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Eine Welt voller Monster in Only God Forgives

19.10.2016 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Ryan Gosling in Only God Forgives
Teberius/Sunfilm/movipilot
Ryan Gosling in Only God Forgives
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Stillstand. Stillstand in düsteren Gängen, neonbeleuchteten Räumen und versteinerten Gesichtern. Vorhang auf. Die Vorstellung beginnt. Time to meet the devil.

Dieser Artikel entstand im Rahmen der Aktion Lieblingsmonster.

Sicherlich ist Nicolas Winding Refn ödipales Rachedrama Only God Forgives nicht die nächstliegende Assoziation zum Stichwort Lieblingsmonster. Unweigerlich bewegen sich die Gedankenströme in Richtung Horrorgenre, kreisen um blutverschmierte Klauen, lange Schatten, verstörende Fratzen und Schreie in der Dunkelheit. Gestalten der Nacht, morbide Wüteriche und mysteriöse Kreaturen; es ist vor allem das Fremde und Andersartige, was ein Monster definiert und uns das Blut in den Adern gefrieren lässt. Doch eines haben sie gemein, all die Vampire und Werwölfe, Aliens und Zombies, Freddy und Jason: Sie existieren nur auf der Leinwand, sie sind nicht echt, auch wenn sie uns bisweilen bis in die Realität verfolgen. Nicht so bei Only God Forgives, denn die bösartige Monstrosität entwächst dem Werk aus jeder einzelnen Figur, kommt von Menschen aus Fleisch und Blut, Menschen wie du und ich. Es ist das Monster Mensch, dem dieser Text gewidmet ist, völlig egal wie klischeebehaftet und ausgelutscht diese Phrase mittlerweile sein mag, vielleicht auch schon immer war. Denn an Refns Film ist nichts klischeehaft oder ausgelutscht, sein Blick dringt ungeschönt in die Tiefen menschlicher Abgründe und fördert letztlich nur eines ans Tageslicht: Eine Welt voller Monster.

Time to meet the devil

Was sollte sie sonst sein? Die Welt in Only God Forgives ist zum Stillstand gekommen. Das manifestiert sich in der Tristesse der Szenerie, der statischen Dynamik und formvollendente Langsamkeit der Inszenierung. Die Welt ist zum Stillstand gekommen, daran besteht kein Zweifel – und zurückgeblieben ist lediglich menschliche Monstrosität. Was sollte es sonst sein, wenn Leichen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, wenn Hände und Gedärme zerhackt werden? Wer könnte so etwas tun, außer einem Monster? Die Rechtschaffenheit ist verschwunden und damit auch die Moral. Zurückgeblieben ist eine Welt voller schmieriger Nachtclubbesitzer, korrupter Polizisten, eiskalter Drogendealer und desillusionierten Prostituierten. Eingehüllt in einen Nebel aus Rot- und Blautönen kommt auch der Film selbst zum Stillstand, verwehrt seinen Zuschauern sogar das Ende. Ein Witz ohne Pointe, wie Musik ohne Ton. Only God Forgives ist ein Albtraum, ein Sammelsurium aus Bildern und Tönen, Eindrücke aus den Untiefen. Losgelöst von konventioneller Dramaturgie ist Refns Werk nicht greifbar und der verzweifelte Versuch sich selbst davon zu überzeugen „nur“ einen Film zu sehen scheitert. Langsam, aber unausweichlich gerät man in einen dunklen Sog der Grausamkeit.

Das Gesicht eines Monsters?
Doch mitten in dieser Welt gibt es einen Mann, der dagegen ankämpft. Nicht gegen die Welt, nicht gegen die Monster, aber gegen sich selbst. Gegen die Monstrosität des eigenen Ichs. Denn auch Julian (Ryan Gosling) ist wie alle anderen ein Monster, doch er wehrt sich dagegen. Möglicherweise ist er sich auch als einziger darüber bewusst, denn aus der Liebe zur Mutter hat er seinen Vater getötet. Ja, die Welt von Only God Forgives ist nichtsdestotrotz nicht frei von Liebe. Doch ist auch diese Liebe verkommen, zu falschem Verlangen und widerwertiger Leidenschaft. Schon in Alfred Hitchcock Meilenstein Psycho ist der ödipale Trieb unweigerlich mit etwas Bösem und Krankhaftem, einem Monster verbunden. Auch in Julians versteinerten Mine liegt etwas begraben, hinter tiefblauen Augen und feinen Gesichtszügen. Beinahe sieht man sie zucken, zusammenbrechen unter der schieren Monstrosität, welche dahinter versteckt liegt. Doch er zuckt nicht, blinzelt nicht, lächelt nicht. Sein Kampf hat begonnen und es ist ein stummer Kampf. Einen Kampf, den er nicht gewinnen kann, zumindest nicht im klassischen Sinn. Erreicht werden kann lediglich Akzeptanz des eigenen Ichs, denn eins ist gewiss: Er ist ein Monster. Mein Lieblingsmonster.


Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Sponsoren der Aktion Lieblingsmonster:

Aktion Lieblingsmonster


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