Der aufziehende Wind weht mir den inzwischen fremdartigen Geruch von frischem Gras in das vom Salz gebeutelte Gesicht. Nach schier endlosen Tagen auf hoher See, ohne die Gewissheit je wieder einen solch lieblichen Duft wahrzunehmen, zaubert er mir ein kurzes Lächeln ins Gesicht. Um mich herum tosender Jubel und wilde Umarmungen, während die Brandung mit einer beinahe greifbaren Urgewalt gegen die spitzen Felsen der nahenden Küste haut - wir haben es geschafft, wir haben das glorreiche England entdeckt. Ich blicke stolz in den ewig grauen Himmel und danke Thor, dass er uns sicher über das endlos gelaubte Meer geführt hat, während ich ihn innerlich dafür verfluche, dass wir uns in den letzten Tagen durch haushohe Wellen haben kämpfen müssen. Mit einem gewohnt lässigen Sprung hüpfe ich gekonnt über den morschen Rand des Drachenschiffs und packe dabei geschickt mein treues Schild, welches an der Seite des hölzernen Kolosses befestigt ist. Gemeinsam mit meinen mutigen Schildbrüdern verlasse ich die salzige See und mache mich auf, in ein wahrlich unbekanntes Land.
Eine Szene, die sich in unserer Geschichte eines Tages wirklich so zugetragen haben könnte, als die nordischen Wikinger eines Tages das weite Meer überquerten und in England auf neue Küsten stießen. Ein privilegiertes Fleckchen Erde, welches nicht nur reich an Kultur ist, sondern auch viele wertvolle Schätze beherbergt. Eine spannende Epoche, die der History Channel zum Anlass nahm, um mit Vikings historische Fakten und fiktionale Elemente gekonnt zu kombinieren.
Ersatzdroge für einen Game of Thrones-Abhängigen
Nicht nur mein Nachname ließ mich begeistert sein von Game of Thrones, auch die bis dahin ungesehene Qualität der aufwendigen Produktion und die fesselnde Geschichte weckten schnell mein Interesse. Messerscharfe Intrigen, gnadenlose Entscheidungen und eine unverblümte Darstellung einer rauen Welt. HBOs Fantasie-Epos hat wirklich alles, um das Publikum in seinen Bann zuziehen und nicht mehr loszulassen. Der real gewordene eine Ring der Serien also. Nächtelang zitterte ich vor dem schwachen Licht meines Fernsehers mit den liebgewonnenen Charakteren mit, nur um am Ende mit gebrochenem Herzen den Abspann anzustarren. Ein intensives Erlebnis, dass in der umkämpften Fernseh-Welt seinesgleichen sucht.
Doch auf jedes noch so hohe High, folgt ein unausweichliches trübes Low. Irgendwann war die Zeit abgelaufen, jede Minute Westeros bis auf den letzten Krümmel aufgesaugt und aus bunt wurde plötzlich grau. Meine verzweifelte Suche nach dringend benötigtem Ersatzstoff endete mit der bitteren Erkenntnis: Da ist nichts. Schon damals wurde mir von Freunden Vikings ans Herz gelegt. Doch in meiner besserwisserischen Arroganz beschloss ich schnell, dass jene Show doch nur ein billiger Abklatsch von dem sei, was eben eindrucksvoll meinen Serien-Olymp erobert hatte. Rasch steckte ich die Nordmann-Serie in eine Schublade mit Spartacus & Co. Vor einigen Wochen jedoch, als mir das endlose Warten auf die neue Staffel Game of Thrones zu viel wurde und durch erneuten Zuspruch, beschloss ich mich, Vikings doch noch eine Chance zugeben.
Rückkehr des Epos im "Kleinformat"
Vikings zögert nicht lange und wirft den Zuschauer mit der ersten Szene in eine Welt, in der ausschließlich das Recht des Stärkeren zu zählen scheint. So sehen wir direkt ein Schlachtfeld, welches gespikt mit Pfeilen und Gefallenen ist, die im kniehohen Gras häufig nur schwer zu sehen sind. Begleitet von hektischen Trommlern sehen wir das Ende einer verlustreichen Schlacht, die nur zwei erschöpfte Überlebende übrig lässt. Einer davon ist Ragnar Lodbrok, der mit funkelnden Augen unerschrocken in die Kamera starrt und sofort klar macht, dass er mehr sein will, als nur ein einfacher Soldat und Bauer - der rastlose Beginn eines rasanten Aufstiegs.
Dabei ist die Serie mehr, als nur ein stumpfes Feuerwerk gewalttätiger Szenen, sondern beeindruckt mit einer tollen Inszenierung, interessanter Geschichte und einem faszinierenden Kernstück - der Religion. Bereits früh im Verlauf der Handlung entführen die heidnischen Krieger aus dem Norden einen scheuen Mönch. Völlig verschiedene Welten prallen dabei ungebremst aufeinander und der Gekidnappte gerät schnell in eine gefährliche Glaubenskrise, gebeutelt von den zahlreichen Verführungen der neuen Realität. Doch auch Lodbrok ist fasziniert vom neuartigen Christentum.
Zugegeben, trotz recht hohem Budget, erreicht auch Vikings nie das Niveau von Game of Thrones. Auch bleibt die Serie immer recht handzahm und scheut sich davor, wirklich wichtige Charaktere brutal aus der Show zu kegeln. Dennoch brachte sie die Farbe zurück in meinen Serien-Abend und ist inzwischen mehr, als nur ein banaler Lückenfüller für Game of Thrones.
Kennt ihr Vikings? Was haltet ihr von der History Channel-Serie, die sich auch einmal in den fiktiven Bereich der Unterhaltung wagt?