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Warum Rapunzel besser ist als die Eiskönigin

07.01.2015 - 09:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Nur, falls jetzt die Steine fliegen. Ich duck mich schon mal...
Disney
Nur, falls jetzt die Steine fliegen. Ich duck mich schon mal...
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Bei meinem letzten Ranking haben sich viele gewundert, wo denn die animierten Filme von Disney wären. Hier sind sie, sie bekommen nämlich einen eigenen Artikel.

Ich weiß nicht, ob ich mittlerweile die Hoffnung aufgegeben habe, dass Disney wieder zu seinen Wurzeln zurückkehrt und wieder gezeichnete Filme macht. Vermutlich schon. Und deshalb habe ich mich denn doch mit den zwei neuesten, computeranimierten Streifen angefreundet, namentlich Tangled, im Deutschen Rapunzel - Neu verföhnt und Frozen oder Die Eiskönigin - Völlig unverfroren.
Und ich fand beide gut. Während sich aber die Reaktionen auf Tangled eher in Grenzen hielten, trat Frozen einen Hype los, wie ich ihn lange nicht mehr bei einem Disneyfilm erlebt habe, er räumte Auszeichnungen inklusive Oscar ab und hat mittlerweile sowas wie Kultstatus.

Let it go...

Um das direkt zu Anfang klarzustellen: Ich MAG Frozen. Ich finde den Film spannend und schön gemacht und habe ihn glaube ich auch relativ hoch bewertet, denn er macht viel Spaß und die Musik ist gut. Aber ich verstehe beim besten Willen den Hype nicht!
Im Gegensatz dazu finde ich Rapunzel nämlich etwas vernachlässigt. Denn nachdem ich es nicht ins Kino geschafft hatte und auch irgendwie nie Geld für die DVD da war, fand ich den Film komplett als Videodatei auf meinem neugekauften Laptop. Ich weiß bis heute nicht, wie er da drauf kam, ich weiß nur, er war da und ich habe ihn natürlich sofort angesehen und war absolut angetan. Es fühlte sich nicht wie ein typischer Disneyfilm an, aber er hat mich so sehr begeistert, dass ich ihn seither regelmäßig ansehe. Immer und immer und immer wieder. Auch hier von vornherein: Ich weiß, dass auch dieser Film so seine Schwächen hat (siehe an manchen Stellen extreme Kitschigkeit und Disney-übliche Logiklücken). Aber ich habe diesen Film lieben gelernt und zeige euch jetzt, warum er für mich Frozen immer übertrumpfen wird.

Ein wunderbar ha(a)rmonierendes Paar. Entschuldigt, der musste sein...

Tja, wo fange ich an? Wohl an meiner Lieblingsstelle: Den Charakteren, und hier direkt beim Helden selbst. Ich werde bei Frozen jetzt erst einmal Anna nehmen, denn so gerne ich Elsa hierzu heranziehen würde, für mich war sie nämlich die interessantere Heldin, von ihr war einfach zu wenig zu sehen...Wie dem auch sei.
Ich habe Rapunzel innerhalb kürzester Zeit sehr lieb gewonnen. Anfangs vermutete ich etwas barbiehaftes hinter dem rosa Kleid und den blonden Haaren, doch dies stellte sich schnell als Irrtum heraus. Sie hat den Kopf genauso in den Wolken wie ich, malt wie ich jede verfügbare Fläche an und würde für ihre (wenn auch nicht tatsächliche) Mutter alles tun. Auch sonst ist sie einfach eine sehr angenehme Heldin. Sie versucht, lässig zu wirken, ist aber zu aufgedreht und tollpatschig, um wirklich so rüberzukommen. Doch das macht ihren Charme aus.
Und je länger ich über die liebenswerte und irgendwo doch weise Art von Rapunzel nachdenke, desto mehr wird mir bewusst, dass Anna eigentlich nur eine Wiederverwertung davon ist. Sie kommt genau wie Rapunzel zum ersten Mal in die Welt hinaus, ohne es wirklich zu planen, und gewinnt mit ihrer etwas ungeschickten, fettnäpfchensuchenden, unerfahrenen aber offenherzigen und irgendwo auch niedlichen Art selbst ruppigere Zeitgenossen für sich. Sie tut sich mit einem einsamen Wolf zusammen, weil beide davon profitieren und verliebt sich dann in ihn. Sie ist neugierig und irgendwie lieben sie alle. Während Rapunzel das aber authentisch rüberbringt und meiner Meinung nach sehr charismatisch ist, bleibt mir Anna stets zu blass, mit ihr konnte ich nie so recht mitfiebern, auch wenn ich sie gern habe. Ich hätte lieber mehr von Elsa gesehen.

