Wir schauen Sherlock - Staffel 1, Folge 2

16.05.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Sherlock Holmes auf den Spuren der chinesischen Mafia
BBC
Sherlock Holmes auf den Spuren der chinesischen Mafia
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Ein toter Banker, seltsame Schriftzeichen und ein Mörder, der offensichtlich Superkräfte besitzt, sind die Zutaten der zweiten Episode von Sherlock. Das Endergebnis wirkt zäh und leidet unter einem allzu dominanten, aber zugleich uninteressanten Fall.

Wurde in Ein Fall von Pink der eigentliche Fall zugunsten des Kennenlernens von Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) und Dr. John Watson (Martin Freeman) vernachlässigt, stürzt sich Folge 2 der ersten Staffel von Sherlock direkt in den Kampf. Mit etwas mehr Action und deutlich mehr Krimi-Elementen lockt die Folge vor den Bildschirm. Als fatal erweist sich allerdings, dass gerade der Krimiplot nicht viel mehr als altbekannte Klischees und Plotlöcher hergibt. Der blinde Banker (The Blind Banker) markiert eine deutliche qualitative Delle in Staffel 1 von Sherlock.

Der Fall: Ein alter Studienkamerad heuert Sherlock an, um Sicherheitslücken in einer großen Bank ausfindig zu machen. Irgendjemand hat seltsame Zeichen auf ein Gemälde geschmiert. Bald tauchen auch noch zwei Tote auf, beide ermordet in von innen abgeschlossenen Räumen. Hat es der brillante Detektiv mit Spider-Man zu tun? Oder doch einer drittklassigen Kopie eines viertklassigen Klischees chinesischer Mafiosi-Akrobaten? Und was hat das ganze mit alten chinesischen Artefakten in einem Museum zu tun? Bald kommt heraus, dass ein krimineller chinesischer Geheimbund einen wichtigen Schatz vermisst und deswegen seine verdächtigten Schmuggler ausschaltet. Hinter allem steckt einmal mehr ein mysteriöses M_.

221b Baker Street: Episode 1 beschäftigte sich mit der Frage, warum ein gestandener Kriegsveteran wie John Watson ausgerechnet mit einem Exzentriker wie Sherlock Holmes zusammen ziehen sollte. Der blinde Banker legt die Innereien der frischen Beziehung frei. Die Episode beginnt mit einem Sherlock, der auf seinen Modus Operandi beharrt, nur um Schritt für Schritt, Szene für Szene zu merken, dass er allein nicht jedes Problem lösen kann. Zunächst parallelisiert die Folge ganz köstlich seinen Fight mit einem Schwertkämpfer in der Baker Street mit Watsons Niederlage gegen einen Supermarkt-Automaten. Später wird Sherlock beinahe in der Wohnung der Chinesin erdrosselt, weil er Watson zuvor nicht hinein gelassen hatte. Gegen Ende wird der gute Doktor von den Bösen sogar für Sherlock Holmes höchstselbst gehalten.

Zu Beginn heißt es sinngemäß zur chinesischen Teezeremonie, dass es manchmal eines genauen Blicks bedürfe, um das Wesen eines Dinges zu erkennen. Dieser Blick ist Sherlocks großes Talent, wie die Erkenntnis zur Millionen Pfund teuren Haarnadel im Schopf einer Assistentin zeigt. Der blinde Banker unterstreicht allerdings auch, dass Sherlock oft der Blick für das große Ganze fehlt. Er tendiert dazu, sich in Details zu verrennen. Watson findet die Adresse im chinesischen Viertel mit einfachsten Mitteln und auf seine so offensichtliche Idee, ein Foto von den Schriftzeichen im Bahnhofsgelände zu machen, reagiert Sherlock nur mit einem leicht brüskierten Oh! Außerdem ist es Watsons neue Freundin Sarah, die den Sinn des chinesischen Zahlencodes entdeckt.

Elementary, my dear Watson: So oft Sherlock Holmes hier das offensichtliche übersieht, so zahlreich sind die Probleme mit dem Plot. Von der klischeehaften Darstellung der bedrohlichen gelben Gefahr will ich gar nicht anfangen. Viel befremdlicher bei einer derart auf clever getrimmten Show sind folgende Punkte: Sherlock erkennt die chinesischen Zahlen nicht, was bei seiner Bildung und allseits betonten Genialität verwundert. Den Pathologen fällt die ziemlich offensichtliche Tätowierung an der Ferse der Opfer nicht auf. Wer zum Teufel kommt außerdem auf die Idee, die unpraktischste Waffe aller Zeiten für eine Hinrichtung zu verwenden? Okay, der letzte Punkt trifft auch auf einige James Bond-Bösewichte zu, aber Sarah hätte im Finale einfach nur mit ihrem Stuhl umkippen müssen und alle hätten beruhigt einen Kaffee trinken gehen können.

Die Plotlöcher wären kein Problem, würde zumindest der Fall an Spannung und Tiefgang dem Genie seiner Hauptfigur gerecht werden. Die Ausführungen zur chinesischen Teezeremonie ziehen die Folge mit viel willkürlich reingequetschtem Exotismus und allerlei Weisheiten in die Länge. Selbiges gilt für die viel zu lange Zirkusnummer. In Der blinde Banker rekapitulieren die meisten Dialoge und Szenen den Krimi-Plot und da der nicht sonderlich interessant ist, leidet das Gesamtergebnis darunter. Schlechte Fernsehunterhaltung ist das nicht, aber in Badger’s Drift oder Midsomer Worthy wäre dieser Fall besser aufgehoben gewesen.

Sherlockgism der Folge: Eine an erinnerungswürdigen Zitaten schwachbrüstige Folge hatte trotzdem einen tollen Cumberbatch-Moment, als Sherlock über die Sprechanlage in die Wohnung eines Opfers will; erst ganz unschuldig und umgänglich, dann absolut berechnend: “You want me to buzz you in?”“Yeah, and can I use your balcony?”“What?”

Zitat der Folge: “Don’t worry, next date won’t be like this.” (Dr. John Watson)

Weitere Recaps zu Sherlock Staffel 1:
Sherlock Folge 1 – Ein Fall von Pink

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