Warum ich keine Kriegsfilme mag

03.09.2014 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Johnny zieht in den Krieg
Arthaus / Kinowelt
Johnny zieht in den Krieg
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… oder warum auch ein sogenannter Antikriegsfilm immer noch ein Kriegsfilm ist. Kann etwas zugleich spektakulär bebildert und verurteilt werden? Ein Genre zwischen Anliegen und Paradoxon.

Seit jeher hat sich der Kriegsfilm mit einem bekannten Widerspruch auseinanderzusetzen: Er muss etwas bedienen, das er beanstanden möchte. Die These vom Kriegsfilm, dessen Darstellung sich kontradiktorisch zwischen Verurteilung und Bestätigung bewegt, versucht dem Unbehagen Gewicht zu verleihen. Ich werde keine Bäume einreißen, wenn ich die zweifelhaften Bedingungen eines Genres kritisiere, das ohne seine Paradoxien gar nicht erst zu einer Form hätte finden können - schon die erforderlichen Begrifflichkeiten, mit denen sich jede Rezeptionsästhetik von Kriegsfilmen Ausdruck verschaffen muss, bereiten mir Schwierigkeiten. Ist der Kriegsfilm tatsächlich ein eigenes Genre, wenn er wesentliche Überschneidungen mit dem Western und Actionfilm aufweist? Ist er nicht vielmehr als ein Stil zu begreifen, der offenbar problemlos Verwendung findet auf Abenteuer-, Fantasy- oder Science-Fiction-Geschichten, ohne dass wir sie deshalb Kriegserzählungen nennen? Was meint die Bezeichnung des Antikriegsfilms, wenn sich jede Kriegsdarstellung nachdrücklich positionieren muss, um den genannten Widerspruch auszuräumen?

Der gute Kriegsfilm

Die Unterscheidung von Pro- und Antikriegsfilm scheint mir der wenig sinnfällige Versuch, Kriegsfilme in richtig und falsch zu ordnen. Da sich beide Formen der Inszenierung ästhetisch ähneln, kann diese Differenzierung eigentlich nur eine ideologische und dadurch immer schon von Geschmacksurteilen geleitete sein. Wenn es kriegsaffirmative Filme gibt, die ihren Gegenstand als etwas Gewissenhaftes oder Notwendiges verstehen (propagandistische Filmproduktion, Staatskunst), dann sollen Antikriegsfilme mit ihrer Darstellung, nehme ich jedenfalls an, das Gegenteil bewirken. Ist ein guter Kriegsfilm also ein Film, der auf die Unrechtmäßigkeit organisierter gewalttätiger Konflikte hinweist, der systematisches Töten anklagt und nicht gegnerische Parteien, sondern die "allgemeine Sinnlosigkeit" von Krieg und Verderben aufzeigt? Ist das wiederum eine Erkenntnis, für die es zahlreiche Kriegsfilme braucht? Und vor allem: Muss sich eine "gut gemeinte" Unterrichtung in Kriegsmakulatur somit gegen Bedenken durchsetzen, sie könne die Fürchterlichkeit des Krieges nur vermitteln, indem er ausdauernd nachgestellt und reproduziert wird?

Spektakelkino

Um Krieg verurteilen zu können, muss Krieg empfindsam gemacht werden. Filmemacher haben dazu verschiedene, meist konventionelle Erzählansätze und die stets neuesten technischen Möglichkeiten des Mediums genutzt. Ein Mainstreamfilm über Krieg darf kein Film ohne Kriegsspektakel sein, da gibt es, allen ideologischen Unterschieden zum Trotz, selbst im Autorenkino kaum eine Ausnahme. Ich habe Krieg glücklicherweise bisher nie hautnah erleben müssen, aber er erscheint mir als etwas vollkommen Abstraktes, das im Kino am ehesten verfremdet darstellbar ist, oder soweit subjektiviert, dass nichts, was über ihn erzählt wird, von allgemeiner Bedeutung sein muss (intime, vielleicht sogar unwirkliche Erfahrungsrealitäten). Für dieses Empfinden kann der Kriegsfilm erstmal nichts, auch wenn ich glaube, mich an seinen Bildern satt gesehen zu haben. Dennoch muss er sich mit der Frage nach den Möglichkeiten seiner Abbildung beschäftigen. Und das tun, denke ich, die wenigsten, wenn das eigentlich Unvorstellbare durch filmische Konventionen fassbar gemacht werden soll - ein Kriegskino der Explosionen, Schießereien und Kämpfe.

