Die Schattenseiten des Ruhms

03.09.2012 - 08:00 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Extras
Polyband/BBC/moviepilot
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Eine wegweisenden Comedyserie ist die Lieblingsserie dieses moviepilot-Users. In ihr findet sich eine Bösartigkeit, die ihresgleichen sucht. Lest selbst!

In der finalen Doppelfolge der wegweisenden Comedyserie The Office versuchte der inzwischen entlassene Chef David Brent mittels einer eingeklagten Abfindung, erfolglos im Showbusiness Fuß zu fassen. Damit schnitten die Schöpfer der Serie, Ricky Gervais und Stephen Merchant, das Thema an, das ihr nächstes Projekt genauer unter die Lupe nehmen sollte: Ruhm und dabei besonders den, der so genannten B- bis Z-Prominenz. So entstand schließlich Extras, eine Serie, die sich um das Leben des Statisten Andy Millman dreht und den Blick auf die Welt des Films und des Fernsehens aus der Perspektive des untersten Gliedes der Nahrungskette wirft.

In jeder Folge treten ein oder mehrere prominente Gesichter auf, darunter auch Hollywood-Größen wie Samuel L. Jackson oder Kate Winslet (die in einem Nonnenkostüm Telefonsex-Tips erteilt, was allein schon die Existenz dieser Serie rechtfertigt). Extras funktioniert dabei allerdings nicht, wie die meisten Sitcoms, nach einem Monster-of-the-week-Prinzip, bei dem zum Ende jeder Episode der Status Quo wieder hergestellt wird, sondern folgt mit ihren nur zwölf Folgen und anschließendem Weihnachtsspecial dem klassischen Verlauf des großen Dramas und zeigt Aufstieg und Fall ihres Protagonisten.

Ist Andy in der ersten Staffel noch ein kleines Licht, das fast schon stoisch den Irrsinn seiner Umgebung erträgt, wird er im weiteren Verlauf der Serie zum Star und Autor seiner eigenen Sitcom. Was zunächst wie die Erlösung aus dem Schattendasein der Filmindustrie anmutet, schürt seine Unzufriedenheit nur noch mehr, da er seiner Meinung nach das falsche (nämlich geistig eher seichter gestrickte) Publikum erreicht und mit seiner monotonen Sitcom dem eigenen künstlerischen Anspruch nicht gerecht wird. Nach dem Ende seiner Show folgt schließlich der tiefe Fall, der ihn bis hinab in den Celebrity-Big-Brother-Container führt, in dem er schließlich seine Katharsis erlebt und dem Leben im Rampenlicht abschwört.

Dabei wird die Welt der Stars und Sternchen mit absoluter Schonungslosigkeit seziert. Das ist zum Teil brüllend komisch, wenn zum Beispiel George Michael seinen Kollegen Sting als verdammten Gutmenschen bezeichnet, weil der ihn bei der Polizei wegen illegalen Müllabladens gemeldet hat oder Orlando Bloom es nicht verkraftet, dass Johnny Depp der größere Star ist, obwohl doch Orlando der hübschere von den beiden ist. Auf der anderen Seite sind die Momente mit den gefallenen Stars von einst voller Tragik, allen voran jene mit Les Dennis, dem ehemaligen Moderator der britischen Version von Familienduell (die Älteren werden sich erinnern). Er wird dabei gezeigt, wie er versucht einem Klatschmagazin, in der Hoffnung auf ein paar wartende Paparazzi, anonym seinen späteren Aufenthaltsort zu verraten, nur um zu erkennen, dass keinerlei Interesse mehr an dem alternden Showmaster besteht. Es gehört viel Mut dazu, sich seinem eigenen Niedergang auf diese Weise zu stellen und als Zuschauer wird einem schmerzlich bewusst, wie sehr der Liebesentzug der breiten Masse an diesem Menschen nagt.

Im großen Finale läuft schließlich alles auf die eine Frage hinaus, die Andy von seinem Manager dann auch gestellt wird: Will er Ruhm oder will er Integrität, denn beides zusammen haben nur sehr wenige Menschen und er, Andy, wird niemals zu ihnen gehören. Er wählt den Ruhm, nur um zu erkennen, dass dieser ohne Selbstachtung nichts wert ist. Ricky Gervais und Stephen Merchant rechnen hier gnadenlos mit dem Showbusiness ab, mit der Ausbeutung und Verachtung dieses Systems und den traurigen Figuren, deren Prominenz inzwischen nur noch daher rührt, dass sie eben prominent sind. Damit prangern sie all jene Gestalten an, die auch dem deutschen Zuschauer mehr als bekannt sind, all die Ross Anthonys und Gina Lisas, die in unzähligen Chart-, Spiel- und Talkshows ihre geistige Diarrhoe in den Wohnzimmern des Volkes abladen. Und er zeigt auf die Zuschauer, die dieser „viktorianischen Freakshow“ nicht angewidert den Rücken zukehren, sowie auf die Produzenten hinter den Spektakeln, die ihre Hände in kapitalistischer Unschuld waschen, weil sie ihren Kunden ja nur das Produkt liefern, nach dem sie verlangen und dafür zur Not auch Menschen vor die Kamera zerren und bloßstellen, die man im Grunde als geistig zurückgeblieben einstufen könnte.

Diese Bösartigkeit, die den Opfern der Medienmaschinerie entgegengebracht wird, findet sich in der Serie selbst aber an keiner Stelle, denn die vielen Momente in denen man sich selbst schämt zu lachen sind zugleich zutiefst menschlich. Die Charaktere sind nicht Ziel des Spottes, sondern nur Opfer des zum Schreien komischen Desasters, das menschliche Kommunikation manchmal sein kann. Deshalb wird Extras für mich immer eine meiner Lieblingsserien bleiben, denn nichts heitert einen mehr auf, als Patrick Stewarts todernste Mine, wenn er seine selbst geschriebenen, an Pornofilme erinnernden, Drehbücher bespricht.


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