Mini-Furunkel oder tödlicher Tumor?

05.12.2011 - 08:50 Uhr
Ulrich Tukur als Felix Murot im Tatort
HR
Ulrich Tukur als Felix Murot im Tatort
5
4
Bei seinem zweiten Einsatz als Tatort-Kommissar wurde Ulrich Tukur mit einem geheimniskrämerischen Dorf und den singenden Kessler-Zwillingen konfrontiert. Hat euch der unkonventionelle Fall zugesagt oder doch eher kalt gelassen?

Dass die Tatort-Auftritte von Ulrich Tukur nur einmal im Jahr unseren Sonntag verschönern, macht sie noch einzigartiger, als sie sowieso schon sind. Nicht zuletzt dank seines kommunikativen Tumors Lilly wurde Tatort: Das Dorf zu einer ziemlich abgefahrenen Tour de Force, bei der der eigentliche Fall manches Mal in den Hintergrund geriet. Zum Nachteil gereichte das diesem unterhaltsamen Tatort allerdings nicht.

Lokalkolorit: Wer schon immer Mal dem idyllischen Hintertaunus einen Besuch abstatten wollte, dürfte sich das nach Tatort: Das Dorf zwei Mal überlegen. Mit einem düsteren Anwesen direkt aus einem Edgar Wallace-Film und den nicht gerade gesprächigen Dauergästen der Dorfkneipe präsentierte der Tatort uns und Felix Murot eine ziemlich abweisende Ländlichkeit, in der sich auch Sherlock Holmes mulmig gefühlt hätte. Fehlte eigentlich nur noch ein Moor.

Plot: Die Geschichte des neuen Tatorts war, mal abgesehen von der herumlaufenden Leiche, fast schon klassisch. Ein fremder Kommissar kommt ins Dorf und gräbt dort Geheimnisse aus, welche die verschwörerischen Bewohner lieber nicht bei Tageslicht sehen möchten. Die Würze beim neuen Murot-Fall des HR lag vor allem in der spannenden Frage, wie viel Anteil der Tumor Lilly an den seltsamen Geschehnissen in Dornstein hatte. Das sorgte zwar nicht für die handelsübliche Tatort-Spannung, produzierte dafür aber eine schöne, weil unvorhersehbare Abwechslung.

Unterhaltung: Ob schaurige Edgar Wallace-Credits, düstere Handlanger mit schwarzen Lederhandschuhen oder aus extreme Nahaufnahmen quillende Gesichter, Tatort: Das Dorf hatte an überzeichneter Atmosphäre so einiges zu bieten. Mit dem ungewöhnlich lässigen Ermittler Murot in Gestalt von Ulrich Tukur ist dem Hessischen Rundfunk ein echter Glücksgriff gelungen, der in schwarzhumorigen Halluzinationen eine ebenso gute Figur macht wie in den eher dramatischen Szenen. Zu den Höhepunkten zählen die Nummer am Klavier mit den Kessler-Zwillingen und natürlich der elegante Tanz am Sternenfirmament.

Tiefgang: Ein großes Statement über eine gesellschaftliche Problemzone machte dieser Tatort, anders als der RAF-Vorgänger, nicht. Dafür lieferte Regisseur Justus von Dohnányi einen augenzwinkernden Genre-Mashup in deutscher Thriller-Tradition, der erneut eine perfekte Bühne für Ulrich Tukur abgab. Der wäre als konventioneller Ermittler zweifelsohne unterfordert und wenn der HR seinen Star nur mit Gesangseinlagen, Gehirnen auf dem Serviertablett und gigantischen Haselnüssen bei Laune halten kann, dann soll er das von mir aus weiter tun. Ein bisschen Tatort-Jazz schadet nicht. Die Reihe war und ist schließlich stets auch ein Experimentierfeld.

Mord des Sonntags: Selten gab es in deutschen TV-Filmen so einen schönen Schattenmord zu bewundern wie bei der Erwürgung des allzu gesprächigen Handwerkers. Die gegen das Fenster schlagenden Äste waren das Tüpfelchen auf dem mörderischen i.

Zitat des Sonntags: “Sie können wirklich sehr stolz sein auf ihren Tumor.”

Ich fand den gestrigen Tatort aus dem beigen Hessen sehr unterhaltsam. Doch wie sieht’s bei euch aus?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News