Community

Wer hat die Natur getötet?

22.01.2020 - 17:49 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Why o why must the nature die?
Ghibli
Why o why must the nature die?
5
5
Angefangen als Gedankengang zum heute gesichteten Die Spur, aber zu langes Wirrwarr, das ich nun so manifestiere als keinen fundierten Kommentar, sondern als öffentliches Tagebuch-Venting zum Stand der Gesellschaft. Alarmstufe: Rot.

"Ihr läuft an Metzerläden vorbei und seht Fleisch. Es ist aber jemandes zerstückelter Körper!"
Die Spur

Die Menschen vernichten seit Jahrzehnten die natürliche Welt. Nur seit Jahrzehnten. Die Eltern der Großeltern wurden in eine sauberere Welt geboren, wo Mensch und Tier noch harmonischer miteinander leben konnten, wo noch keine Weltkriege stattgefunden haben. Das ist nicht lange her. Das Dämmerung nach der Industrualisierung brachte ein rotes Licht, oder vielleicht ein gelbes, ein artifizielles.

Thomas Edison erfand die Glühbirne, und mit ihr beleuchtete er das in seinem Leben und in der Zeit, um die Schatten zu der dunklen Seite, der dreckigen Realität der Ambivalenz zu vergrößern. Thomas Edison. Mörder des Louis Le Prince? Dem Heiligen des Films, wie der Homo Erectus vor hunderttausenden Jahren das Feuer schuf, nur eine leise Ahnung von der Bedeutung in ferner Zukunft. Und verschwunden. Thomas Edison. Ganz sicher aber beteiligt am Mord eines fälschlich als gefährlich verurteilten Zirkuselefanten, ganz stolz seinen gewaltigen, elektrischen Stuhl der Welt zeigend. Topsy. Der erste, per Film aufgenommene Tod eines Tieres. Ein Elefant. Ein armer, schöner Elefant namens Topsy mit einem furchtbaren Leben. Jetzt auch in Ihrem lokalen Kinetoscop.

Ah, aber Edison wusste es nicht besser, er war gefangen in seinem kapitalistischem Wettbewerb, er musste der große Erfinder sein, immer schon, immer schon. Reiner Kollateralschaden, und Le Princes mysteriöses Verschwinden kann man doch auch nicht ihm anhängen. Es gibt aber Fragezeichen und es ist immer wert, die nicht zu vergessen. Es ist sogar notwendig, sie zu besprechen, sie aufzuwerfen und die Schubladen, die man über die Welt angelegt hat, offen zu halten.

Kritisches Denken wird immer und überall gepredigt, Rechts und Links und Konservativ und Liberal und all die allzu kritischen Schubladen, die allzu viele kritisch denkende Menschen bereits abgeschlossen und als Faktum akzeptiert haben, dessen Definition zu hinterfragen bloße Zeitverschwendung ist. Flüchtlinge, Krieg, Fleischindustrie, Wehrpflicht, Bienen, H&M, Iran, ja, sogar das Tempolimit ist in aller Munde, wenn es gerade in den Medien herumgeistert. Und dann ist es vergessen. Niemand redet mehr darüber, dass die Fleischindustrie weltweit allen Seelen Unrecht tut, Dantes Höllenfeuer bei aller Ironie wider jeder Bibelstrophe zur Realität machte für das Schaf, für das Lamm. Aber immer noch als Opfer für einen atheistischen Gott. Den einzigen Gott, der noch eine Rolle spielt. Der Mensch. Der Mensch, der über allem steht, der Mensch, der die Tiere nicht braucht, der die Wälder nicht braucht, der die Luft nicht braucht, nicht mal eine Atmosphäre braucht der Mensch.

