Mein Top-Film 2012 - Drive

01.01.2013 - 10:03 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
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Den Platz meines Top-Film des Jahres hat 2012 das jüngste Meisterwerk von Nicolas Winding Refn inne. Mit unheimlicher Präzision entlässt der Regisseur Ryan Gosling in einen atmosphärisch dichten Thriller, der zum überwältigendem Kunstwerk mutiert.

Ehrlich gesagt: Ein bisschen Hype ist immer dabei. Nach zahlreichen Vorschusslorbeeren, unter anderem durch die überragende Resonanz bei der Weltpremiere in Cannes 2011, war auch ich gespannt wie ein Regenschirm, was tatsächlich hinter dem als Drive betitelten Film von Nicolas Winding Refn steckte. Mir war die Literaturvorlage völlig unbekannt und vom Regisseur selbst, hatte ich zu diesem Zeitpunkt nur den psychedelischen Fiebertraum Walhalla Rising mit einem brachialen Mads Mikkelsen erlebt. Doch was kann Ryan Gosling hinter dem Steuer eines Wagens? Das Resultat war genau so hypnotisierend wie elektrisierend und folglich steht Drive – auch nach der Zweitsichtung – auf dem ersten Platz meiner persönlichen Filmliste mit deutschem Kinostart 2012.

Nacht. Das Stadtbild entwirft den Eindruck, als wäre die Zeit angehalten worden. Obwohl sich ein ruhiger, faszinierender Schleier über das Geschehen gelegt hat, dominiert eine angespannte Atmosphäre die ersten Minuten von Drive. Dieser Tatsache völlig entgegengesetzt, wartet Ryan Gosling als Driver völlig emotionslos und entspannt hinter dem Lenkrat seines Wagens. Die Uhr tickt. In diesem Moment kommt einer der zwei Räuber ins Vehikel gestürmt – keuchend auf einen weiteren Komplizen wartend. Die Uhr tickt weiter. Im letzten Augenblick vervollständigt sich die Anzahl der Fahrgäste und ohne mit der Wimper zu zucken, kommt der Driver seinem Engagement als Fluchtwagenfahrer nach. Getrieben vom fesselnden Tick of the Clock steuert er sein Gefährt sowie die Fracht sicher und unerkannt durch die Straßen, bewahrt dabei einen kühlen Kopf und gelangt dank kalkulierter Route und routinierter Situationsanalyse ohne Kollateralschäden an das vereinbarte Ziel.

Schon mit dieser Eröffnungssequenz hat mich Drive komplett gefangen genommen. Die unglaublich präzise Inszenierung seitens Nicolas Winding Refn ermöglicht den unmittelbaren Einsteig in die Intensität des Gezeigten. Jede Einstellung scheint wohl überlegt zu sein und während im Spiel mit Licht, Farben und Schatten ein stylishes sowie wunderschönes Kunstwerk entsteht, versucht ein Moment den nächsten mit einer Flut ausgearbeiter Details zu übertreffen. Logischerweise gelingt das nicht immer – im späteren Verlauf hat Nicolas Winding Refn trotzdem noch eine Meisterleistung aufgespart: Das ausufernd kontrollierte Spektakel im Fahrstuhl zwischen Ryan Gosling, Carey Mulligan und dem ungebetenen Gast.

Die undurchdringbaren Türen des Aufzugs schließen sich. Anschließend befinden sich die drei genannten Figuren im abgeschotteten Raum und für eine Sekunde scheint alles stillzustehen. Dann entsteht ein Augenblick der absoluten Zärtlichkeit und gleich darauf wirbelt rohe Gewalt den emotionalen Eindruck vollständig durcheinander. Die Pure Schönheit bricht mit jedem weiteren Pulsschlag in sich zusammen, baut sich aber gleichzeitig mit jedem weiteren Atemzug erneut auf. Ein einmaliges Kinoerlebnis und einer – wenn nicht sogar der – mitreißendste Moment, den ich dieses Jahr auf der großen Leinwand erleben durfte. Diese inszenatorische Kraft, das dynamische Zusammenspiel nicht nur gegensätzlicher, sondern im Grunde auch unvereinbarer Elemente, hat tatsächlich einen prägenden Eindruck hinterlassen.

Am Ende ist es der kühle, starre Blick in die Ferne, der die unkonventionelle Odyssee eines echten Helden ebenbürtig zum Abschluss bringt. Doch was ist Drive nun? Ein überragender Genre-Film, der gelungene Verschnitt aus Arthouse und B-Movies oder einfach nur eine wohl formulierte Hommage an Neo-Noir-Filme der 1980er Jahre? Die Antwort ist vermutlich die perfekte Symbiose aus all diesen aufgezählten Elementen, die durch die atemraubende Inszenierung von Nicolas Winding Refn wahre Größe erhält und somit nicht umsonst als moderner Klassiker ein kleines Stück Filmgeschichte geschrieben hat. Wie bereits einleitend erwähnt, hat mich Drive auch beim zweiten Mal überrumpelt – obwohl ich nicht noch einmal mit einer solchen intensiven Erfahrung gerechnet habe.

Meine Top 7 des Jahres 2012
Platz 1: Drive von Nicolas Winding Refn
Platz 2: Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger von Ang Lee
Platz 3: Hugo Cabret von Martin Scorsese
Platz 4: Dame König As Spion von Tomas Alfredson
Platz 5: Das Turiner Pferd von Béla Tarr
Platz 6: Looper von Rian Johnson
Platz 7: James Bond 007 – Skyfall von Sam Mendes
(Platz 8: Marvel’s The Avengers von Joss Whedon)
(Platz 9: Anna Karenina von Joe Wright)
(Platz 10: Haywire von Steven Soderbergh)

Ehrennennung für Paper Man & The Perks of Being a Wallflower!

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