Leben der Frau. Allerdings lässt der Titel der Serie das nicht vermuten.

Politische Entscheidungen und die Führungsmentalität der Kaiserin kommen leider zu kurz. Was nach der Miniserie im Gedächtnis bleibt, ist fast ausschließlich ihre Liebe zu Potemkin. Der Titel der Serie hätte der Richtigkeit halber daher eher heißen müssen: Katharina die Große und ihre Liebe zu Gregory Potemkin. Die Darstellung des königlichen Techtelmechtels ist immerhin gut inszeniert. Als ausschließliches Liebesdrama wäre der Vierteiler besser aufgehoben.

Catherine the Great schöpft Potential von Nebenfiguren nicht aus

Eine interessante Nebenfigur ist Gräfin Praskovya Bruce, die fantastisch von Gina McKee verkörpert wird. Sie ist die Vertraute von Katharina II. und "gute Freundin" von Potemkin, mit dem sie spaßeshalber gern ins Bett hüpft. Sie erkennt außerdem, dass die beiden einander viel bedeuten.

Helen Mirren als Katharina II. in Catherine the Great

Doch leider wird ihr viel zu wenig Zeit eingeräumt, was eine furchtbare Verschwendung ist - nicht nur für die Geschichte, sondern auch für die Schauspielerin, die mit ihren Augen zeigen kann, was sie denkt. Dabei ist sie eine der wenigen Figuren mit einer interessanten Beziehung zu Katharina II.

Auch die sehr unterkühlte Beziehung zu Sohn Paul (Kevin McNally) ist durchaus bedeutend und wird in der Serie neben Potemkin am häufigsten thematisiert. Gerne hätte sie in der Serie noch mehr Raum einnehmen dürfen.

Neue Sky-Serie: Schwierig für Geschichtsunwissende

In den ersten beiden Folgen geschieht eine kleine Einordnung in die Zeit. So erfahren auch Zuschauer, die sich in diesem Teil der Geschichte nicht auskennen, die wichtigen Ausgangspunkte. Dies ist ein wundervoller und nötiger Anfang, um Zuschauer mit und ohne geschichtlichem Vorwissen ansatzweise auf ein Level zu bringen.

Katharina die Große (Helen Mirren) hält eine Rede.

Leider könnten sich Unwissende spätestens ab der dritten Episode verloren fühlen, da ihr keine zeitliche Einordung vorangeht. Wer nicht weiß, wann zum Beispiel die russisch-türkischen Kriege waren, schwebt irgendwo im Nirgendwo. Das macht die Handlung, deren Fokus ohnehin auf dem Wechselspiel der Liebe zwischen Katharina II. und Potemkin liegt, langatmig.

Fantastische Kostüme und Schauplätze

Ein großes Plus der Serie sind die Schauplätze und die Kostüme. Prächtig, farbenfroh und eindrucksvoll sind beide Komponenten ein Genuss für die Augen. Besonders hervorzuheben ist die Melodie am Ende der dritten Folge, die etwas majestätisch Russisches besitzt und daran erinnert, dass sie im russischen Reich spielt. Von ähnlichen Einspielern hätte der Vierteiler sicherlich profitiert.

Helen Mirren als Catherine the Great

Helen Mirren, die in Die Queen bereits in die Rolle von Elisabeth II. geschlüpft ist, verkörpert Katharina II. mit einer beeindruckenden Stärke. Sie ist fähig, die Unsicherheit der Zarin in ihren Augen darzustellen, die jene bei Auseinandersetzungen mit Ministern versteckt.

Große Highlights sind auch die bereits erwähnten Gina McKee und Jason Clarke, der Potemkin in unterschiedlichen Lebensstadien authentisch darstellt: ob verunsichert, verliebt, energisch oder kraftlos.

Hier könnt ihr Catherine the Great sehen:
  • Die 4 Episoden von Catherine the Great gibt es seit dem 24. Oktober 2019 bei Sky Ticket  zu sehen.

Doch trotz guter Darbietungen und großartiger Ausstattung überzeugt die Serie letztendlich nicht. Sie bleibt bei der Darstellung einer so interessanten Frau nur oberflächlich. Zumindest Zuschauer, die mehr sehen wollen, als die Liebschaften von Katharina der Großen, könnten daher enttäuscht sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie daher vermutlich nicht an den Erfolg von Chernobyl anknüpfen können.

Der Seriencheck basiert auf allen vier Episoden von Catherine the Great.

Neu: Hört die besten Streaming-Tipps im Moviepilot-Podcast

In der allerersten Folge unseres Moviepilot-Podcasts Streamgestöber knöpfen sich Andrea, Jenny und Patrick El Camino: Ein Breaking Bad-Film bei Netflix und Fleabag bei Amazon Prime vor.

Werdet ihr euch die Serie ansehen? Wie findet ihr Catherine the Great?

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