Fargo - Staffel 3, Episode 5: Blut unter dem Schnee

19.05.2017 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Fargo - Staffel 3, Episode 5: Blut unter dem SchneeFX/Netflix
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In The House of Special Purpose, der 5. Episode der 3. Staffel von Fargo, sind die Spannungen zwischen den Figuren so unerträglich wie noch nie. Trotzdem versucht jeder, die Fassung zu wahren, doch einen Durchblick im Netz alternativer Fakten gibt es nicht.

Wie schon in den letzten Episode eröffnet auch die 5. Episode der 3. Staffel von Fargo, namentlich The House of Special Purpose (Blut unter dem Schnee), mit dem erklärenden Satz, dass die nachfolgende Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht. Langsam, aber sicher verblassen jedoch einzelne Bestandteile der einleitenden Behauptung, die zur Halbzeit tatsächlich nur noch eine solche ist. Serienschöpfer Noah Hawley hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die dritte Runde seiner Anthologieserie die Wahrheit sowie deren Wahrnehmung besonders auf den Prüfstand stellen wird. Seit einigen Wochen bemüht Fargo nun die vielseitigsten Metaphern, um diese knifflige Angelegenheit zu illustrieren und zu untermauern. Das neuste Kapitel demonstriert einmal mehr, wie schnell sich Fakten, die eben noch als unumstößlich galten, in ihrer Bedeutung um 180 Grad wenden können - und lässt im Anschluss die Situation zum ersten Mal so richtig eskalieren.

Als Emmit Stussy (Ewan McGregor) zu Beginn durch das verschneite Minnesota fährt, scheint die Welt noch nicht aus ihren Fugen geraten zu sein. Der Wolf, der letzte Woche in den privaten Gemächern des Parkplatz-Barons sein Unwesen trieb, ist für einen kurzen Augenblick vergessen und die alte Ordnung wiederhergestellt. Gleichermaßen zuversichtlich wie beruhigend singt Mac Davis im Hintergrund, wie schwer es doch ist, sich bescheiden und demütig zu zeigen. Am liebsten würde Emmit wohl in den Gesang einstimmen, wäre da nicht eine düstere Vorahnung, die ihn auf seiner Fahrt durch die idyllische Landschaft begleitet. Tatsächlich soll er schon bald sein blaues Wunder erleben, denn seine Frau Stella (Linda Kash) findet in einem - als vertraulich markierten - Umschlag ein Sextape, das ihren Gatten beim Akt mit einer Affäre dokumentiert. Stella ist fassungslos, am Boden zerstört. Ohne mit der Wimper zu zucken, packt sie ihre Sachen und verlässt das Haus.

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Was wir Zuschauer unmittelbar darauf erfahren: Der Mann aus dem Video ist nicht Emmit, sondern sein ungeliebter Bruder Ray (Ewan McGregor), der - zumindest glaubt - mit seiner Geliebten Nikki (Mary Elizabeth Winstead) einen cleveren Weg gefunden zu haben, um sich auf die Schnelle eines Vermögens zu bemächtigen. 100.000 Dollar wollen die zwei Verliebten erpressen - blöd nur, dass der inszenierte Seitensprung genau in die Hände jener Person fällt, die es auf keinen Fall sehen sollte, um die Wirkung als Druckmittel zu erhalten. Es ist absurd und amüsant, zu sehen, wie binnen weniger Minuten die Verkettung solch unglücklicher Missverständnisse zur absoluten Katastrophe führen kann und noch viel aufregender ist es, sich die folgenden 45 Minuten auszumalen. Den das Kartenhaus, an dem die Figuren seit fünf Episoden fleißig arbeiten, hat soeben erst begonnen, in sich zusammenzubrechen. Doch wie sollte es anders kommen, wenn jeder bloß auf den eigenen Vorteil bedacht ist?

Gloria Burgle (Carrie Coon) ist eine der wenigen Guten in diesem Katz-und-Maus-Spiel und hat seit letzter Woche mit Winnie Lopez (Olivia Sandoval) eine unerschütterliche Mitstreiterin auf der Suche nach der Wahrheit gefunden. Doch selbst mit vereinten Kräften müssen die zwei Gesetzeshüterinnen feststellen, dass es unfassbar schwierig ist, im Chaos für Ordnung zu sorgen. Zu viele verschiedene Spieler befinden sich auf dem Spielfeld. Vielleicht ist es tatsächlich einer dieser Zufälle, die für die überaus merkwürdigen Ereignisse in Minnesota verantwortlich sind, wie es der Vorgesetzte in seinem fahrlässigen Desinteresse zu Protokoll gibt. An diesem Punkt genießen wir Zuschauer jedoch den tragischen Wissensvorsprung, alle vorherigen Einzelschicksal verfolgt zu haben, und können nun die offensichtlichen Lügen von der Wahrheit unterschieden.Trotzdem bleibt uns vorerst nichts anderes übrig, als die Bemühungen der einzelnen Figuren zu beobachten, die sich wirklich oft um Kopf und Kragen reden.

