Tatort - Schwarzer Afghane made in Leipzig

17.03.2013 - 21:45 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Martin Wuttke in Tatort - Schwarzer Afghane
MDR
Martin Wuttke in Tatort - Schwarzer Afghane
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Tatort – Schwarzer Afghane wühlt in der Kiste abgegriffener Krimithemen, macht sich über Stereotypen lustig, um sie wenig später selbst zu bedienen und wird von einem hanebüchenen Finale endgültig ins Abseits geschossen.

Für ungefähr zehn, fünfzehn Minuten hatte ich den Eindruck, dass der neue Tatort aus Leipzig tatsächlich ziemlich gut werden könnte. Es begann schließlich mit dem surrealen Bild des brennenden Mannes. Dann war da Keppler, der aus dem Vietnam-Urlaub wiederkommt, nur um wie die personifizierte, sonnengebräunte Grumpy Cat auszusehen. Überhaupt: Hier trafen sich schließlich Hitler und Goebbels bzw. Martin Wuttke und Sylvester Groth vor der Kamera wieder und jede kleine Inglourious Basterds -Reunion ist ein Grund zum Feiern. Doch dann wurde der Rest von Tatort: Schwarzer Afghane abgespult und der fiel eher suboptimal aus.

Lokalkolorit: Zunächst einmal ist dieser Tatort dafür zu loben, dass er Leipzig ausnahmsweise nicht auf einen Kameraschwenk vor dem Hauptbahnhof reduziert. Die sonnengetränkten Bilder des City-Hochhauses samt Campus der Uni Leipzig lassen zwar kein lokales Flair aufkommen. Ein Gutes haben die an Postkarten erinnernden Aufnahmen trotzdem: Dank des MDR-Zeichens am Hochhaus werden wir daran erinnert, wer für diesen Krimi verantwortlich ist.

Plot: Zwei kiffende Jugendliche werden Zeuge, wie ein Mann mitten auf einer Wiese verbrennt. Die beiden schieben leider keinen Film, weshalb Keppler (Martin Wuttke) und Saalfeld (Simone Thomalla) den Fall übernehmen. Nahe des Tatorts brannte die Halle eines deutsch-afghanischen Freundschaftsvereins ab und der Tote, Arian, soll laut seinen Papieren afghanischer Herkunft sein. Der Vermieter der Halle, Müller (Sylvester Groth), lebte selbst einige Jahre in dem Land und seine Tochter Mette kennt den Toten. Als sich in dessen Kleiderschrank eine Rakete (!) findet, rechnen Keppler und Saalfeld mit einem terroristischen Motiv. Zum Leidwesen der Spannungskurve dieses Krimis liegen sie richtig.

Unterhaltung: Eines sollte hier von vornherein klargestellt werden: Martin Wuttke hält diesen Tatort aus Leipzig am Leben. Zwar ist es löblich, dass die privaten Mätzchen von Saalfeld ganz ausgespart werden und auch Thomallas Zusammenspiel mit ihrem Kollegen flutscht diesmal ganz natürlich und amüsant von der Drehbuchseite. Doch jedes Mal, wenn eine furchtbar gestelzt sprechende Figur die Einstellung betritt, etwa die Dozentin oder die dauer-amüsierte Kommilitonin, wenn der Totgeglaubte sich als kaltblütiger Killer entpuppt, ohne auch nur eine Spur charakterlicher Nuancen vorzuweisen, die das untermauern, wenn zum Schluss mit zwei Bomben hantiert wird, aber keiner auf die Idee kommt, (1) Spezialisten zu rufen und/oder (2) das jeweilige Gebäude zu evakuieren, wenn also der Tatort in jeder Hinsicht gegen die Wand gefahren wird, dann ruht mein Blick auf Martin Wuttke, der jeder Krimi-Schmach mit Würde entsteigt und sich von dem verdienten Geld hoffentlich einen schönen Vietnam-Urlaub leisten kann.

Tiefgang: Über den von Vorurteilen verseuchten Wohnheimhausmeister rümpft Tatort – Schwarzer Afghane die Nase. Letztlich tappt der Krimi allerdings in die selbe Falle. So gut wie jede Figur mit afghanischen Wurzeln hat hier Dreck am Stecken: Mette (Haley Louise Jones) wundert sich nicht über die Tonne Haschisch im Freundschaftsverein, Arians Tante (Ilknur Boyraz) bedroht die junge Frau in einem völlig unplausiblen Moment mit dem Küchenmesser und Arians womöglich humanisierende Hintergrundgeschichte wird durch den unmotivierten Mord an seiner, zugegebenermaßen nervenden, Geliebten aus dem Gedächtnis verdrängt. Keppler merkt in den letzten Minuten an, dass noch ein Sprengkörper fehlt. Da Tatort – Schwarzer Afghane jede Charakterentwicklung für den kurzen Thrill opfert, wirkt das fast wie eine Drohung. “Sie sind unter uns”, scheint Autor Holger Jancke zu suggerieren und der Krimi verspielt damit jedes Wohlwollen.

Mord des Sonntags: Der Joint in der Luft entzündet den Mann auf dem Feld.

Zitat des Sonntags: “Die Deutschen besaufen sich, die Afghanen rauchen eben.”

Ein schwacher Leipziger Tatort war das oder was meint ihr?

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