Tatort - Melinda & ein grauenhaftes Debüt

27.01.2013 - 21:45 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Devid Striesow in Tatort - Melinda
SR/ARD
Devid Striesow in Tatort - Melinda
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Wenn am Ende des Jahres zurückgeblickt wird auf den ARD-Sonntagskrimi 2013, dann dürfte Tatort – Melinda als einer der absoluten Tiefpunkte in schauriger Erinnerung bleiben. Und nein, es ist nicht zu früh für dieses Urteil.

Tatort: Melinda ist einer der miserabelsten Krimis, der mir je untergekommen ist. Der erste Fall von Devid Striesow als Jens Stellbrink ist keiner dieser Tatorte, die im Autopilot schematische Plots abhaken. Bei der Sichtung von Melinda habe ich mich nach den routinierten Langweilern aus Konstanz, Ludwigshafen und sogar Leipzig regelrecht gesehnt. Stattdessen beantwortet der Saarländische Rundfunk die Kritik an seiner Personalpolitik mit einer undurchdachten Ansammlung von Klischees, die zu keinem Zeitpunkt eine in sich stimmige Filmwelt ergeben. Den dümmlich vorhersehbaren Plot sowie die schrillen Charaktere hat einer vom Kaliber Devid Striesows wahrlich nicht verdient. Wenn Tatort – Melinda bei mir eines erreicht hat, dann eine ausgemachte Furcht vor dem nächsten Fall der Saarbrücker Ermittler.

Lokalkolorit: Das sonnige Gemüt des Yoga-liebenden Jens Stellbrink erhellt Saarbrücken nicht lange. Schon bald tauscht Tatort – Melinda dieses mit der nebligen Gulliver-Welt, in die der Kommissar mit der kleinen Melinda auf der Flucht durch den Wald stolpert. Bei einem derart kindlichen Ermittler ergibt der Ausflug ins Märchenland fast Sinn. Wie in jedem anderen Bereich gelingt es Regisseur Hannu Salonen und den Autoren Lars Montag und Dirk Kämper jedoch nicht, die einzelnen atmosphärischen Schnipsel zu einem glaubhaften Gesamtbild zusammenzuführen.

Plot: Jens Stellbrink watschelt mit Reggae im Ohr, gelber Regenjacke auf den Schultern und Gummistiefeln an den Füßen durch den Baumarkt, um eine Klobürste und ähnlich hochinteressante Utensilien zu besorgen. Dort trifft er die alleingelassene Melinda. Als er die zu ihren Eltern bringen will, gerät der neue Saarbrücker Ermittler in einen Krimiplot voll von betont schmierigen Nordafrikanern, die kleine Kinder für den Drogenhandel missbrauchen. Niemand glaubt dem gutmütigen Stellbrink, außer vielleicht der Zuschauer. Der errät das große Mysterium (der Dolmetscher!) ungefähr eine Stunde vor den Polizisten. Um den Sprudel unlustiger Ideen am Laufen zu halten, gesellt sich gegen Ende eine rüstige Tatort-Zuschauerin zum Ensemble, weil schießwütige Gangster, obercoole Polizisten und hysterische Staatsanwälte offenbar nicht unterhaltsam genug sind.

Unterhaltung: Tatort – Melinda wirkt bisweilen so, als hätte jemand Inspirationen wie Little Miss Sunshine, Tatort: Das Dorf sowie das Münsteraner Team gegen ein ahnungsloses Whiteboard geworfen, um zu sehen, was Kleben bleibt. Stellbrinks auf quirk getrimmter Habitus kollidiert wie erwartet mit der no-nonsense-Kollegin Lisa Marx (Elisabeth Brück). Weder seine Yoga-Übungen im Büro, noch seine sprunghaften Ermittlungsmethoden vermögen allerdings die Mundwinkel des Zuschauers zu heben. Stattdessen wird eine skurrile Type nach der anderen in den Plot geschleust, die alle dermaßen überzeichnet sind, dass sie allenfalls als ausgemusterte Drehbuchideen aus einem mittelmäßigen Thiel/Boerne-Falle durchgehen.

Tiefgang: Bei Tatort-Debüts gibt es nichts wichtigeres, als eine sinnige Integration des Kommissars in seine Umwelt. Thiel und Boerne mögen sich so unterschiedlich verhalten wie Tag und Nacht. Dieser Zwiespalt wird im Rest des Casts sowie der Atmo allerdings aufgenommen. In den besten Münster-Tatorten wirkt keiner der beiden deplatziert, weil ihre Umwelt für das Gleichgewicht sorgt. Ähnlich verhält es sich mit Felix Murot (Ulrich Tukur), dessen Retro-Charme sich stets in der Inszenierung und dem Figurenkabinett seines jeweiligen Falls wiederfindet. Tatort – Melinda scheitert an dieser Hürde. Der grelle Stellbrink bleibt von Anfang bis Ende ein Fremdkörper in diesem Film, weil jede einzelne Figur hier zum Dasein als Fremdkörper verurteilt ist. Der Krimi wirft seine gesammelte Stereotypen-Schau in die Manege: die sonnenbebrillte Polizistin, die in einer leeren Lagerhalle Schießübungen macht (?); die in schwarzen Anzügen herumstolpernden Bösewichte, die alles abknallen, was sich bewegt; die zur brabbelnden Karikatur verkommene Staatsanwältin, die auf die Regeln beharrt, sind die Gegenargumente auch noch so einleuchtend. Einen Grund, Interesse für diese Figurenhülsen aufzubringen, liefert Tatort – Melinda nicht.

Mord des Sonntags: Gestorben ist in diesem Krimi vor allem die Hoffnung auf annehmbare Krimiunterhaltung aus dem von internen Ränkespielen kreativ zersetzten Saarländischen Rundfunk.

Zitat des Sonntags: “Das passt irgendwie alles nicht zusammen.”

Ich kann meine Enttäuschung nur schwer in Worte fassen. Aber wie hat Tatort – Melinda euch gefallen?

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