Woody Allens Hollywood Ending

01.12.2010 - 08:50 Uhr
Woody Allens Hollywood Ending
Dreamworks
Woody Allens Hollywood Ending
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Alles Gute zum Geburtstag, Woody Allen! Die Quasselstrippe wird heute 75! Und mit Ich sehe den Mann deiner Träume kommt morgen sein neuester Film in die deutschen Kinos. Grund genug für unseren DVD-Kolumnist Thomas Groh, einen Blick in Allens Filmografie zu werfen: Wurde da vielleicht was übersehen? In der Tat: Hollywood Ending, Allens Film von 2002, der einzige, der es nie nach Deutschland geschafft hat.

In der Videothek, in der ich arbeite, gibt es einen verlässlichen Pegel dafür, wann mit einem neuen Film von Woody Allen im Kino zu rechnen ist: Sobald seine vorangegangene Produktion in die unteren Regale unserer Neuheitenwand rutscht und langsam, aber sicher in der Kundengunst zu sinken beginnt, sollte man nach Kritiken zum “neuen Allen” Ausschau halten. Woody Allens seit Jahrzehnten ungebrochener Arbeitsrhythmus – pro Jahr ein Film – trägt dafür Sorge, dass seine Produktionen bei DVD- und Kinoauswertung einander beinahe schon per Handschlag ablösen.

Der einzige Allen-Film ohne deutsche Synchro

2002 und 2003 kamen und gingen, satte drei Jahre liegen zwischen den Kinostarts von Im Bann des Jade Skorpions und Anything Else – dazwischen von Allen keine Spur. War da etwa nichts? Natürlich war da was: Hollywood Ending, der Eröffnungsfilm des Filmfestivals von Cannes 2002, in Deutschland bislang nur vom Hörensagen bekannt. Klarer Fall: Statt mich zum Geburtstag von Woody Allen durch den bestens erschlossenen halben Regalmeter zu wühlen, den dessen Filmografie in DVDs mittlerweile misst, kam diese Woche für meine Kolumne, die sich ja gerade dem entlegeneren Film widmen soll, nur ein Kandidat in Frage: Der einzige Allen-Film, von dem es bislang keine deutsche Synchro gibt.

Um es gleich vorwegzunehmen: Ein übergegangenes Meisterwerk ist Hollywood Ending sicher nicht, aber eben doch ein sehr solider, unterhaltsamer Film in einer eher etwas flachen Schaffensphase (Allens damals letzter wirklich rundum guter Film – Harry außer sich – war da schon fünf Jahre alt, von der Rückkehr zu alter Form mit Match Point trennten ihn noch zwei Filme). Die Grundidee ist reizvoll: Allen spielt Val Waxman, eine typische hypochondrisch-neurotisch-nervöse Allen-Figur, einen einstmals vielversprechenden Filmregisseur im Karrieretief, der, nachdem ihm ausgerechnet seine Ex-Frau ein millionenschweres Projekt (finanziert wiederum ausgerechnet von jenem Hollywoodhai, der Waxman einst die Frau ausgespannt hat) zuschiebt, kurz vor Drehbeginn schlagartig erblindet. Eine blanke Katastrophe für den ohnehin krisengeschüttelten Regisseur, auf die dessen Agent nur eine Antwort parat hat: Waxman solle sich nichts anmerken lassen – und den Film ganz einfach blind drehen.

