Wie Die Verurteilten mein Herz eroberten

08.02.2012 - 08:50 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Morgan Freeman in Die Verurteilten
Columbia Pictures
Morgan Freeman in Die Verurteilten
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Wir alle haben mindestens einen Film, den wir verehren. Joeyjoejoe17 schildert uns in seinem Speakers’ Corner-Text, wie ein ganz besonderer Film ihn förmlich aus den Schuhen gerissen hat.

Es ist Samstagabend. Ein wunderschöner und sonniger Tag geht im August 2006 zu Ende. Es ist die Zeit gekommen, einen Film zu schauen. Einen Film, den ich schon viel zu lange vor mir hergeschoben habe. Einen Film, den ich schon seit einem halben Jahrzehnt sehen möchte, ja sogar sehen muss. Ich denke zurück.

Es war vor zwei Wochen, als ich die frisch gedruckte Fernsehzeitschrift in meinen jungen Händen hielt, aufschlug und in der Wochenübersicht als Tagestipp für Samstag diesen einen Film sah. Mein Herz überschlug sich, meine Synapsen schalteten sofort und mir kam es in den Kopf geschossen wie die Kugel aus einer Walther: Das ist doch dieser Film, dieser eine Film, den du schon immer sehen wolltest, aber nie dazu kamst, es immer wieder versäumt hast oder nicht aufmerksam das TV-Programm danach durchsucht hast! “Diesmal passiert mir das nicht.”, sagte ich mir laut. “Nächstes Wochenende ist es soweit. Ich werde mir nicht nur eine Erinnerung erstellen. Dieses mal entwischt du mir nicht!” Daraufhin zückte ich meinen Taschenkalender und trug dieses persönliche Jahrhundertereignis mit einem großen roten Stift fett und deutlich ein: Samstag, ARD, 22.00 UHR – DER EINE FILM LÄUFT, NICHT VERPASSEN! Weitere Notizen wurden überall im Haus verteilt, in meinem Hausaufgabenheft zählte ich die Tage bis zum großen Ereignis. Die Vorfreude stieg von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, und schließlich am Sonnabend von Minute zu Minute.

Gleich fängt er an. War ich auf Toilette? Hab ich genügend gegessen? Wird der Kaffee seine Wirkung aufrecht erhalten? Habe ich auch wirklich an alles gedacht, womit ich verhindern kann, dass ich auch nur eine Sekunde verpasse? Ich überlege, gehe alle Vorbereitungen Schritt für Schritt durch und komme zu dem Fazit: “Jepp, du bist super gerüstet. Genieße den Abend.” Der TV-Sprecher meldet sich zu Wort, teilt mir mit, dass er jetzt kommt, der eine Film, auf den ich so sehnlichst gewartet habe. Ich möchte mich hinlegen und es mir bequem machen. Das Bild wird schwarz…

Etwas mehr als zwei Stunden später sitze ich da, kann mich nicht rühren, habe Tränen in den Augen, ein breites Lächeln im Gesicht und ein wunderbares Gefühl in meinem Herzen. Ich bin vollkommen baff und mitgenommen, bin in meiner eigenen Welt, in der dieses unbeschreiblich schöne Empfinden niemals endet, und merke erst jetzt, dass ich den ganzen Film über in dieser einen Position verharrt bin. Eine, wie mir auffällt, unübliche Position, halb sitzend, halb liegend. Wenn ich es mir so recht überlege, ist es sogar etwas unbequem. Ich wurde nicht enttäuscht von diesem einen Film. Er hat mich alles um mich herum vergessen lassen, mich vollkommen in seinen Bann gezogen und mir die wohl schönsten 142 Minuten meines bisherigen Lebens beschert. In meinen Gedanken laufen die schönen Szenen noch einmal ab, dieses Gefühl hält an. Ich stehe auf, gehe in Richtung Fernseher. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, und doch so schnell. Etwas braunes huscht an mir vorbei, oder ich an ihm? Beinahe hätte ich mir das Knie am Tisch gestoßen. Egal, ich denke nur an eines: diesen Strand, dieses wunderschöne blaue Meer, dieser alte verrostete Kutter, zwei Freunde umarmen sich und das Bild wird kleiner. Ich muss lächeln und eine weitere Träne kullert meine Wange herunter. Ich stoße gegen den Schrank auf dem der Fernseher steht. Schmerz? Nein, dieses freudige Lächeln verharrt, das warme Gefühl verbleibt. Ich hebe die Hand, wische mir den salzigen Tropfen aus meinem Gesicht, strecke meinen Zeigefinger aus und das Bild wird schwarz. Geradezu in Trance schwebe ich in mein Zimmer und lege mich mit einer Beule am Kopf schlafen.

Fünf Jahre und zwei Monate später. Ein kalter und unangenehmer Herbsttag geht zu Ende. Nach zwei Tassen Espresso ist die Müdigkeit verflogen. Ich lausche noch diesem einem Lied von Jethro Tull, ehe ich zur Tat schreite. Ich reiße die Folie von der Verpackung, entnehme eine silberne Scheibe. Mit einem breiten Lächeln der Vorfreude lege ich diese in mein DVD-Abspielgerät ein, mach es mir auf dem Sofa bequem und drücke auf Start.

150 Minuten später. Die DVD ist schon längst wieder im Hauptmenü angelangt, der Abspann lange vorbei und ich fühle mich wie damals. Noch ein Taschentuch genommen, die Tränen weggewischt und mit diesem wunderbaren unbeschreiblich schönen Gefühl, mit diesem Grinsen, dem Lächeln und in Gedanken bei dem eben Gesehenen stehe ich auf und schlage mir das Knie am Wohnzimmertisch an. Ich gehe hin zur Bildröhre, entnehme den Silberling, setze mich an meinen Laptop und fange an zu schreiben.

Noch vollkommen weltentfremdet, den Tönen von Creed lauschend, kommt langsam der Schmerz in meinem Knie hervor und ich denke: wenn es DEN perfekten Film gibt, ist es ohne Zweifel Die Verurteilten.


Vorschau: Ein Vorname als Thema? Dass das geht, werdet ihr in der nächsten Woche lesen.


Dieser Text stammt von unserem User Joeyjoejoe17. Wenn ihr die Moviepilot Speakers’ Corner auch nutzen möchtet, dann werft zuerst einen kurzen Blick auf die Regeln und schickt anschließend euren Text an ines[@]moviepilot.de

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