Black Swan - Sex-Schocker oder schöner Schwan?

21.01.2011 - 08:50 Uhr
Black Swan - Trash?
20th Century Fox
Black Swan - Trash?
37
17
Black Swan macht es seinem Publikum nicht leicht. Für viele ist der Film eine einzigartige, emotionale Achterbahnfahrt, aber nicht wenige empfinden ihn als Edeltrash, der mehr sein will als er eigentlich ist.

Black Swan wird – nachdem der Verleiher die Kopienanzahl in den USA auf über 2300 Stück erhöhte – bald die 100 Millionen Schallmauer durchbrechen, ein wahrer Kraftakt für einen solch kleinen Film und vor allem für Regisseur Darren Aronofsky, dessen bislang erfolgreichster Film sein Oscar nominierter The Wrestler war – mit gerade mal 26 Millionen Dollar Umsatz. Aber nicht nur das Volk scheint auf das kafkaeske Psychomärchen zu stehen, auch die Kritiker finden nur lobende Worte – scheinbar. Aber je näher der Filmstart rückte, desto mehr häuften sich die Meinungen, die dem Film mehr Schein als Sein unterstellten.

Black Swan ist zweifelsfrei ein Film der Gegensätze. Der weiße Schwan trifft auf sein schwarzes Ebenbild, die laszive Mila Kunis trifft auf die unschuldige Natalie Portman. Sexy Vamp trifft auf frigide Porzellanpuppe. Diese Form der Polarisation scheint nicht bei allen auf Zustimmung zu stoßen.

Christoph Huber von der Presse nennt Black Swan einen trashigen Sex-Schocker und stört sich an dem – Achtung, Kritiker mit Geltungsdrang – symbolschwangeren Manichäismus. Er sah nur Oberflächlichkeiten, eine debile Form von Grandezza und war sich am Ende sicher, ein größenwahnsinniges Konzeptfilmchen gesehen zu haben. “Denn trotz des respektablen Hochkulturanstrichs ist der Film im Herzen ein trashiger Sex-Schocker: Konkurrentin Kunis bringt zwar etwas Leben ins Spiel, als sie der Heldin bald in jeder Hinsicht zu nahe kommt, aber Aronofskys Interesse gilt vor allem seinen künstlichen Effekten, die dem manichäischen Bedeutungsgefuchtel Nachdruck verleihen sollen.”

Susanne Ostwald in der Neuen Zürcher Zeitung erkannte selbst in ihrer objektiven Berichterstattung den bereits genannten komplementären Aufbau von Black Swan und führt diesen Ansatz bis hin zur These, Darren Aronofsky wollte das Trashkino dem kulturell wertvolleren Kino gegenüberstellen. "Mit Black Swan hat er, wie er erklärt, ein “companion piece” zu seinem damals ausgezeichneten Film The Wrestler vorgelegt. Tatsächlich kann man die Filme als komplementäre Studie über Trash auf der einen und Hochkultur auf der anderen Seite sehen, und doch ist Black Swan weit mehr als ein Film über das harte Ballett-Business."

Harald Peters von Die Welt kennt gar kein Erbarmen und machte seiner Antipathie gegenüber Black Swan und generell seiner Abneigung gegen scheinbar alle Werke des Regisseurs Luft. Ein Schusterwerk aus Trash-Stilistiken konnte er erkennen, dessen Erfolg in keiner Relation zur inhaltlichen Qualität stünde. “Aronofsky hat seinen Film mit den Stilmitteln des Trash-Kinos zusammengeschustert und hinterher mit überraschend großem Erfolg so getan, als handelte es sich um höchst bedeutsame Kunst. Wobei der Umstand, dass es sich nicht um bedeutsame Kunst handelt, nicht das Problem ist – gegen einen spekulativen Horrorfilm über strauchelnde Ballerinen gibt es überhaupt nichts einzuwenden –, sondern dass man dem knapp zweistündigen Werk in jeder Minute das verzweifelte Bemühen ansieht, mehr sein zu wollen, als er ist.”

Selbst unter den Moviepiloten gibt es welche, die den Film direkt in den Mülleimer werfen würden, wie im Falle von unserem geschätzten Mr. Vincent Vega: “Zwischen Homokitsch, Primaballerina und Psychothriller-Trash wedelt und winkt Black Swan nach seinen filmischen Vorbildern mit eingeknicktem Handrücken, aber ohne künstlerischen Mut, formalem Einfallsreichtum oder Gespür fürs Abgründige, Verstörende und Tiefsinnige.”

Die Geschmäcker waren seit jeher verschieden, aber es ist interessant, dass neben den zahlreichen Huldigungen auch eine Gegenbewegung wahrzunehmen ist, die sich ebenso einig in ihren Standpunkten wie in ihren Darlegungen zeigt. Das lässt sich vielleicht dadurch begründen, dass diese Vermischung von Gegensätzen besonders bei der hinterfragenden, Kopf gesteuerten Gattung von Zuschauer nicht funktioniert. Ballett, homoerotische Fantasien, düstere Psychothriller-Inszenierung, Tanzfilm-Klischees, naive schwarz-weiß Symbolik, stereotype Charakterentwicklungen – Black Swan ist Shining, Die Fliege, Requiem for a Dream und Dirty Dancing in einem und doch nichts von alle dem. Weder Fisch noch Fleisch, und vielleicht sorgt dieser Mix für die Diskrepanz in der Wahrnehmung des Publikums.

Was feststeht ist, dass Black Swan ein Gefühls-Marathon ist, auf den sich der Zuschauer erst einlassen muss. Sollte dies passieren, dürften alle Trash-Elemente, Klischees oder Oberflächlichkeiten ihre Bedeutung verlieren und ein zermürbender, cineastischer Sog tritt an deren Stelle, der erst mit der letzte Note von Tschaikowskis Schwanensee endet.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News