Pixelbomben

Meist sind Kriegsszenen in Kriegsfilmen so aufbereitet, dass sie sich leicht aus Kontext und Anliegen lösen lassen. Ich habe filmische Kriegsdarstellung auch deshalb als Stil in Frage gestellt, weil sie ohne Schwierigkeiten in andere Genres übertragen werden kann. Die Dschungelexplosionen und heroischen Männertode in Vietnamfilmen wie Platoon oder Die Verdammten des Krieges unterscheiden sich nicht wesentlich von der vergnüglichen Kriegsinszenierung aus Predator oder Missing in Action 2 - Die Rückkehr. Steven Spielbergs Versuch einer ultrabrutalen Authentizität vermittelnden Exposition in Der Soldat James Ryan wurde für die Schlachtszenen eines Gladiator oder Centurion stilistisch problemlos adaptiert, die spektakulären Flugmanöver aus Der Rote Baron ähneln der Weltraumschlacht in Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith bis ins Detail. Solche nunmehr digitalen Inszenierungen des Blockbusterkinos haben selbstverständlich auch den Kriegsfilm erreicht: In den Pixeln gezündeter Bomben, durchs Bild gleitender Militärmaschinerie und nicht zuletzt sterbender Zivilisten und Soldaten ergeben sich noch einmal ganz besonders disparate Eindrücke der Kriegsdarstellung.

Kriegsfilmästhetik als Reklame

Damit ist zunächst nur ein ästhetischer Widerspruch beschrieben. Verkompliziert wird er noch durch die Art, wie Kriegsfilme von tatsächlicher (zeitgenössischer) Kriegsberichterstattung zu unterscheiden sind. Im Vorwort des Reclam-Hefts zum Kriegsfilm (herausgegeben von Thomas Koebner) verweisen die Autoren auf Robert Eberwein, der den Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 als ersten Krieg bezeichnete, zu dem Filmaufnahmen gemacht worden seien. Die künstlerische Darstellung habe sich seit jeher von der dokumentarischen Abbildung inspirieren lassen (oder vice versa), eines bekannten Buches von Paul Virilio zufolge sei jede technologische Medien- auch untrennbar an Militärentwicklung gebunden. Oberflächlich belegt scheint diese Annahme bereits durch einen reinen Vergleich oscarprämierter Kriegsfilme wie Black Hawk Down oder Pearl Harbor mit üblichen Rekrutierungsvideos der US-Armee, die militärisches Pathos und eine Werbefilmsprache im bekannten Colorgrading-Modus kombinieren, bei der es kaum nennenswerte visuelle Unterschiede zu, sagen wir, Butter- oder Autoreklame gibt.

Ohne Ideologie kein Kriegsfilm

Das Unbehagen sitzt natürlich tiefer. Damit ein sogenannter Antikriegsfilm in der gewöhnlichen Art, wie er aufbereitet ist, überhaupt zu einer verurteilenden Position finden kann, muss er die Ideologie des Krieges wenigstens einen Moment lang bestätigen. Ohne die Konstruktion des Krieges und seine (filmischen) Überhohungen kann er scheinbar keine publikumswirksame Geschichte über ihn erzählen. Wenn er die Ideologie organisierten Tötens anprangert (und sehr oft richten sich die Einwände gegen Formen der Obrigkeit, Soldaten haben als verzweifeltes Fußvolk zu kämpfen und zu leiden), muss er sich erst in ihr einrichten und vielleicht sogar mit ihren Bedingungen arrangieren. Das kann einen subversiven Effekt haben, in der Regel produziert es aber Kriegsfilme, die ihre Kritik am System, an der Durchführung und Aussichtslosigkeit einschränken - das, was sie in imposante Bilder gießen, können sie nicht grundsätzlich zur Disposition stellen. Diese Bilder sind Varianten der Darstellung kriegerischer Konflikte und kriegerischer Gewalt, also notwendigerweise stilisiert (dem damit verknüpften Missverständnis des Zeigens, wie es "wirklich war", erlag zuletzt Uwe Boll).

