Agatha Christie's Poirot - Der einzig wahre belgische Meisterdetektiv

22.03.2018 - 09:40 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Agatha Christie's Poirot mit David Suchetitv
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Mein Herz für Serie geht an Agatha Christie's Poirot, das für ein Vierteljahrhundert das britische Fernsehpublikum begeisterte und deren blankgeputzte Schuhe praktisch unmöglich zu füllen sind.

Dieser Artikel entstand zum Anlass des heutigen DVD-Starts von Kenneth Branaghs Adaption Mord im Orient Express, welcher den ikonischen Roman der britischen Kult-Autorin Agatha Christie erneut auf die große Leinwand brachte und dabei in die Fußstapfen schon vieler vorhergehender Filme und Serien trat. Es hat den Anschein, als würden keine zehn Jahre vergehen, ohne, dass sich ein weiterer, ambitionierter Filmemacher an der Adaption dieses oder eines anderen Werkes der Kriminalautorin versucht. Und jedesmal ist es der weltbekannte belgische Detektiv Hercule Poirot, der seine kleinen grauen Zellen anstrengen darf, um auf seine sehr eigenartige, wenn auch geniale Art und Weise den Schuldigen zu überführen.

In den letzten 8 Jahren folgte neben der von Kenneth Branagh noch eine zweite Adaption von Mord im Orient Express. Sie ist das Herstück dieses Artikels: die Orient Express-Verfilmung im Rahmen der itv-Sendung Agatha Christie's Poirot, welche 2010 im Fernsehen erschien. Es geht mir nicht darum zu sagen, welche der beiden Iterationen besser ist, sondern euch zu zeigen, weshalb die Serie definitiv eure Aufmerksamkeit verdient und was ihr gegenüber jeglichen anderen Adaptionen einen meilenweiten Vorsprung verschafft, der so schnell nicht aufzuholen ist.

Agatha Christie's Poirot: Murder on the Orient Express mit David Suchet

Der Name sagt alles

Was wohl schon beim ersten Lesen des Titels der itv-Serie auffällt, ist, dass der Name der Autorin Agatha Christie den Auftakt bildet. Und das hat auch seinen Grund. Die Serie will sich nicht mit fremden Federn zu schmücken, sondern auf das aufmerksam machen, was für sie vielleicht am wichtigsten ist: ihre Authentizität. Damit ist nicht ausschließlich die Treue zu den originalen Büchern gemeint, obwohl diese großgeschrieben wird, sondern eher die Treue zu der Idee, der Agatha Christie mit dem kleinen, belgischen Detektiv Hercule Poirot eine Gestalt gab. Obgleich die Serie sich über insgesamt 25 Jahre spannt, bleibt der Charme unentwegt erhalten und das liegt gleich an mehreren Faktoren. Natürlich ist es unnötig zu sagen, dass der Charakter von Poirot selbst kein Engländer ist, doch ist gerade seine Fremdheit und seine Eigenart das, was das umgebende "Englische" so viel mehr zur Geltung bringt. Im Hervorheben und Zelebrieren der eigenen Kultur folgen die Macher von Agatha Christie's Poirot einem Schema, welches sich auch andere britische Serie wie Jeeves and Wooster, Fawlty Towers oder Blackadder zu Nutze machen: Das Heimelige, das Vertraute und die Liebe zum kulturellen Detail kulminiert in dieser Adaption der Werke einer nicht minder ikonischen britischen Autorin und stellt Poirot auf dasselbe Podest, auf dem auch James Bond und Sherlock Holmes stehen.