Eine Selbstbespiegelungsfantasie

Eine Selbstbespiegelungsfantasie aus Hollywood also (oder vielleicht besser: eine aus New Yorker Perspektive, denn wie so oft bei Allen geht es auch hier um die Rivaltät zwischen Ost- und Westküste) und wie bei solchen üblich mangelt es auch in Hollywood Ending nicht an Spitzen und Anspielungen: Dass etwa Peter Bogdanovich, das einstige New-Hollywood-Wunderkind, das mittlerweile selbst höchstens alle paar Schaltjahre einen Film von mäßigem Interesse realisieren kann, Waxman ein ohnehin kaum prestigeträchtiges Projekt vor der Nase weggeschnappt haben soll, dass Waxman auf einen chinesischen Kameramann besteht (Allen hatte zu diesem Zeitpunkt selbst für drei Filme mit einem chinesischen Kameramann gearbeitet) würzt das Treiben mit einigen hübschen Insiderwitzen auf. Auch mangelt es nicht an galligen Untertönen, wenn Allen einen für alle doch eigentlich ersichtlich blinden (Allen stiert auf so radikale Weise neben alles, was ihn anspricht, dass man bald auch um sein Gehör fürchtet) Regisseur eine Prestigeproduktion gepflegt in den Sand setzen lässt, ohne dass sich ein Wort des Zweifels von irgendeiner Seite dazwischen schiebt. Nicht, dass Allen allzu deutliche Worte verliert: Ob er Hollywoods Regisseuren Blindheit attestiert oder dem allgemeinen Betrieb darum, ob er überhaupt mehr im Sinn hat als etwas Schalk mit den Narzissmen einer notorisch selbstverliebten Branche, bleibt jeweils Andeutung (oder aber es ist als böser Kommentar unter viel Slapstick geschmuggelt).

Dass am Ende nun ausgerechnet die Franzosen in dem zerschossenen Film ein avantgardistisches Meisterwerk sehen, bleibt eine weitere, beinahe grandiose Kippstelle: Ist das nun eine Satire auf eine eremitische Form von Filmkritik, die alles goutiert, sofern es nicht konventionell ist, oder aber auf die Ansicht, dass, was eben nicht konventionell ist, ja wohl nur von Franzosen goutiert werden kann? Wahrscheinlich hat beides Gültigkeit, doch wie dem auch sei, vielsagend ist diese auch ganz konkret im Film stattfindende Bewegung Richtung Europa allemal. Fast prophetische Züge nimmt sie an, wenn man bedenkt, dass ein Gutteil von Allens jüngeren Filmen vor allem in Europa – und oft genug: mit europäischem Geld – entstanden ist, bzw. nur so etstehen konnte.

Eine aufs wesentliche reduzierte DVD-Edition

Muss man Hollywood Ending nun wirklich gesehen haben? Für Sammler und notorische Allen-Fans dürfte daran kein Weg vorbeiführen, auch wenn man den Film selbst per Eigenimport ranschaffen muss. Per Amazon-UK oder play.com ist dies soweit auch kaum ein Problem, allerdings ist der Film bislang nur als amerikanische, also als Code1-DVD erhältlich – ein Vorabcheck, ob das Equipment die DVD dann auch abspielt, ist somit unerlässlich. Dass die DVD sehr spartanisch ausgestattet ist, dürfte echte Allen-Fans ohnehin nicht überraschen: Seit Jahr und Tag dreht Allen seine Filme in Mono und bringt diese dann ohne nennenswerte Extras auf den DVD-Markt. Der Tag, an dem Woody Allen wirklich einmal spannendes Bonusmaterial für seine Filme produziert, wäre wohl tatsächlich derselbe, an dem Hollywood an sein Ende gelangt.

Abschließend der Trailer

Hollywood Ending ist z.B. bei play.com für ca. 14 Euro erhältlich.

Thomas Groh lebt in Berlin, arbeitet für die Programmvideothek Filmkunst im Roderich und schreibt über Filme, zum Beispiel für die Filmzeitschrift Splatting Image, die taz und das Onlinekulturmagazin Perlentaucher. Wenn er nicht gerade sein Blog aktualisiert, verfasst er wöchentliche DVD-Kolumnen für den moviepilot, in denen er Filme von etwas jenseits des Radars empfiehlt, zuletzt beispielweise die Peckinpah-Doku Passion & Poetry, die TV-Serie Im Angesicht des Verbrechens und das Wikinger-Epos Walhalla Rising.

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