Die Mär des heldenhaften Todes

Der Kriegsfilm hat sich dadurch in eine Sackgasse manövriert, seinen Machern ist das vielleicht auch bewusst - ständig wollen sie die konkretisierten Kriegsszenarien noch mit Bedeutung füllen und sich der Legitimität ihrer Arbeit versichern. Zahlreiche Kriegsfilme, darunter auch diejenigen, die häufig als Musterbeispiele angeführt werden, erzählen die Mär des heldenhaften Todes: Einerseits mit Menschlichkeit als falschem Impuls, um die Gewalt des Krieges nicht gleichgültig zu zeigen (was ein tatsächlich konsequenter Kriegsfilm möglicherweise tun müsste), andererseits als Befriedungskomplex eigener kultureller Ideologien. In der Darstellung der Männerbündnisse, die zumeist von Kameradschaftlichkeit, Vaterlandstreue oder auch großer Skepsis gegenüber dem jeweiligen Auftrag bestimmt sind (es spielt eben keine Rolle, wie der Kriegsfilm das im Einzelfall bewertet, so lange er die Gegebenheiten des Krieges zu akzeptieren hat), äußert sich oft eine (versehentliche?) Sehnsucht nach Sinnstiftung. Unsere Männer, unsere Helden, unser Land. Und es soll, es darf einfach nicht vergebens gewesen sein.

Der erträgliche Krieg

Solche Romantik markiert dann auch die problematische Schwelle, an der Kriegs- und Propagandafilm unter Umständen nicht mehr zweifelsfrei zu unterscheiden sind. Kriegsfilme werden gern mit Kinostars besetzt, um einer unüberschaubaren Masse repräsentierende Gesichter verleihen zu können (einen diesbezüglich radikalen Umgang pflegte Terrence Malicks Der schmale Grat, in dem selbst Auftritte prominentester Schauspieler nach Belieben aus dem Film geschnitten wurden). Diese Art der Inszenierung trifft schon auf Ebene der Figuren Entscheidungen, die für eine bestimmte Wirkung des jeweiligen Kriegsfilmes kennzeichnend sind. Es entstehen Unterschiede, die innerhalb der planmäßigen Auslöschung des Menschen Nähe zu einzelnen Charakteren wie gleichzeitig Empathie für die Falschheiten der dargestellten Vorgänge herstellen. Nicht allein wird Krieg erräglich, wenn man ihn mit Kinogrößen wie John Wayne, Kirk Douglas oder Tom Hanks durchstehen darf, er intensiviert auch seine Wirkung gegenüber gesichtslos dargestellten oder in klischeehafte und rassistische Stereotypen des zum unsichtbaren Aggressoren degradierten Gegners.

Wundenlecken

Filme wie Tora! Tora! Tora! oder Letters from Iwo Jima haben versucht, diese Beschränkungen zu überwinden, aber der Undarstellbarkeit des Kriegsspektakels wollten auch sie nicht vertrauen. Das in Kriegsfilmen meist unabdingbare Porträt des Feindes trägt einen dicken ideologischen Pinselstrich besonders dort, wo sie Krieg thematisieren, der entweder noch in vollem Gange oder dessen Nationaltrauma noch nicht ausreichend therapiert ist. Ich habe zwar nachvollziehen, aber nicht akzeptieren können, warum Hollywood bereits kurz nach 9/11 und den anschließenden Kriegen damit beginnen musste, Ideologien bestätigende Filme über sie zu drehen. Die vielen Schlachtfeld-Pamphlete, Coming-Home-Dramen oder spielfilmartig-sensationalistischen Dokumentationsversuche eines Ist-Zustandes gehen über technisch kompetent gemachtes Wundenlecken nicht hinaus. Sie sind durch Aggressivität verstellt, es mangelt ihnen an zeitlich bedingter Fähigkeit zur Analyse, und sie sind oftmals dümmliche Rechtfertigungserzeugnisse innerhalb eines geopolitisch hochgezogenen Tellerrandes, der sich durch starbesetzte Filmkunst selbst abnicken möchte.

