Ich, Die Brücke und meine Heimatstadt

29.09.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Die Brücke
Arthaus Kinowelt
Die Brücke
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Heute möchte ich mich einem Klassiker widmen, dem ich einerseits so nah bin wie sonst kaum einem Film und der mich bei jeder Sichtung aufs Neue erschüttert. Die Brücke ist bis heute einer der beeindruckendsten Anti-Kriegsfilme der deutschen Geschichte.

Die am Fluss Regen erbaute Stadt Cham im bayerischen Wald diente 1959 in der Nachkriegszeit als Drehort für den unvergessenen Anti-Kriegsfilm Die Brücke. Cham, bei Regensburg, ist gleichzeitig meine Heimatstadt und so konnte ich den Film schon früh und auch einfacher in ein reales Umfeld einordnen. Im Gegensatz zu einer Stadt wie Berlin ist es für Cham ein großes Privileg, als Repräsentant des deutschen filmischen Kulturguts international wahrgenommen zu werden. Heute steht der Film in den Arthaus-Regalen neben Klassikern von Orson Welles und Ingmar Bergman und ich werde bei jedem kleinen Ausflug ans Flussufer an den Meilenstein von Bernhard Wicki erinnert.

Warum ich Die Brücke mein Herz schenke

Ich brauche diesem Film mein Herz erst gar nicht zu schenken, denn er schenkte der Stadt ein Herz, das aber wohl eine dunkle Seite hat. Die Brücke zeigt wie kein anderer die Sinnlosigkeit des Krieges, den empfindlichen Prozess des Erwachsenwerdens auf tragische Weise und die selbst zum Ende des Zweiten Weltkriegs noch andauernde Gräuel des Nationalsozialismus. Sieben Jungen aus sozial unterschiedlichen Verhältnissen sind der Nachgeburt des Zweiten Weltkriegs hilflos ausgeliefert und versuchen, sich zu profilieren. Aus den anfänglichen Fantasien der Kriegstreiberei im Klassenzimmer wird bald blutiger Ernst und die vermeintlichen Träume stellen sich als Trugschluss heraus, denn sie ersticken alle wirklichen Träume im Keim.

Die Brücke

Jede Aufnahme ist mir vertraut und gleichzeitig so fremd. Kurz nach dem Abschied der Mutter von Walter schlendert er mit seinem Vater am Bahngleis entlang, wie ich es als Schulkind gemacht habe. Nur sah meine Zukunft etwas besser aus als die der Jungen und kein Kriegsgefecht mit den Alliierten wartete auf mich. Es sind auch die kleinen Tragödien, die den Film zu einer Perle des Anti-Kriegsfilms aufwerten. So fragt die Mutter von Sigi, wozu die Kinder eigentlich noch Englisch lernen - in der Retrospektive ist dies nur als morbide Ironie einzuordnen.

Warum auch andere Die Brücke lieben werden

Wer das, milde ausgedrückt, mäßige ProSieben-Remake von 2009 kennt, der kennt die Grobstrukturen der Thematik und wird das Original lieben. Die Brücke wird oft als erster deutscher Anti-Kriegsfilm bezeichnet und vor allem die emotionale Nähe der Schauspieler an der Materie ist wirklich spürbar. Wer Johnny zieht in den Krieg mochte und nicht daran verzweifelte, der wird in Die Brücke einen Film finden, der ihn umhaut. Ja, auch das deutsche Kino produziert von Zeit zu Zeit Stoff für die Nachwelt.

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Während viele Filme dieser Art mit dem puren Gemetzel Aufsehen und Trauer wecken wollten, gelingt Bernhard Wicki mit diesem Film etwas Großartiges. Durch intensiven Blick auf die sieben jugendlichen Hauptfiguren steuern wir mit jeder Minute dem unausweichlichen, tragischen Ende entgegen. Dieser Film kann nicht gut ausgehen und bei jeder von der Kamera eingefangenen Handlung möchte ich am liebsten wegsehen. Die Sinnlosigkeit wird durch Hilflosigkeit untermalt, die diesem Schauerstück der deutschen Historie den letzten, tief tragischen Schliff verleiht. Und diese Hilflosigkeit leben nicht nur die Figuren im Film aus, sondern auch wir Zuschauer haben dieses Gefühl tief in uns, wenn das Rollen der Panzer lauter wird und die Jungen dieses Zeichen zeitgenössisch missdeuten.

Warum Die Brücke die Jahre überdauern wird

Die alte Florian-Geyer-Brücke aus dem Film steht heute nicht mehr, doch wurde sie neu erbaut und auf der Seite der Brücke, von der im Film die Amerikaner kamen, hängt jetzt eine metallische Filmrolle, die Ausschnitte des Filmes zeigt. Doch nicht nur materiell wird der Film die Jahre überdauern. Über meiner Heimatstadt wird er für immer als Mahnmal dienen und die Geschichte selbst aus heutiger und zukünftige Sicht greifbarer machen. Von seiner Golden Globe- und Oscar-Nominierung als Bester ausländischer Film ganz zu schweigen, ist Die Brücke ein Stück deutscher Vergangenheit, die sich tatsächlich so zugetragen hat. Ich will nicht behaupten, dass ich beim Biertrinken am Regenufer Panzer-Schüsse höre, doch trotzdem hinterließ der Film bei mir einen derartigen Eindruck, dass ich ziemlich oft an ein zerstörtes Cham denken muss.

Habt ihr Die Brücke schon gesehen? Welcher Film verbindet euch mit eurem Heimatort?

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