Bis alles weg ist, verdorrt, bis Mahnflecken in der sehr, sehr jungen Geschichte wie Tschernobyl, Nagasaki, Segregation, unrechte Todesverurteilungen, brennende Wälder, Tierseuchen an der endlosen Zahl, die zuletzt ganz Nordkorea in reinstes Terror verlaufen ließen, Weltkriege. Alles bekannt, alles kritisch bedacht, sich dessen bewusst, und in all seiner Ignoranz macht der Mensch einfach weiter wie gehabt, wie gehabt. Man geht also wieder in den H&M, aber jetzt spendet man seine Kleidung, damit die vom Markt versklavten Arbeiter in Afrika, in Asien genau die sie auffressende Maschinerie unterstützend ihre selbstgenähte Bluse zurückkaufen kann, genau die Bluse mit dem kleinen, heimlichen Zettel unter der Naht: Hilfe. Nur ist der verschwunden, die Naht gerissen, die Bluse dreckig. Und ein neuer Zettel haftet da jetzt, ein Wort darauf, am iPhone geschrieben und zuhause ausgedruckt: Nein.

Die Ignoranz ist unermesslich, die Motive des Vegetariers werden akzeptiert, aber wieso hat der Idiot denn was gegen Milch? Und immerhin esse ich kein Soja, denn bekanntlich ist das die Ernährungsgrundlage eines jeden Veganers, und das rechtfertigt nicht nur den wöchentlichen Konsum von Kilos an Fleisch, sondern auch das glückliche Kaufen im McDonald's, im Supermarkt, denn Bio ist teuer, Fairtade auch, und das kann man sich doch nicht leisten, nicht ohne zu verzichten, ohne etwas sparsamer zu leben, und wo kämen wir denn dann hin? Am Ende müssen wir uns noch unsere eigenen Smartphones basteln! Immerhin zahle ich viel für die, da kommt bestimmt viel an beim kleinen Arbeiter, deshalb bestelle ich auch möglichst alles über Amazon Prime, aber unbedingt mit der Schnellsende-Funktion.

Und die Ignoranz geht noch weiter. Man will doch nur bequem leben, das Leben ist doch schon so stressig mit all seinen Freiheiten, man muss sich ja um alles selbst kümmern, und sich mit so vielem auseinandersetzen, na ja, wenn man mal ehrlich ist, da hat eine Diktatur doch schon was für sich, eigentlich war die DDR auch gar nicht so schlimm. Ist doch auch alles egal, Hauptsache ich werde unterhalten. Wie sprach Ricky Gervais so eloquent, mutig und legendär bei den Golden Globes, vor den Augen aller, vor den Augen ganz Hollywoods, vor den Augen Apples, vor den Augen der Welt?

Apple rolled into the TV game with a superb drama about the importance of dignity and doing the right thing, made by a company that runs sweatshops in China. So, you say you're woke, but the companies you work for, unbelievable: Apple, Amazon, Disney. If ISIS started a streaming service, you'd call your agent, wouldn't you?
Und es wird weitergelacht, gelächelt und vergessen. Und es stimmt: Man kann nicht perfekt leben. Das hieße ein Mönch zu werden, den halben Planeten zwanghaft zu sterilisieren, und das ist ja im Grunde gar nicht dumm! Ach so, ich auch?? Muäh. Äh. Kritisch denken heißt aber Kompromisse machen, ehrliche Kompromisse, oder sich einzugestehen, dass es einem scheißegal ist, wie fürs Daumen im Mantel völlig unnötigerweise die Gänse am lebenden Leibe zerrupft werden, mit Stahlröhren im Schnabel gemästet für den Weihnachtsbraten, dass die schicke Kleidung von vernarbten Kinderhänden genäht wurde und dass der Kaffeebecher am Morgen und die Cantina-Wurstsemmel am Mittag die Umwelt bespuckt, und nicht nur das Leben der Tiere, denn das Argument ist alt und deshalb langweilig (das ist ja bereits salonfähig und die meisten Vegetarier halten sich eben auch für was Besseres, warum also an Flexitarismus auch nur denken, ich hab einen Hund, also bin ich ein Tierfreund!), nicht nur das Leben der Tiere also, sondern auch das Leben der eigenen Kinder, wenn die Abgase von der Massentierhaltung, wenn der Müll vom Becher, wenn all das im Unterbewusstsein verdrängt wird, denn aus den Augen, aus dem Sinn, und die abstrakte Schönewelt, die dem Westen virtuos verkauft wird von einer mit Erdöl zur Perfektion geschmierten Megaindustrie, die bleibt bestehen, bis man sich wieder eine Doku ansieht oder was Krasses in den Nachrichten kommt über irgendwas, über das man dann ein paar Tage oder Wochen ein wenig betroffen tut, bis man es einfach nicht mehr ohne Mecces aushalten kann.