Rambo, oder: selbst zum Krieg werden

Das Action- und Kriegskino der Reagan-Ära wiederum hat die Praxis, Helden oder auch Antihelden (was unter diesem Gesichtspunkt nicht die geringste Rolle spielt) der dargestellten Konflikte publikumswirksam zu besetzen, immerhin ins Absurde überspitzt. Diese Filme sind zumindest dahingehend aufrichtig, als sie ihre Fantasie des übermächtigen Muskelklotzes, der Kriege im Alleingang zu gewinnen bereit ist, auch deutlich ausstellen. Nur ein Beispiel einer solchen Kriegsfigur ist der Vietnamveteran John Rambo, der für die beschriebenen Sehnsüchte zunächst als eine Art Stellvertreter scheinkritischer Kriegsdarstellung eintreten muss, um schließlich gar "zum Krieg selbst" werden zu können. In Rambo führt die vor allem geistige Versehrtheit des nach seiner Rückkehr in die Heimat nicht heldenhaft gefeierten Soldaten zu einer Fortsetzung kriegerischen Verhaltens, auf anderem Boden und zu anderen Bedingungen. Krieg erscheint hier umso vergeblicher, je weniger seine Kämpfer (und damit auch er selbst) ehrbar gemacht werden. Die militärische Figur des Colonel Trautman muss nicht nur außerhalb des Schlachtfeldes als väterlich-fürsorgliche Instanz auftreten, sondern auch eine kriegslegitimierende Funktion einnehmen.

Johnny zieht in den Krieg

In seinen besten Momenten vermittelt dieser Film mehr über Kriegstraumata und entsprechend institutionalisiertes Unrecht, als es gewöhnliche Kriegsfilme leisten können. Wenn ich meiner Argumentation folge, wäre nur der Verzicht auf actionreich dargestellte Kampflinien und mitreißende Kriegsschlachten imstande, den Genrewiderspruch aufzulösen. Das Melodram Casablanca erzählt mir vor dem Hintergrund der Wehrmachtsbesetzung im Zweiten Weltkrieg mehr über die Auflösung sozialer Gefüge, als es andere ungleich konkretere Kriegsfilme dieser Zeit tun. Das vor dem Schrecken des japanischen Bürgerkrieges im 14. Jahrhundert angesiedelte Schauerstück Onibaba - Die Töterinnen vermittelt gerade durch das, was es nicht zeigt (Kriegsgetümmel, Gefechte, Männerbündnisse), ein Gespür für die sozialen Härten, denen Menschen (hier auch einmal Frauen) im Krieg ausgesetzt sind. Und Johnny zieht in den Krieg, der vielleicht einzige wirkliche Antikriegsfilm, zwingt sein Publikum in das Bewusstsein eines verwundeten Soldaten, dem sowohl Gliedmaßen als auch Sinnesorgane verloren gegangen sind. Wie dieser Film Krieg und Kriegswirtschaft (der Protagonist wird gleichermaßen als medizinisches Experiment wie auch unfreiwilliger Militärheld missbraucht) als etwas filmisch komplett Abstraktes darstellt, macht ihn eindrücklicher als jedes Hollywoodsche Kriegsfeuerwerk.

Eine Entschuldigung der Bilder

Auswirkungen eines Krieges, oder das, was die Filme als Auswirkungen bezeichnen, werden trotzdem auf einen Nenner gebracht, nicht selten in Bilder übertragen, die von gefallenen Soldaten und gebrochenem Willen erzählen, vereinzelt weisen sie noch auf einen (ebenfalls nur ideologisch gedachten) Verlust des Obrigkeitsglaubens hin. Dass Krieg auch sinnliche Verzerrung bedeutet, einhergeht mit Paradigmenwechseln, mit der Kapitulation des Denkens und Fühlens, einer Zerstörung von Formen, Werten und Menschen, vermitteln debile Spektakelbilder nicht. Über sie kann lediglich der plakativste Kriegsausschnitt künstlerisch vorstellbar gemacht werden. Ein Kriegsfilm kann sich mir dann als Antikriegsfilm offenbaren und damit eine Haltung bestätigen, die ich als vernünftig denkender Mensch ohnehin eingenommen habe. Als Kunst macht ihn das entbehrlich, bestenfalls angreifbar. Er kann mir eindrücklich nachgeahmte, mit kostspieligem Aufwand inszenierte Kriegsbilder zeigen, um schließlich höchst seltsam behaupten zu dürfen, er wolle eigentlich verurteilen, was er mit diesen Bildern kreiert hat. Er wird versucht sein, die Faszination oder gar Simulation, die von diesen Bildern ausgeht, damit zu erklären, dass er den Krieg erst fühlbar werden lassen muss, um dessen Vergeblichkeit zu vermitteln.

Nur halte ich das eben für Unsinn, und ich glaube überhaupt, dass diese Filme so gar nicht gesehen werden (können).

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