Wer kennt sie nicht, die BMX-Räder und Reihenhäuser, die gestutzten Rasen und Hecken, hinter denen sich wahlweise ein Demogorgon oder Michael Myers verstecken? Hunderte Filme und Serien siedeln ihren Horror oder Science-Fiction in diesen vertrauten Klein- und Vorstädten der USA an. Hawkins, Indiana aus Stranger Things ist das derzeit erfolgreichste Beispiel dafür, denn die Serie arbeitet sich an den Vorstädten geliebter 80er-Jahre-Filme ab.
Was an für sich nichts Schlechtes ist, sich aber auch abnutzt. Das fällt besonders auf, wenn Filme aus diesem Korsett ausbrechen. Der Predator-Vorgeschichte Prey gelang das vor ein paar Monaten. Hier wurde statt eines fremden Planeten oder einer Stadt ein Comanche-Lager im 18. Jahrhundert für die Menschenjagd gewählt. Der entzückend brutale Science-Fiction-Film Slash/Back aus Kanada schlägt in eine ähnliche Kerbe.
Stranger Things-Schurke Vecna hätte wegen den Slash/Back-Kids die Flucht ergriffen
Slash/Back spielt in Pangnirtung, einer Siedlung auf einer arktischen Inselkette, die überwiegend von Inuit bewohnt wird. Oder sagen wir besser: ihren Kindern. Die Erwachsenen zeigen sich selten. In Nebensätzen und Details werden Alkoholismus und Arbeitslosigkeit als grassierende Probleme der Gegend angedeutet.
Schaut euch den Trailer für Slash/Back an:
Leena (Chelsea Pruksy), Jesse (Alexis Vincent-Wolfe) und Uki (Nalajoss Ellsworth) haben früh gelernt, selbst klar zu kommen. Bei einem Ausflug in die atemberaubende Natur erblicken sie einen Eisbär. Der bewegt sich unnatürlich, als hätte sich jemand seine Haut übergezogen. Als er sie angreift, erschießen sie ihn. Sie ahnen jedoch nicht, was in ihm steckt: Glitschige Aliens mit "Nudel"-Armen, die von Mensch und Tier Besitz ergreifen.
Die Mädchen machen kurzen Prozess mit dem Eisbär, wie sie es gelernt haben. Sie stammen nämlich nicht aus einer kuscheligen Vorstadt, sondern einer rauen Gegend, in der man früh lernen muss sich durchzusetzen. Vecna hätte vor ihnen Reißaus genommen.
Slash/Back hat Stranger Things eines voraus
Trotzdem bleiben sie Teenies und Kinder. Sie machen sich über die Spaghetti-Monster genauso viele Gedanken wie über ihren Schwarm, der auf einem Quad über den Schotter braust. Mit einem kleinen Budget erzählt der äußerst sympathische Slash/Back von dem Widerstand dieser Mädchen, die Köpfe abschlagen, als hätten sie nie etwas anderes getan.
Das herausragende Merkmal des Films von Nyla Innuksuk ist neben dem aufgeweckten jungen Cast aber das Setting. Statt der hundertsten stereotypen Vorstadt oder einer schlechten Kopie von Das Ding aus einer anderen Welt zeigt Slash/Back eine Gegend, die in Genrefilmen kaum eine Rolle spielt. Und das mit sichtbarer Vertrautheit.
Diese Repräsentation von Inuit im Kino besitzt einen ideellen Wert. Und sie sorgt für dringend nötige Abwechslung neben den ausgelutschten Sci-Fi-Storys über Reihenhaus-Kinder, die auf Monster treffen. Deswegen wirkt Slash/Back so lebendig, wie Hawkins, Indiana vermutlich noch nie war.
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