Wo sind da die Kompromisse, frage ich mich? Du bist kein schlechter Mensch, weil du kein Veganer bist. Du bist auch kein schlechter Mensch, wenn du ein Amazon Prime-Abo hast. Aber sorgst du für das Gleichgewicht? Oder hört es bei dem Gedanken dazu auf, wenn du peinlich berührt einem jungen Menschen von der WWF erklären musst, dass du deren Sache ja megacool findest, aber gerade leider keine Zeit hast. Und das glaubst du dir auch noch. Wenn du, völlig verblendet von der schnelllebenden Unterhaltungsindustrie, von dem von Reizüberflutungen dominierten Alltag, wo das Handy pausenlos bing macht und Netflix dir alles bietet, müde, mental ausgelaugt bist und erklärst, dass du früher voll gern gelesen hast, aber heute nicht, heute fehlt die Zeit. Die Energie fehlt, für die Investition in Gutes, für die Auseinandersetzung mit Politik, fürs Spazierengehen, fürs Essen am Tisch; für das Leben im Moment. Und deshalb ist es im Wald, auf den Bergen so inspirierend, wenn das Handy nicht dabei ist. Die Flucht vor der Realität des Alltags. Eskapismus. Eskapismus? Nein. Das ist kein Eskapismus. Das Smartphone und der verarbeitete Schinken ist der Eskapismus, die die Industrie erfolgreich als Realität verkauft hat, um die Wahrheit hinterm Vorhang zu verbergen.

Und die Wahrheit ist, dass wir unser Leben in unseren eigenen Händen halten. Dass Politik nicht von den alten Anzugträgern gemacht wird. Ja, der Bundestag kniet ängstlich vor der Industrie. Die Industrie steht, die Angst hinter einer Maske aus Selbstvertrauen, genauso ängstlich vor dem Verbraucher. Vor uns. Inzwischen ist das Selbstvertrauen groß geworden. Die Menschen sind Puppen, Sklaven des Smartphones, denn "ohne WhatsApp könnte ich ehrlich gesagt nicht", Opfer der Konzentration, denn "auf ein Buch kann ich mich nicht mehr einlassen", Witwen & Witwer des Moments und der Mäßigung, denn "die Serie habe ich natürlich an einem Wochenende durchgesuchtet!", und zuguterletzt Mörder der Bewegung um Gutes, denn "ein Mensch allein kann nichts ausrichten".

Wird Zeit, mal wieder ins Kino zu gehen, einen Spaziergang zu machen, ein Buch zu lesen. Das Handy zuhause gelassen, das Internet wieder als Mittel zum Zweck erkannt und die Natur und der Moment als die einzige Wahrheit wiedererkannt. Noch gibt es Wälder, Füchse und Schönheit. Damit beruhigt man sich, seit Tagen nicht die Stadt voll Asphalt verlassen. Aber ich weigere mich, der Dämmerung entgegenzublicken, an der ich in der grauen Stadt aufwache und es keinen Wald mehr gibt, der Trost spenden kann.


Some have said that I was given keys to the city of your dreams
I'm more content to walk outside the walls and catch a breeze
I'm more inclined to climb on by or ride internal seas
I'm more alive to vibe inside a mansion full of trees
I do this for a reason that they can't pretend to glean
I lose myself infused in something more than what they've seen
I'm not a slave to greed
I don't embrace your make believe
I've never been for sale no matter what they think I need
So let it be decreed
Let this music serve the deed
Let it spread like a disease
Let it spawn a noble seed
There's more than meets the eye
There's more than meets the price
If you can't see the sky there's too much artificial light

Zack Hemsey
The Way


Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News