...und ein etwas verwirrendes Paar.

Gehen wir doch direkt weiter zu den Männern. Flynn Ryder ist nicht gerade das Neueste vom Neuen und auch nicht ultraoriginell, aber seine dreiste, lockere Art und die Tatsache, dass er alles für seinen Traum zu opfern bereit ist, machen ihn sehr sympathisch. Und er und Rapunzel entwickeln eine Beziehung, die für mich einfach richtig und schön schien.
Auch Kristoff punktet durch seine Eigenheit, doch irgendwie wirkt seine Lovestory mit Anna etwas an den Haaren herbeigezogen, wo sich die doch nur einen Tag zuvor noch mit Hans verloben wollte. Den sie nach einem Abend schon heiraten wollte. Überhaupt haben mich die Liebesbeziehungen von Anna etwas verwirrt, denn irgendwo wusste ich, sie würde bei Kristoff landen, aber Hans passte doch gut und wirkte irgendwie gesetzt und er verhielt sich auch wirklich nicht hinterhältig. Der Blick, wie er ihr nachsah, war eindeutig ehrlich verliebt und kein „Ich habe dich, wo ich dich haben wollte“-Blick. Den Twist von Schwesternliebe statt überstürzter „wahrer Liebe“ zu einem Kerl am Schluss fand ich schon gut, wenn der Weg dahin nur nicht so verwirrend gewesen wäre. Denn ehrlich, wer ist in Frozen der Bösewicht?

Flynn und sein gezwungenermaßen neuer bester Freund Maximus

Was uns zu ebendiesen bringt. In der Eiskönigin ist es ja offenbar Hans. Und das kam mir doch irgendwie sehr plötzlich. Nachdem Elsa es ja nicht sein durfte, musste eben ein Böser her, und da bot sich Hans wohl an.
Im Gegensatz hierzu steht Rapunzels unfreiwillige Adoptivmutter Gothel. Die hat es nämlich ganz schön in sich. Sie ist mit Abstand einer der attraktivsten Disneybösewichte, und ihre Jugend und Schönheit sind zugleich ihre fieseste Eigenschaft, erschleicht sie sich diese doch, weil sie Rapunzel dafür ihre Freiheit und tausenden von Menschen die Möglichkeit auf Heilung stiehlt. Doch sie hat stets etwas Bemutterndes, etwas so Liebes, das aber zugleich irgendwo falsch wirkt. Sie verpasst mir eine Gänsehaut, wie es ein Böser sollte. Und während es in Frozen aus Ermangelung eines echten Gegners auch kein richtiges „Villain“-Lied gibt, präsentiert Mutter Gothel einen der wohl coolsten der Disneyfilme. „Mutter weiß mehr“ ist fröhlich, einlullend und gefährlich zuckersüß. Und seine Reprise „Rapunzel weiß mehr“ ist das genaue Gegenteil und jagt einem richtig schöne Schauer den Rücken hinunter.

Von den Hauptcharakteren mal weiter zu den Sidekicks. In Frozen wären das dann Sven, das Rentier, und Olaf, der sprechende, lebendige kleine Schneemann, in Tangled hätten wir das kopfgeldjagende Palastpferd Maximus und Pascal, das Chamäleon. Während ich Sven und Maximus gleich cool finde (auch wenn Maximus einfach so viel herrlicher bizarr ist, ich meine, er ist ein Pferd, das Steckbriefe frisst, auf eigene Faust Verbrecher jagt und Schwertkämpfe bestreitet) hat Pascal Olaf eines voraus: Er redet nicht! Pascal ist wortlos lustig, quietscht nur ab und an und ist einfach putzig, wohingegen mir Olaf oft zu latent albern und klamaukig ist.

Olaf, ernsthaft. Ein Schneemann im Sommer?!

