Tatort: Grenzfall - Hast du einen Komiker bestellt?

08.03.2015 - 20:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Bild zu Tatort: Grenzfall - Hast du einen Komiker bestellt?
ORF/rbb
Bild zu Tatort: Grenzfall - Hast du einen Komiker bestellt?
4
2
An der früheren "Mördergrenze" wird gegrantelt, was das Zeug hält, und es ist eine Wonne, dem Wiener Tatort-Team dabei zuzusehen.

Nichts weniger als das Loch im Loch wird in Tatort: Grenzfall ausgebuddelt und keine Sorge, dieser Satz wird mit Verrinnen der letzten Sekunde Spielzeit des Krimis schon irgendwie Sinn ergeben. "Die heißen alle wie in irgendwelchen Märchen", merkt zwischendurch eine Busch- und Kästner-feste Archäologin nicht von ungefähr an, denn so bunt und vergnügt begann der Wiener Tatort selten. Der neue Möchtegern-Komiker-Assi Fredo wird erstmal ordentlich angegrantelt, dann darf sich Moritz (Harald Krassnitzer) diverse Wortgefechte mit Vorgesetzten und Pathologen liefern, bevor er in eifersüchtiger Rage beinahe Bibi (Adele Neuhauser) über den Haufen fährt. Alles abgerundet mit gelöstem Gelächter, versteht sich. Je weiter die beiden Tatort-Recken an der österreichisch-tschechischen Grenze, bzw. der ehemaligen österreichisch-tschechoslowakischen Grenze ermitteln, desto tiefer buddeln sie im anfangs erwähnten Loch, wo sich die Sonnenstrahlen leider rar machen.

Tatort: Grenzfall

Schon der Mord selbst ist schwer ernst zu nehmen, wenn er in einem Kanufahrer kulminiert, der stocksteif auf einem Fluss zur Seite plumpst. Nun gut, nicht jeder ist durch solch niederen Slapstick zu amüsieren und nach Jahren der Tatort-Krittelei nimmt man eben, was man kriegen kann. Dass die laut eigenen Aussagen schwer traumatisierte Zeugin (Andrea Clausen, nur als "Archäologin" geführt) aber unter Einfluss diverser Medikamente sich als Quell zitierfähiger Drehbuchspitzen präsentiert ("Jahrelange Lichtbildvorträge vor Millionen von Laien. Ich bin dramaturgisch gewieft."), passt wieder ins Bild einer provinziellen Krimikomödie mit Heimat-Touch. Alle Härten im Nu durch Pointen abgemildert usw. Autor und Regisseur Rupert Henning arbeitete unter anderem an den Drehbüchern für Vier Frauen und ein Todesfall, was denn auch dem überzeugendsten Aspekt dieses Ausflugs ins Waldviertel anzumerken ist: blendend mürrische Dialoge, welche aus den angestaubtesten Tatort-Situationen echte Hörwerte zaubern.

Das genau ist jedoch ein Problem. Kein bedeutendes, sei angemerkt, denn Tatort: Grenzfall zieht trotz des wachsenden Ballasts vorbei wie eine Brise. Da drängelt zwar eine komplexe Geschichte um Vergangenheitsbewältigung auf Entdeckung, eine, die die Frage stellt, wie viel Wahrheit überhaupt zu ertragen ist um der Wahrheit Willen. Da kann ein Journalist das Verschwinden seines Vaters vor über vierzig Jahren nicht verkraften, rollt eine Geschichte rund um perfide Geheimdienstmethoden während des Kalten Krieges auf, um Flüchtlinge und Informanten, deren Schicksale sich an der "Mördergrenze" kreuzten. Die späte Besinnung auf die Last der verdrängten Geschichte, unter der ein ganzes Dorf zu ersticken droht, will dem Krimi trotzdem nicht recht stehen. Zu sehr ähnelt er der vergnüglichen Vorlesung des Lieblings-Profs. Gerade in den ersten Semestern sind das schließlich die Unterhaltungskönige und -königinnen, die Anekdoten und Witzchen aus dem Ärmel ziehen wie andere Folien aus der PowerPoint-Präsi. Erst wenn die Schweißtropfen den Klausurzettel aufweichen, wird einem klar, dass mit Geschichten über Schlange stehende Ossis oder theologisch geschulte Freundinnen [1] kein Blumentopf, ja nicht einmal ein ECTS-Pünktchen zu gewinnen ist. Dennoch, lustig war's allemal. Für 90 Minuten.

Mord des Sonntags: Eine Überdosis Insulin.

Zitat des Sonntags: "Ich bemüh' mich, ein guter Mensch zu sein, aber es gibt Grenzen."

[1] Um nur zwei Beispiele für Professoren-Anekdoten anzudeuten, die überhaupt nicht (Ehrenwort!) dem persönlichen Erfahrungsschatz der Autorin entspringen.

Wie hat euch der Tatort aus Wien gefallen?

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externe Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung


Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News