Mammys, Rassismus & Stereotypen in Hollywood

08.12.2011 - 08:50 Uhr
In The Help gibt es ein Wiedersehen mit dem Mammy-Stereotyp
Disney
In The Help gibt es ein Wiedersehen mit dem Mammy-Stereotyp
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The Help eroberte in den USA die Kinokassen. Die Story von afroamerikanischen Hausmädchen, die sich gegen ihre Unterdrückung zur Wehr setzen, begeisterte. Doch die Figur der sogenannten Mammy hat auf der Leinwand eine problematische Geschichte.

Die sogenannte Mammy ist eine afroamerikanische Frau, die in einer weißen Familie die Kindererziehung übernimmt und als Haushälterin tätig ist. Historiker geben an, dass die Mammy ein Phänomen ist, das erst während des amerikanischen Bürgerkriegs im 19. Jahrhundert auftrat, denn es gibt kaum geschichtliche Hinweise auf diese Berufsgruppe vor dieser Zeit.

Die Geburt der afroamerikanischen Mammy
In der Literatur tauchte die Mammy erstmals in Harriett Beacher Stowes Roman Onkel Toms Hütte auf, der ursprünglich als Statement gegen die Sklaverei geschrieben wurde. Er geriet jedoch stark in Kritik, da er Stereotypen erschuf, die der Emanzipation der Sklaven im Weg standen. Mit Tante Chloe entstand in der Geschichte der Urtypus der afroamerikanischen Mammy: eine üppig gebaute, stets gut gelaunte Haushälterin, die sich mit Freude um die weiße Familie kümmert. Ihr eigenes Liebes- und Familienleben, von ihrer Anstellung unabhängige Ambitionen und Ziele werden vernachlässigt. Tante Chloe hat zwar im Gegensatz zu ihren Nachfolgerinnen eine eigene Familie, doch steht ihre Aufopferung für den weißen Haushalt im Vordergrund.

Dieses Bild der Mammy entspricht natürlich nicht der Realität. Zum einen war es den meisten Mammys gar nicht möglich, die starken Rundungen zu entwickeln, die ihnen in der Literatur und auch später auf der Leinwand angedichtet wurden. Die Nahrung der Sklaven, auch der im häuslichen Umfeld, war stark rationiert und die Frauen waren oft sehr dünn, wenn nicht gar unterernährt. Die Darstellung der Mammy als übergewichtig wird darauf zurückgeführt, dass die Frauen asexuell wirken sollten, um keine Konkurrenz zur weißen Hausherrin darzustellen. In der Realität kam es nämlich oft vor, dass das weiße Familienoberhaupt sexuelle Beziehungen, oft erzwungenermaßen, mit seinen schwarzen Angestellten unterhielt. Zudem war die Trennung der Mammy von ihrer eigenen Familie keine leichte Übung, wie die filmischen Darstellungen gerne suggerieren, sondern ein schwerer und schmerzhafter Spagat, wie er erst in späteren Werken, z.B. in Die Farbe Lila realistischer dargestellt wird.

Die Mammy bekommt einen Oscar
Die berühmteste Mammy der Filmgeschichte ist wahrscheinlich Hattie McDaniel, die für ihre Rolle in Vom Winde verweht als erste afroamerikanische Frau den Oscar erhielt. Sie markiert auch den Übergang zwischen zwei Typen von Mammys, nämlich denen in der Sklaverei (Onkel Toms Hütte) und denen, die als offizielle Angestellte beschäftigt sind (Solange es Menschen gibt). Auch Hattie McDaniels Mammy ist übergewichtig und insbesondere Männern gegenüber, egal ob schwarz oder weiß, aggressiv. Im Gegensatz zu Tante Chloe ist sie eher mürrisch, aber auf eine verschmitzte Art und Weise. An ihrer Darstellung der Ziehmutter von Scarlett O’Hara (Vivien Leigh) zeigt sich besonders, wie wichtig das Element der Asexualität in der Konstruktion dieses Stereotyps war.

Hattie McDaniel spielte auch in vielen weiteren Filmen eine Mammy, z.B. in Saratoga und The Mad Miss Manton und wurde dafür kritisiert, zur Aufrechterhaltung des Stereotyps beizutragen. Ihre Reaktion auf diesen Vorwurf ist inzwischen weltbekannt: „Warum sollte ich mich darüber beschweren, 7.000 Dollar pro Woche zu verdienen, indem ich eine Magd spiele? Wenn ich das nicht tun würde, würde ich sieben Dollar die Woche verdienen und wirklich eine sein.“

Zweimal Imitation of Life
Es gibt zwei Verfilmungen unter dem Originaltitel Imitation of Life, die sich beide mit der schwarzen Haushälterin einer weißen Frau beschäftigen, die sich vollkommen für das Leben ihrer Chefin aufgibt. Louise Beavers, die in der ersten Verfilmung von John M. Stahl die Mammy spielte, musste sich mit Hilfe einer strengen Diät die entsprechende Figur im wahrsten Sinne des Wortes anfressen. Zudem legte sie sich einen Südstaatenakzent zu, obwohl sie aus Kalifornien kam, um Filmrollen als Mammy zu ergattern. Mit dieser Taktik trat sie mehrere Male als Hauthälterin auf, z.B. in Sie tat ihm unrecht, Ein ideales Paar and Nur meiner Frau zuliebe.

In der ersten Verfilmung geht die Aufopferung der Mammy namens Delilah für die weiße Hausherrin Bea (Claudette Colbert) so weit, dass sie ihr ein geheimes Pfannkuchenrezept überreicht, mit dem diese reich wird. Dass Delilah mit nur 20% am Gewinn beteiligt wird, spielt für sie keine Rolle. Sie bleibt ihrer Chefin gegenüber weiterhin so loyal, dass darüber die Beziehung zu ihrer eigenen Tochter zerbricht. Solange es Menschen gibt von Douglas Sirk aus dem Jahr 1959 geht mit dem Thema ironischer um, die Stereotypen sind immer nah an der Übertreibung und so bekommt der Film ein wenig Abstand zu sich selbst und ist in der Lage, eine subtile Kritik an der Figur der Mammy zu vermitteln. Nichtdestotrotz ist auch hier die Mammy, gespielt von Annie Johnson, eine übergewichtige, gut gelaunte und extrem loyale Frau.

Die Mammy im 21. Jahrhundert
Die Figur der Mammy verschwand im Zuge der Bürgerrechtsbewegung von der Leinwand. Mit The Help kehrt die Diskussion über die Darstellung afroamerikanischer Haushaltshilfen wieder zurück. Das ist auf keinen Fall überflüssig, denn wir dürfen nicht vergessen, dass die offizielle Gleichberechtigung der Afroamerikaner keine 60 Jahre zurückliegt. Noch heute schmückt das Bild der schwarzen Mammy die Produkte der Firma Aunt Jemima. Das führt uns vor Augen, dass das Stereotyp noch lange nicht gestorben ist. Ob The Help, der die Position der Mammys in weißen Familien im Grunde zu kritisieren sucht, wirklich Aufklärungsarbeit leistet, oder alte Klischees wieder aufwärmt, bleibt abzuwarten.

Quellen zum Weiterlesen:
Sybil DelGaudi: The mammy in Hollywood film: I’d walk a million miles — for one of her smiles
Ferris State University: Museum of Racist Memorabilia

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