Agatha Christie's Poirot mit Michael Fassbender

Eine Schatzsuche nach Stars

Das Feiern der eigenen Kultur spiegelt sich zudem in einem anderen Aspekt der Serie wieder, welcher wohl am ehesten auch von Serien-Fans weltweit geschätzt werden kann: die Schauspieler. In England ist der Bekanntheitsgrad von Agatha Christie's Poirot nicht zu unterschätzen, weswegen über die 25 Jahre hinweg auch eine Vielzahl namenhafter Stars für die Serie in 20er Jahre Kostüme schlüpften und es nur wenige britische Schauspieler gibt, die auf ihrer Filmographie keinen Auftritt bei Poirot zu verbuchen haben. Unter diesen befinden sich zum Beispiel Michael Fassbender, Emily Blunt, Damian Lewis, Hugh Bonneville und Peter Capaldi. Sie spielten hier mit, noch lange bevor sie ihren heutigen Weltruhm erlangten. Viele von ihnen fanden sogar ihren Anfang bei der itv-Serie, damit rühmt sich zumindest der Poirot-Schauspieler David Suchet . Allein dieser Aspekt macht das retrospektive Schauen der Serie zu einer Art Schatzsuche durch die letzen 25 Jahre der englischen Filmgeschichte.

Agatha Christie's Poirot

Die Entwicklung einer Serie

Auch wenn die meisten Schauspieler nur einmal in der Serie auftauchen - immerhin wird jede Episode ein neues Verbrechen unter die Lupe genommen - so gibt es trotzdem eine handvoll Charaktere, welche beständig Teil der Figurenkonstellation bleiben. David Suchet etwa tritt in seiner Titelrolle als Hercule Poirot in 70 Episoden von 1989 bis 2013 auf. Genau diese Konstanz verleiht der Serie ihren besonderen Charme, indem sie das Wort Charakterentwicklung ganz neu definiert. Es ist eine ganz natürliche Begebenheit, dass sich die Charaktere mit der Zeit verändern und gerade über eine solche Zeitspanne hinweg wird der Zuschauer Zeuge einer andauernden Entwicklung der Serie. Wo am Anfang noch die Leichtigkeit und der Witz der Bücher von Agatha Christie zu spüren sind, ergreift die Serie mit den Jahren einen viel düsteren Ton, nachdem Poirot einem Mordfall nach dem anderen in die Augen schauen muss. Ihren Höhepunkt erreicht diese Verdunklung in der 12. Staffel der Krimiserie mit der Verfilmung von Christies Mord im Orient Express.

Agatha Christie's Poirot: Murder on the Orient Express mit Toby Jones

Eine Fallstudie : Mord im Orient Express

Poirot erhält in der Adaption aus dem Jahr 2010 eine tragische, fast zynische Ader, die dem Drama eine bis dato unbekannte Tiefe verleiht, der sich nicht einmal das Buch nähert. Zu diesem Zeitpunkt ist unweigerlich zu erkennen, dass sich die Serie durch ihren Kultstatus und ihre lange Laufzeit von ihrem Ausgangsmaterial abgelöst und verselbstständigt hat. Die Serie formt die Charaktere selbst. Sie erarbeitete sich über die Jahre hinweg dieses "Recht" und erreicht damit eine Selbständigkeit und Größe, die so nicht mehr zu reproduzieren ist. Dadurch erscheinen alle anderen Adaption von Agatha Christies Werk plötzlich wie eine bloße Kopie.

Kenneth Branaghs Adaption bildet dabei keine Ausnahme. Der neue Film weicht zwar stark vom Buch und den anderen Adaptionen ab und erschafft sich eine eigene, sehr unterhaltsame Welt in der das Drama à la Hollywood deutlich überspitzt erscheint und Hercule Poirot zum Held der Geschichte wird. All diese Entscheidungen resultieren in einem lebhaften und auch äußerst kurzweiligen Film. Im Gegensatz dazu konnte die itv-Serie diese Charaktere 25 Jahre lang ausbauen, eine eigene Tonalität begründen und eine eigene Beziehung zu den Charakteren herstellen. Das Resultat: ein Film und eine Serie von unglaublicher Tiefe, welche alle anderen Adaptionen oberflächlich erscheinen lässt. Aus diesem Grund schenke ich Agatha Christie's Poirot mein Herz für Serie und David Suchet bleibt für mich der einzig wahre belgische Detektiv.

Kennt ihr die itv-Adaption von Agatha Christies Werk?

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