Die witzigen tierischen Sidekicks sind wohl auch der größte Grund dafür, dass ich bei Rapunzel immer mehr lachen muss als bei Frozen. Trotz allem hält sich der Film die Waage zwischen Witz und Ernst, doch die lieben Raufbolde, die verpeilten Stadtwachen und kleinen Seitenhiebe wie die Tatsache, dass die Steckbriefmacher Flynns Nase nie hinbekommen, haben mir doch wesentlich mehr Lacher entlockt als beispielsweise die Steintrolle in Frozen.
Allgemein finde ich in Tangled einfach unglaublich viele kleine Momente, verspielte Details, die mich zum Lächeln gebracht haben oder mir Gänsehaut verpasst haben. Als vor der Laternenzeremonie die Königin ihrem Mann die Kette zurechtrückt und er fast in Tränen ausbricht ist einer dieser Momente. Er ist so ehrlich, so einfach und berührend, dass ich jedes Mal selbst fast weine. Oder der Tanz auf dem Marktplatz, den Rapunzel mit einem kleinen Jungen eröffnet. Ich will immer mittanzen. Der kurze Moment, in dem sich Flynn und Rapunzel mit ihren Kuchen vor den Wachen verstecken, und fast loslachen müssen ist so einer. Diese kleinen Momente haben mir in Frozen irgendwie gefehlt, wenn sie auch ansatzweise da waren.

Auch finde ich im Großen und Ganzen die Kulisse in Rapunzel herrlich abwechslungsreich und liebevoll detailreich gestaltet, von kleinen bis hin zu großen Szenerien, die atemberaubend schön waren. Rapunzels Turm, der über und über mit ihren Bildern bemalt ist. Das Tal um den Turm herum mit seinem kleinen Bach und dem Efeu, der Wald mit knorrigen Bäumen und Heidekrautflächen, der bizarre Raufboldpub „Zum Quietscheentchen“. Der Steinbruch mit seiner Canyon-Optik. Ganz besonders die Stadt und der See und das umwerfende Bild der Laternen in der Nacht. Es hat alles einen eigenen Zauber, der bei Frozen immer nur um Elsa herum da ist. Ihr Schloss, ihre Eiskreationen, eben alles, was sie bewusst mit ihren Fähigkeiten erschafft. Die gewöhnlichen Winterszenarien werden auf Dauer etwas eintönig weiß. Allerdings muss ich einräumen, dass die gefrorenen Tautropfen am Seeufer schon sehr schön waren.

Elsas Werke kommen leider etwas zu kurz...

Von der Handlung und Botschaft will ich jetzt nicht groß anfangen, denn da sind beide Filme nichts allzu Originelles, aber das müssen sie auch nicht sein. Der eine sagt, es lohnt sich, für seinen Traum zu kämpfen und den Schritt ins Unbekannte zu wagen. Der andere sagt, Liebe heilt alles (was die Eltern von Elsa und Anna ja wirklich schon zu Anfang hätten begreifen können...das hätte ihr viel Ärger erspart!) und man sollte es mit ihr aber nicht überstürzen. Passt ja beides und ist schwer vergleichbar.
Aber einen Punkt muss man bei Disney nunmal ansprechen: Die Lieder. Es wird viel gesungen, wie immer. Und hier besticht Tangled für mich wieder einmal mehr, schon allein, weil es einen anständigen Bösewicht-Song hat. Zudem ist das Liebesduett minimal kitschig, dafür maximal schön und nicht so quietsch-fröhlich wie das in Frozen. Ich hab‘ nen Traum im Quietscheentchen bringt mich tausendmal mehr zum Schmunzeln als das Lied der Trolle oder Kristoffs doch etwas seltsames Solo für Sven. Und ja, da wäre noch Let it go, aber wem das mittlerweile nicht auf die Nerven geht, der hat entweder Nerven wie Drahtseile oder er lügt. Obwohl ich es schön finde, erschöpft es sich schnell. Doch der Soundtrack von Tangled schlägt mit dem Kingdom Dance auf dem Marktplatz jedes Motiv oder Thema aus Frozen, zumindest für mich, denn hierbei bekomme ich jedes einzelne Mal Gänsehaut, egal, zum wievielten Mal ich es anhöre. Insgesamt wohnt diesem Soundtrack eine Leichtigkeit und Unbeschwertheit inne, die mich einfach bezaubert.

Fazit: Beide Filme haben ihre Stärken und Schwächen, aber auf vielen Ebenen hat mich Tangled einfach so gepackt und fasziniert, dass Frozen nicht mithalten kann und ich es schade finde, dass er so unglaublich gehyped wird, wo sein Vorgänger doch ein ebenso und eigentlich schöneres Stück Arbeit aus Disneys Märchenschmiede ist.

Und jetzt kann die Diskussion beginnen: Welchen der beiden Filme habt ihr lieber? Könnt ihr meine Meinung nachvollziehen, oder habe ich euch vor den Kopf gestoßen?

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