Streaming - Wir leben in der Zukunft, die wir uns immer erträumt haben

07.10.2017 - 10:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Twin Peaks - Amanda Seyfried
Showtime
Twin Peaks - Amanda Seyfried
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Was vor wenigen Jahren noch ein ferner Wunschtraum war, ist heute schon alltäglich. Ein kleiner Jubelruf, um die grandiosen Seiten des Streamings zu würdigen und eine noch bessere Zukunft auszumalen.

Es wird ja gerne betrauert, dass das Fernsehen seinen Lagerfeuer-Charakter verloren hat. Dieser sorgte noch in den 1980er-Jahren dafür, dass Millionen von Menschen zur gleichen Zeit das gleiche Programm gesehen haben, sich so als Teil einer Gemeinschaft fühlen und am nächsten Tag angeregt über ein und dasselbe Thema sprechen konnten. Doch galt dies lediglich innerhalb von Landesgrenzen, und die Besonderheiten des deutschen Fernsehens machten gerade Serienfans zu schaffen.

Auch früher war nicht alles besser

Wer beim Serien-Gucken nicht vom Wohlwollen der Fernsehsender abhängig sein wollte, ihren schlingernden Ausstrahlungsschemata und oft zweifelhaften Synchronisationen, dem blieb bestenfalls, sich Serien wie zum Beispiel Star Trek: Voyager auf Video zuzulegen, zwei Folgen pro englischsprachiger Kassette für sage und schreibe 40 DM! Auch der sehr viel spätere Beginn einer Staffel im deutschen Free-TV als im jeweiligen Ursprungsland riefen dazu auf, andere Wege zu finden, die Serie zu gucken. Die Kassetten waren jedoch auch nicht sofort nach der Erstausstrahlung verfügbar, und nahmen zudem nicht gerade wenig Platz im Regal ein, ganz zu schweigen von der niedrigauflösenden Bildqualität. Besser wurde es dann mit dem Aufkommen der DVD, auch wenn Zeitversatz und Kosten nach wie vor nicht ideal waren. Aber immerhin setzte sich hier die Veröffentlichung in Staffelstärke durch, anstatt lediglich zwei Folgen auf einmal anzubieten.

Vor 20, 10 oder auch nur 5 Jahren erschien es utopisch, dass große aktuelle US-Serien wie selbstverständlich zeitgleich mit ihrer dortigen Ausstrahlung auch hierzulande verfügbar sein werden, noch dazu mit HD-Bild, in 5.1-Ton und wahlweise in der Originalsprache. Und das für, je nach Breite des Serieninteresses, 30, 20 oder auch nur 10 Euro im Monat, ohne langfristige Bindung, ohne Werbeunterbrechungen, legal.

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Weltweite Diskussion dank Streaming

Wer früher immer gleichermaßen bewundernd wie neidisch in Fan-Zeitschriften blätterte, die die neuesten Folgen von Genre-Serien wie Akte X, Babylon 5 oder Buffy besprachen, ist heute mit einem Klick selbst auf dem neuesten Stand in Sachen Twin Peaks: The Return oder Star Trek: Discovery und kann weltweit mitdiskutieren. Allerdings erschafft das Internet mit der Möglichkeit, neue Serienfolgen zeitgleich mit allen anderen zu sehen, zusätzlich auch eine größere Notwendigkeit, dies zu tun, will man sie unverdorben genießen. Früher ließ es sich gut in temporärer Ignoranz leben, so sie einen nicht Kraft ihrer selbst marterte. Heute bricht hingegen schon milde Panik aus, wenn eine Folge mal mit ein paar Stunden Verspätung zur Verfügung gestellt wird (was angesichts von Spoilergefahr andererseits auch einer halben Ewigkeit gleichkommen kann.

Ein wenig anders und eingeschränkter sieht diese Diskussion freilich bei eigenproduzierten Filmen und Serien der Streaming-Dienste aus, so sie diese gleich als ganze Staffel veröffentlichen. Aber zumindest bietet sich dadurch auch die Möglichkeit, anders als gewohnt erzählen zu können. Die zunächst vielbeschworene Freiheit vom Diktat der Einschaltquoten bzw. Abrufzahlen dürfte mit zunehmender Vergrößerung des Portfolios allerdings immer weniger genutzt werden, wie Netflix es schon demonstriert.

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Wo noch Luft nach oben ist

Im Hinblick auf ältere Serien und Filme sieht das Streaming-Angebot hingegen weit weniger rosig aus. Aber warum denn immer mit dem Schlimmsten rechnen, da es hier genauso viele Möglichkeiten für ein segensreiches Wirken der Streaming-Dienste gibt: Nicht nur schafft die sofortige Verfügbarkeit ganzer Serien und Filmografien die Gelegenheit, Altbekanntes unkompliziert noch einmal zu erleben, sondern auch die Möglichkeit, Dinge nachzuholen, die man verpasst bzw. ignoriert hat. Gerade im Serienbereich lassen sich dadurch auch neue Zuschauer gewinnen, die Interesse für direkte oder indirekte Folgeprojekte entwickeln. Ganz zu schweigen von einer möglichen informativen Rahmung eines Klassiker-Filmangebots durch Einführungen zum Beispiel im Stile der guten alten Fernsehansager, wie sie im TV früher sogar bei den Privaten regelmäßig auftraten.

Eines scheint allerdings klar: Bei zunehmendem Erfolg von Streaming als Geschäftsmodell, und gerade der möglichen Erweiterung um ältere und exotischere Inhalte, dürfte es nicht genügen, bei wenigen großen Anbietern Kunde zu sein. Wer alles sehen will, muss aller Voraussicht nach mehr und mehr Dienste parallel abonnieren. Aber wer weiß, vielleicht ist die Hoffnung auf eine geldbeutelverträgliche Entwicklung des Streaming-Marktes doch nicht illusorischer als die, die Lieblingsserie gleichzeitig mit der ganzen Welt sehen zu können.

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Wie euphorisch oder desillusioniert seid ihr im Hinblick auf Streaming?

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