Auf dem 66. Internationalen Filmfestival Venedig im September 2009 hat der Film Women Without Men der iranischen Regisseurin Shirin Neshat einen Silbernen Löwen für die Regie erhalten, gestern startete das poetische Drama in unseren Kinos. Ein Grund für uns, einen kleinen Überblick über weibliche Filmemacherinnen aus dem Iran zu geben. Wenn wir die Wörter Iran und Frauenrechte in einem Atemzug hören, dann verbinden wir Unterdrückung und Repression mit ihnen. Jedoch gibt es an iranischen Universitäten einen ebenso hohen Frauenanteil wie Männer. Frauen sind an den selben Fronten der iranischen Gesellschaft aktiv wie Männer. Diese großen Widersprüche spiegeln sich auch in den Spielfilmen, bei denen Filmemacherinnen aus dem Iran hinter der Kamera stehen.
Verhüllte Frauen in poetischen Bildern
Da das Leben insbesondere für Frauen im Iran oft kein Zuckerschlecken ist, verwundert es selbstredend nicht, dass iranische Regisseurinnen keine Komödien drehen (iranische Komödien gibt es natürlich, doch die sind hauptsächlich Domäne der Männer und gehen inhaltlich eher selten über Propaganda hinaus). Rigide Traditionen und moderne kapitalistische Stadtbilder sind weitere Paradoxe im Iran. Zwiespältig ist auch die im Iran ziemlich beliebte Frage nach Kunst oder Kommerz im Kino. Wurde früher zu Ayatollah Chomeinis Zeiten noch eine eindimensionale staatliche Richtung für die Filmindustrie verordnet, so sind heute die Inhalte freier wählbar. Kino-Blockbuster sind jedoch in den meisten Fällen von der iranischen Filmindustrie umgestrickte und geglättete alte Hollywoodfilme.
Das kritische Sozialdrama
Kritische iranische Filmemacher wählen als Gattung meistens das gesellschaftskritische Drama. Für die im Land aktiven FilmemacherInnen schwebt stets das Damoklesschwert der Regimekritik über den Köpfen. Dem die Frauenrechte im Iran sehr am Herz hängenden Regisseur Jafar Panahi wurde zur 60. Berlinale die Ausreise aus nicht genau benannten Gründen verweigert. Er sollte in Berlin bei einem Symposium zum Thema Iranisches Kino der Moderne teilnehmen. Sein Film Offside, der sich um Frauenfußball im Iran dreht, wurde im Iran sogar für Frauen verboten.
Starke Frauen, starke Filme
Inhaltliche Themen für iranische Regisseurinnen sind die sehr stürmische Geschichte des Landes und natürlich das Frauenbild, das Leben der Frauen und die Suche nach dem kleinen Glück. Der Trickfilm Persepolis zeigt Marjane Satrapis bewegtes Leben in traurig-humoristischen Zeichentrickbildern. Shirin Neshat stellt in ihrem neuen Film Women Without Men vier Frauenschicksale dar, die auf der Suche nach dem kleinen Glück sind. Große Antworten auf die Fragen der Politik und Gesellschaft können allerdings auch die iranischen Filmemacherinnen nur schwer liefern.
Der Makhmalbaf-Clan
Makhmalbaf ist ein Familienname, der ganz besonders für das iranische Kino steht. Die 24jährige Samira Makhmalbaf gehört heute schon zu den führenden Filmemacherinnen im Iran. Ihre Filme – wie Der Apfel und Fünf Uhr am Nachmittag – stellen Einzelschicksale in poetischen Bildern dar und wurden international hoch ausgezeichnet. Die Clanstruktur dieser Familie aus Filmemachern, die bis nach Europa reicht, hat sich bewährt, um Zensurmaßnahmen der iranischen Behörden erfolgreich zu umgehen. Doch gehen die realistischen Schilderungen in ihren Filmen nicht selten in den Erwartungshaltungen des westlichen Publikums unter, welches gerne Folklore und poetische orientalische Bilder sehen möchte. Kommerz und Kunst ist hier in diesem Fall also ein weiterer Widerspruch.
Wer sich von euch für das iranische Kino interessiert, kann dieser Tage Women Without Men in unseren Kinos bewundern.