Da wäre zum Beispiel Sy Feltz (Michael Stuhlbarg), der verhältnismäßig früh bemerkt, dass der Feind schon lange nicht mehr vor den Toren steht, sondern unlängst die schützende Wall erklommen hat. Zwar braucht es eine sehr deutliche Ansage beziehungsweise in diesem Fall eine Tasse voller Urin, die eigentlich für den besten Dad der Welt bestimmt ist, um ihn davon zu überzeugen, wie ohnmächtig er mittlerweile gegenüber V.M. Varga (David Thewlis) und seinen Handlangern, Yuri (Goran Bogdan) und Meemo (Andy Yu), geworden ist. Trotzdem ist er sich der Aussichtslosigkeit seines Unglücks dann ganz im Klaren. Der Parasit breitet sich mit rasender Geschwindigkeit in den Räumen des Stussy-Imperiums aus - je unverschämter und dreister Varga zur Sache geht, desto effizienter ist er. Dennoch vergönnen Noah Hawley und Drehbuchautor Robert De Laurentiis seinem famosen Antagonisten das Passieren der Zielgerade in absehbarer Zeit, denn wie alle Figuren in Fargo ist auch er nur ein kleiner Teil des großen Gefüges, das sich ständig in Bewegung findet, von den absichtlichen Manipulationsversuchen ganz zu schweigen.

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So ereignet es sich in The House of Special Purpose unter anderem, dass Varga eben noch siegessicher seine bedrohliche Aura gegen Emmit ausspielt. Als dieser jedoch kurz darauf mit Agent Dollard (Hamish Linklater) vom Finanzamt konfrontiert wird, muss der Wolf die Klauen wieder einziehen und aus der Distanz sein Opfer observieren. Egal wie oft Varga inzwischen bewiesen hat, dass er es versteht, stets die Oberhand zu behalten - gegen die Masse an verhängnisvollen Entscheidungen, die vom Rest des Ensembles aus rationalen wie irrationalen Gründen getroffen werden, hat er keine Chance. Dearbhla Walsh, die auch die nächste Episode inszenieren wird, zeigt in diesem Moment ihr ganzes Können und veranschaulicht den soeben aufgerissenen Graben bravourös in der Raumaufteilung. Wenn Emmit im steril-transparenten Glasbüro verzweifelt versucht, den unangenehmen Fragen von Agent Dollard aus dem Weg zu gehen, versinkt Varga im Hintergrund der Geschehnisse, ohne je komplett aus dem Bild zu scheiden.

Im Vereinen solcher Gegensätze ist Noah Hawley mittlerweile ein Meister und seine Methoden verbinden sich hervorragend mit dem Auftischen der omnipräsenten (Un-)Wahrheiten. Es vergeht keine Minute mehr, in der nicht mindestens eine Notlüge von einer der Figuren präsentiert werden muss, um einigermaßen ihren eigenen Kurs beibehalten zu können. Besonders Nikki hat sich in dieser Disziplin im bisherigen Verlauf der Staffel einen Namen gemacht. Es geht darum, die Kontrolle zu übernehmen, sprich die Übersicht zu gewinnen, wie sie es zu Beginn der Episode gegenüber Ray zum Ausdruck bringt. Daher trifft sie sich am Ende der Episode mit Sy, der ein ähnliches Vorhaben im Schilde führt. Die Ironie des Schicksals sorgt jedoch dafür, dass keiner der beiden Protagonisten siegreich vom Feld zieht. Stattdessen lässt uns Fargo vor einem Scherbenhaufen zurück, der sich ausschließlich aus Niederlagen zusammensetzt. Jetzt muss es schneien, damit das Blut auf der Erde überdeckt wird.

Zitat der Folge: "A chicken is an egg's way of making another egg."

Anmerkungen am Rande:

  • Welcher Dialog die bisherige Staffel sehr gut zusammenfasst? Dieser: "We got video evidence of Emmit screwing a secretary. It's a fact." - "It never happened!" - "That doesn't make it any less of a fact."
  • V.M. Varga ist mit Abstand die faszinierendste wie abstoßendste Figur des bisherigen Serienjahres. Alleine sein verächtlicher Monolog über beleibte Frauen vernichtet jede Erinnerung an den Professor Lupin und wie er mit Schokolade für Aufmunterung sorgte.
  • Können wir bitte ein Spin-off mit Carrie Coon und Olivia Sandoval als Cop-Duo bekommen? Die beiden in einem Raum ergeben das beste Good-Cop-Bad-Cop-Gespann, das sich kein bisschen um die Regeln eines Good-Cop-Bad-Cop-Gespanns kümmert.
  • Sys Blick zum Schluss war unglaublich. Auch das Aufschrecken nach dem Poppen der Sektflasche reiht sich vorzüglich in den Reigen der großartigen Michael Stuhlbarg-Momente dieser Staffel.
  • TIL: Vor dem Heiratsantrag immer warten, bis sich das Gegenüber seiner Perücke entledigt hat.
  • Das Stück, das zum Schluss erklingt ist ein Cover von Ship of Fools der walisischen Rockband World Party. Noah Hawley hat die Lyrics höchstpersönlich eingesungen.
  • Eine Textzeile in Ship of Fools lautet "You will pay tomorrow." Das kann so als Ausblick auf die nächste Woche stehenbleiben.
  • Nachtrag: Wie jp@movies in den Kommentaren anmerkt, hat Varga doch nicht in Sys Kaffeetasse uriniert, sondern lediglich sein Gemächt darin gewälzt. Später wurde die Tasse im Off mit Wasser aufgefüllt, ehe sie Sy zur Verköstigung vorgeführt wurde.
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