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While the Green Grass Grows (Parts 1+6) - Eine filmische Meditation über Leben, Zeit und Vergänglichkeit

29.09.2025 - 10:10 Uhr
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Mit "While the Green Grass Grows (Parts 1+6)" eröffnet Peter Mettler einen sehr persönlichen, zugleich universellen Blick auf Leben und Vergänglichkeit. Zwischen Naturaufnahmen, privaten Erinnerungen und philosophischer Gedanken entfaltet sich ein Film, der nicht nur dokumentiert, sondern zum Innehalten und Nachdenken einlädt.

Peter Mettlers "While the Green Grass Grows" ist ein Film, der sich schwer in eine Schublade legen lässt. Er ist Dokumentarfilm, Tagebuch und Kunstwerk in einem - eine Mischung die nicht auf schnelle Wirkung zielt, sondern den Zuschauer über die Dauer hinweg immer tiefer hineinzieht. Mettler, schweizerisch-kanadischer Regisseur und seit Jahrzehnten bekannt für seine besondere Handschrift, nimmt uns mit auf eine Reise, die im Privaten beginnt und sich Schritt für Schritt für die Allgemeinheit öffnet.

Ausgangspunkt sind Gespräche mit seiner Mutter, aufgenommen 2019. Ruhige Einstellungen, leise Worte, ein Tonfall voller Nähe und Intimität bestimmen diese ersten Minuten. Doch schon bald weitet sich der Blick: Naturaufnahmen von beeindruckender Schönheit, Wolken, Berge, fließendes Wasser treten hinzu. Die Kamera verweilt, sie beobachtet, sie drängt nicht auf. Das Tempo ist bewusst entschleunigt - ein Kontrast zur Hektik des Alltags und gleichzeitig ein Versprechen: Dieser Film will nicht konsumiert, er will erlebt werden.

Mettler verbindet persönliche Einblicke mit Themen, die uns alle betreffen. Es geht um Zeit, um Erinnerung, um den Tod und darum, was danach bleibt. Der Verlust seiner Eltern zieht sich als Leitmotiv durch das Werk, aber er wird nie sentimental ausgestellt. Stattdessen nutzt der Regisseur diese Erfahrungen, um über größere Fragen nachzudenken: Wie gehen wir mit Vergänglichkeit um? Welche Rolle spielen Geld, Besitz, materielle Sicherheit, wenn das Leben endlich ist? Und wie lässt sich das Unsichtbare, das wir nicht begreifen können, überhaupt filmisch darstellen?

Immer wieder wechseln sich Gespräche und Reflexionen mit stillen Passagen ab. Mal ist es ein Monolog, der fast wie eine Lebensweisheit klingt, mal sind es nur Bilder und Töne, die für sich selbst sprechen. Diese Struktur ist nicht linear, manchmal auch verwirrend - ein Wechsel zwischen Erinnerungen, Gegenwart und Verlust. Doch genau darin spiegelt sich die Erfahrung von Trauer und Erinnerung wider.

Besonders eindrucksvoll sind die Naturaufnahmen. Mettler zeigt sie nicht als Kulisse, sondern als Spiegel des inneren Zustands. Das Vorbeiziehen von Wolken, das Rauschen eines Flusses, das Wechselspiel von Licht und Schatten - alles verweist auf den Kreislauf des Lebens. Diese Bilder haben eine meditative Qualität, die sich auf das Publikum überträgt. Man fühlt sich weniger als Zuschauer, sondern eher als Teil einer Bewegung, die größer ist als das Individuum.

Auch die Pandemie findet Eingang in den Film. Mettler reflektiert nicht die gesellschaftspolitische Dimension, sondern die persönliche Erfahrung von Isolation, das Alleinsein im eigenen Haus, das Empfinden von stillstehender Zeit. So reiht sich auch diese Phase in die größeren Themen des Films ein: Leben, Tod, Zeit, Vergänglichkeit.

Die Stärke von "While the Green Grass Grows" liegt nicht nur in den Bildern, sondern auch in der Haltung, die er transportiert. Mettler nähert sich seinen Eltern, dem Tod und dem Leben selbst mit einer Mischung aus Offenheit und Demut. Er urteilt nicht, er erklärt nicht, er lässt zu. Das macht den Film besonders - er will nicht belehren, sondern begleitet den Zuschauer dabei, eigene Gedanken und Gefühle zu entwickeln.

Manches mag fordernd wirken. 166 Minuten Laufzeit verlangen Geduld und die Bereitschaft, sich einzulassen. Für ein Publikum, das schnelle Geschichten und klare Erzählungen sucht, ist der Film womöglich zu sperrig. Doch wer sich auf ihn einlässt, wird belohnt: mit Bildern die nachhallen, mit Gedanken die man noch Tage später mit sich trägt, mit einer Erfahrung, die selten geworden ist im Kino unserer Zeit.

Dass Mettler über Jahre gedreht hat, spürt man in jeder Szene. Noch einmal taucht die Mutter auf, dann ist sie bereits nicht mehr da. Der Film wechselt zwischen Gegenwart und Erinnerungen, zwischen Leben und Abschied. Er ist weniger abgeschlossenes Werk als vielmehr ein Prozess, ein Fließen, so wie das Leben selbst.

"While the Green Grass Grows" ist kein leichter Film, aber einer, der in seiner Konsequenz, Ehrlichkeit und künstlerischen Klarheit herausragt. Er schafft es, das Persönliche und das Universelle miteinander zu verbinden, Trauerarbeit in eine poetische Bildsprache zu übersetzen und dabei den Zuschauer einzuladen, selbst nachzudenken, zu fühlen, innezuhalten. Das macht ihn nicht nur zu einem wichtigen Dokument persönlicher Geschichte, sondern auch zu einem Werk, das für ein internationales Publikum von Relevanz ist.

Kurzfazit: "While the Green Grass Grows (Parts 1+6)" ist ein meditativer, visuell beeindruckender Dokumentarfilm, der intime Einblicke in Leben, Vergänglichkeit und Abschied gewährt. Die außergewöhnlichen Naturaufnahmen, die persönlichen Interviews und der sorgfältige Einsatz von Bild und Ton erzeugen eine Erfahrung, die zum Nachdenken einlädt und lange nachhallt. Der Film ist ruhig, dialog- und bildlastig, stellt Geduld und Aufmerksamkeit in den Vordergrund - ein Werk, das eher berührt und reflektiert als unterhält.

"While the Green Grass Grows (Parts 1+6)" startet ab dem 02.Oktober 2025 in den deutschen Kinos

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